2 Wochen ist die Beerdigung von Niklas jetzt schon her. Wenige Tage nach der Beisetzung hatte Karim sich verabschiedet und mir ausdrücklich aufgetragen, mit Lukas zu trainieren. Ich aber mied Lukas so gut ich konnte. In der Schule ging ich ihm aus dem Weg und floh mit Kylie, Mia und Alex in den Pausen an verschiedene Orte, um Lukas nicht länger als nötig bei mir zu haben. Auch auf ein ehrliches Gespräch mit Lias hatte ich verzichtet und ihm stattdessen erzählt, dass eine entfernte Tante gestorben sei und wir einige Tage zu der Verwandtschaft gefahren wären. „Ich hoffe ihr habt nicht vergessen, dass heute Abend Winterball ist, Mädels. Wisst ihr schon was ihr anzieht?", fragt Alexandra und zieht an einer ihren langen Strähnen. „Also ich ziehe ein roséfarbenes Kleid an und meine Friseurin macht mir eine ziemlich aufwendige Hochsteckfrisur. Obwohl es nur ein alberner Schulball ist, muss man sich natürlich Mühe geben", antwortet Vanessa, die zu uns gestoßen ist. „Ähm, wer genau hat dich nach deiner Meinung gefragt?", fragt Kylie rätselnd und zieht genervt eine Braue hoch. Vanessa funkelt sie an: „Ich muss von niemandem gefragt werden, ob ich meine Meinung abgeben soll. Hast du denn überhaupt schon einen Partner?" Sie lächelt säuerlich, sichtlich überzeugt davon, dass wir alle noch keine Tanzpartner haben. Was nicht ganz der Fall ist, denn Alexandra wurde von irgendeinem Typen aus der 12. gefragt und Kylie geht mit Lias. Eigentlich hatte er erst mich gefragt, aber ich weiß immer noch nicht, ob ich heute Abend überhaupt hingehen soll, deshalb hatte ich abgelehnt. Bevor Kylie antworten kann gesellt sich ein sechster zu uns. An Vanessas Gesicht kann ich ablesen, wer hinter mir steht, denn ihr überbreites Lächeln ist nicht falsch zu deuten. „Heiii", flötet sie und klimpert mit ihren Wimpern, „Dich hab ich gesucht. Ich wollte nämlich fragen, ob du für heute Abend schon eine Beglei..." Lukas unterbricht sie: „Eigentlich wollte ich nur kurz mit Leah reden." Das Lächeln gefriert auf Vanessas Gesicht. Einerseits bin ich über den Korb von Lukas positiv überrascht, andererseits hab ich dennoch keine Lust ihm auch nur „Hallo" zu sagen. Vanessa versucht Kylie und Mia, die sich das Lachen nicht verkneifen können, mit ihren Blicken zu töten und zieht dann ohne ein weiteres Wort ab. Lukas legt seine Hand auf meine Schulter und sofort macht mein Herz ein paar unkontrollierte Sprünge. Kylie guckt mich fragend an, doch ich nicke. Irgendwann werde ich wohl eh mit ihm reden müssen, warum soll ich es also nicht schnell hinter mich bringen? Ich drehe mich zu ihm um und versuche ruhig zu atmen. „Was gibt's?" „Ich würd schon gern mit dir alleine sprechen. Geht das?" Ich nicke und folge ihm etwas von den anderen weg. „Du weißt, dass du mich nicht für immer ignorieren kannst, oder?", fragt Lukas. „Bis jetzt hat es eigentlich ganz gut funktioniert", gebe ich trotzig zurück und knete meine eiskalten Finger. Ich sehe Lukas an, dass er genervt ist, aber es ist mir egal. Ich bin auch genervt. Genervt von mir selbst. Ich will nicht hier mit ihm stehen und gleichzeitig wegrennen und ihn küssen wollen. Außerdem scheine ich die einzige von uns beiden zu sein, die ein Problem damit hat, denn Lukas guckt mich so gereizt an, dass ich nicht weiß, ob er überhaupt in den letzten Wochen an mich und unsere gemeinsame Zeit gedacht hat. „Devon hat gesagt, dass ich dich trainieren soll und ich habe vor, mein Wort ihm gegenüber zu halten. Also hör auf mit dieser Scheiße und benimm dich mal vernünftig." Jetzt will ich ihn nicht mehr küssen. Ich will ihn schlagen, ihn anbrüllen, aber ich stehe nur vor ihm und bringe kein Wort raus. Lukas wird etwas leiser als er sagt: „Ich hole dich um vier Uhr bei dir ab. Zieh Sportsachen an, klar?" Er zieht mit dem Klingeln ab und lässt mich stehen. „Arsch", denke ich und halte mich zurück ihm nicht den Mittelfinger hinzuhalten. „Was wollte er?", fragt Kylie beim Betreten des Klassenraums. „Er holt mich nachher zum trainieren ab. Und so wie ich ihn verstanden habe muss ich mitgehen, entweder freiwillig oder er zieht mich gewaltsam mit sich..." Kylie tätschelt mitleidig meinen Arm und huscht an Herrn Lohmann vorbei auf ihren Platz.
„Leah! Du musst los!", ruft meine Mutter um Punkt vier. Ich überprüfe mein Outfit ein letztes Mal im Spiegel. Eigentlich wollte ich, nur um Lukas zu provozieren, eine Jeans und irgendein schulterfreies Shirt anziehen, doch wahrscheinlich wäre ich die gewesen, die darunter hätte leiden müssen, deswegen habe ich mich doch für eine schwarze Leggins und ein Kakigrünes T-Shirt entschieden. Ich binde meine Haare zu einem Zopf zusammen und schnappe mir Lukas Pulli von meinem Bett. Ich will ihn nicht noch länger hier rumliegen sehen. Ich gehe nach unten. Anstatt einer Begrüßung schleudere ich Lukas seinen Pullover zu und gehe an ihm vorbei um mir meine Sneaker anzuziehen. Während ich meine Schuhe zubinde, mustere ich Lukas verstohlen. Er trägt eine graue Jogginghose und ein enganliegendes schwarzes Shirt, unter dem seine Muskeln stark hervortreten. Verdammt, warum muss er auch so gut aussehen? Bei dem Gedanken beiße ich mir auf die Lippe und schüttel den Kopf. Nicht an seinen Körper denken. Nur daran, dass er dich abserviert hat. „Ich bring sie gegen sieben wieder zurück", sagt Lukas an meine Mutter gewandt. Was soll das? Er ist doch nicht mein Babysitter! Ich verabschiede mich und folge Lukas nach draußen in die herein brechende Dunkelheit. Er will nach meinen Händen greifen, doch ich entziehe sie ihm schnell. „Ganz wie du willst. Dann fliegen wir eben...", schnaubt Lukas und erhebt sich mit einem kräftigen Flügelschlag. Ich tue es ihm gleich. Je öfter ich fliege und die Schwingen nutze, desto mehr merke ich, wie ich mich an sie gewöhne. Natürlich ist es total surreal weit über den Dächern zu fliegen, aber das Gefühl der Freiheit ist unbeschreiblich. Es dauert nicht lange bis wir vor Lukas Haus landen. Er öffnet die Tür und wir betreten das warme Gebäude. Mit einer Handbewegung lenkt Lukas mich zu einer Wendeltreppe, die mir bei meinem ersten Besuch noch gar nicht aufgefallen ist. Ich steige hinunter und finde mich in einem großräumigen Keller wieder. Lukas betätigt einen Schalter und zwei riesige Deckenlichter fluten den Raum. Die weißen Wänden wirken trotz der gähnenden Leere im Raum nicht kalt. Eine Matte klatscht hinter mir auf den Linoleumboden. Lukas hievt eine weitere aus einem Wandschrank und legt sie neben die erste. „Wir fangen mit dem Fallen an. Bevor du richtig kämpfen lernst, musst du lernen, wie du dich bei einem Sturz schützt. Komm hier rüber", sagt er in einem strengen Ton, der keinen Widerspruch duldet. Ich gehorche, wenn auch etwas zickig, und stelle mich neben ihn. Mit einem schnellen Handgriff wirft Lukas mich auf die Matte. Für einen kurzen Moment raubt der Aufschlag mir den Atem, doch ich rappele mich schnell wieder auf die Beine. „Was soll das? Du hast nicht gesagt, dass es schon los geht!", sage ich wütend. Auf Lukas Gesicht zuckt der Hauch eines Grinsens. „In einem echten Kampf sagt dir dein Gegner auch nicht dass es los geht. Lass ihn also niemals aus den Augen", erklärt Lukas und macht einen Schritt auf mich zu. Ich fixiere ihn, bereit, nicht zu fallen. Er kommt noch einen Schritt näher. „Am besten greifst du nach seinen Händen", sagt Lukas etwas leiser und will nach meinem Gelenk greifen, doch ich drehe mich weg und mache einen Satz zur Seite. Überrascht sieht Lukas mich an. „Nicht schlecht...", murmelt er. Plötzlich fährt er seine Schwingen aus und ist innerhalb einer Sekunde neben mir. Er packt meine Taille und wirft mich mit Wucht auf die Matte. Ich keuche und verziehe das Gesicht vor Schmerz. Dieses Szenario wiederholt sich bestimmt 15 mal, bis ich ergeben die Hände hebe. „Ich... kann nicht... mehr. Keine Luft...", presse ich hervor und stemme die Hände in die Hüfte. Lukas steht mit dem Rücken zur Matte, etwas abseits von mir. „Pause gibt es nicht. Wir trainieren gerade mal eine halbe Stunde..." Ich weiß nicht, ob er noch etwas sagen will doch ein plötzlicher Reflex ergreift mich. Ich fahre die Schwingen aus, zische zu ihm und schubse ihn mit einem kräftigen Schlag auf die Matte. Doch Lukas greift in Sekundenschnelle nach mir und ich lande auf ihm bei unserem gemeinsamen Fall. Ich spüre, wie er seine Hände auf meinen Rücken legt und mich festhält. Mein Verstand schreit, dass ich mich losreißen und aufstehen soll, doch ich kann mich nicht bewegen und bleibe auf Lukas liegen. Ich drehe den Kopf etwas und versinke augenblicklich in Lukas Augen. Er hält meinem Blick Stand. Ich bin wie gebannt, wie immer wenn ich in Lukas Blick gefangen bin. Meine Hand liegt neben seinem Kopf, nur Zentimeter von seinen Haaren entfernt. Ich nehme wahr, wie Lukas Gesicht näher kommt, bis seine Lippen meine leicht berühren. Er küsst mich nicht, nur unsere Lippen liegen aufeinander. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und ich habe Angst, alles zu ruinieren, doch ich tue es trotzdem. Ich drücke meine Lippen fester auf seine und küsse ihn. Zuerst erwidert er den Kuss nicht und ich will schon panisch zurückweichen, da legt er eine Hand in meinen Nacken und zieht mich noch enger an sich. Es dauert nicht lange, bis auch unsere Zungen sich gefunden haben. Sein Kuss wird fordernder und er setzt sich auf und zieht mich auf seinen Schoß. Ich kreuze meine Beine hinter seinem Rücken und vergrabe meine Hände in seinen weichen Haaren. Er lässt seine Finger unter mein enges Shirt gleiten und streicht an meiner Taille vorsichtig nach oben. Ich zucke leicht zusammen als er die Haut unter meinem BH berührt. Er erhebt sich, mich immer noch auf seiner Hüfte sitzend. Seine riesigen Schwingen wachsen und wir fliegen nach oben. Dabei bricht die Tür seines Schlafzimmers aus den Angeln, doch nichtmal das scheint Lukas zu stören. Er lässt mich auf sein Kingsize Bett fallen und küsst mich erneut. Ich schiebe meine Hände unter sein Shirt und lasse sie über seine Bauchmuskeln fahren. Mit einer schnellen Handbewegung zieht Lukas sich sein T-Shirt aus. Oberkörperfrei und mit ausgefahrenen Flügeln kniet er jetzt über mir und streicht mit seinem Zeigefinger mein Kinn entlang. Er drückt einen Kuss auf meinen Hals, dann auf mein Schlüsselbein. Langsam greift er nach meinem T-Shirt und sieht mich an, wartend auf meine Erlaubnis es mir auszuziehen. Ich mache keine Anstalten ihn zu stoppen, weshalb er es mir über den Hals zieht. Dabei löst sich mein Zopf auf und meine Haaren fallen in Wellen auf meine nackte Schulter. Lukas nimmt eine von ihnen zwischen seine Finger. Auf einmal dreht er sich und schiebt mich auf sich drauf, im selben Atemzug beginnen wir wieder uns zu küssen. Meine Gefühle spielen verrückt, ich nehme nur noch Lukas und seine Berührungen wahr. Ich umschließe sein Gesicht vorsichtig mit beiden Händen und er legt seine Hand auf meine. Mit seinen braunen Augen blickt er mir direkt in meine Seele, ich habe das Gefühl, als müsste ich nichts sagen, denn er versteht mich ohne Worte. Lukas Mundwinkel zuckt. Ich realisiere zu spät, dass er in Lichtgeschwindigkeit mit mir auf dem Arm ins angrenzende Badezimmer geflogen ist und mich unter die Dusche schiebt. Mit Schwung dreht er das Wasser auf. Es dauert nicht lange, bis es eine angenehme Temperatur erreicht und auf mich nieder prasselt. Ich pruste und wische mir die klebenden Strähnen aus dem Gesicht. Passiert das gerade wirklich? Ich komme mir vor wie in einem kitschigen Liebesfilm, aber in einem Film würde kein Schauspieler so unattraktiv wie ich prusten und Wasser spucken. Lukas grinst mich an. „So nicht, mein Lieber", denke ich und ziehe Lukas zu mir unter den Wasserstrahl. Ich kann seinen Blick nicht deuten, doch viel scheint es ihm nicht auszumachen, dass seine Jogginghose bereits durchnässt ist. Er tritt einen Schritt zurück, öffnet den Knoten seiner Hose und lässt sie samt Socken hinter sich aus der Dusche fallen. Ich erstarre und obwohl ich es nicht will, senkt mein Blick sich auf den Bund seiner Calvin Klein Shorts. Was mache ich hier eigentlich? Hab ich nicht vor zwei Stunden noch gedacht, dass Lukas es nicht wert ist, seinetwegen traurig zu sein? Doch tief in meinem Inneren weiß ich, dass meine Gefühle für Lukas nicht mehr einfach so abzuschalten sind, und ich diesen nassen, vor mir stehenden Dämon in meiner Nähe haben will. Lukas fährt seine Schwingen ein und kommt wieder auf mich zu. Wassertropfen hängen in seinen langen Wimpern. Er drückt mich vorsichtig, aber bestimmt gegen die Wand der großen Duschkabine. „Dass ich das mit dir beenden will war eine Lüge. Ich weiß nur ganz genau, dass ich mich in deiner Nähe auf nichts anderes konzentrieren kann. Ich wollte mein Wort halten und dich nach allen Regeln der Kunst trainieren, damit du auf einen eventuellen Kampf vorbereitet bist. Aber das funktioniert nicht, wenn ich nur daran denken kann, wie es ist, dich zu küssen, dich in meinem Arm zu halten, dir nah zu sein. Ich weiß, ich bin dein Hüter und ich habe Verantwortung dir gegenüber, aber, verdammt, ich liebe dich, Leah..." Lukas zuckt mit den Schultern. Kann mir mal einer erklären, wie man sich in so einer Situation verhalten soll? Wenn der heißeste Junge der Welt, der zufällig schwarze Flügel auf seinem Rücken hat und ein Dämon ist, einem seine Liebe gesteht? Ich bin überfordert wie noch nie zuvor in meinem Leben. Zum Glück erspart Lukas es mir, etwas zu antworten, denn er legt seine Hände in meine Taille und tastet sich, während er mich küsst, vorsichtig zu dem Bund meiner Leggins. Auf einmal geht alles ganz schnell. Ich befreie mich von der Hose und werde von Lukas hinter sich her zurück ins Schlafzimmer gezogen. Mit einer Handbewegung öffnet Lukas meinen klitschnassen BH und schiebt die Träger von meinen Schultern. Zu meiner Überraschung ist es mir nicht unangenehm, auch wenn ich weiß, worauf das hier hinaus laufen wird. Ich vertraue Lukas und bin mir sicher, dass es genau richtig ist, was zwischen uns passiert. Nur noch mit einem Slip bekleidet sehe ich Lukas fest an. Er erwidert meinen Blick ohne zu blinzeln. „Willst du das wirklich?", fragt er. Ich kann nur nicken. Noch nie habe ich etwas so gewollt wie das.
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Black and White
Teen FictionStell dir vor, an deinem 16. Geburtstag fängt dein Körper an sich zu verändern. Unmenschliche Flügel wachsen aus deinem Rücken. Und plötzlich musst du dein Leben als Engel weiterführen, ohne je darauf vorbereitet worden zu sein. Und als wenn das ni...