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Irgendwann steht sie einfach vor dir. Sie steht da und hält dir ihre Hand hin, wenn alle andere sich von dir abgewandt haben. Und weil außer euch beiden sonst niemand anderes mehr übrig ist, ergreifst du die Hand, und ihr beiden freundet euch an.
Ihr verbringt unablässig Zeit miteinander. Wo du hingehst, geht auch sie hin, und ohne sie gehst du nirgendwo hin. Ihr beiden klebt aneinander wie Schuh und Kaugummi. Ihr seid untrennbar.
Aber je mehr Zeit vergeht, umso mehr fragst du dich, ob diese Beziehung eine gute Idee war. Du beginnst nach Auswegmöglichkeiten zu suchen, nach Alternativen, in deinem Kopf spielst du alle möglichen Methoden ab, um dieser Beziehung ein Ende zu bereiten, schonungsvoll oder nicht. Du weißt nur, dass du dem ein Schlussstrich setzen musst, so schnell wie nur möglich.

Als du auf sie zugehst und es ihr zu erklären versuchst, wird sie wütend. Sie schreit und schlägt um sich, brüllt dich an. Doch dann kommen die Tränen. Sie fließen und fließen und wollen gar nicht mehr versiegen.
Der bittersüße und stechend heiße Geschmack der Schuld macht es sich in deinem Herzen gemütlich und erweicht es. Es macht dich wieder weich und schwach und lässt dich einknicken.
Aber sein wir doch mal ehrlich: Du hättest es doch sowieso nie geschafft. Verrückt genug, dass du überhaupt auf die Idee gekommen bist.

Du beginnst, alles noch einmal zu überdenken. Und wenn es so weit ist, dann ist es ohnehin schon zu spät. Revue lässt du all die Momente passieren, in denen ihr gemeinsam Zeit verbracht hat. Und eigentlich war das doch gar keine schlechte Zeit, denn immerhin wart ihr zu zweit und nicht alleine. Also, so schlimm kann das Ganze doch gar nicht sein, oder? Warum solltest du dich trennen?

Du beschließt, der ganzen Sache noch eine Chance zu geben. Und nicht nur eine. Du gibst ihr sogar immer und immer wieder Chancen, jedes Mal, wenn du beschlossen hast, dich ein für alle Mal zu trennen. Denn dann steht sie wieder da, mit diesen brennenden Tränen, die sich quälend einen Weg in deine Haut graben. Sie krallt sich an dir fest, lässt dich nicht  gehen, lässt nicht zu, dass du dich von ihr trennst und jeder von euch seines Weges geht.

Also versuchst du es mit Gewalt. Du stößt sie von dir, ringst sie nieder, aber ihre Arme schlingen sich wie Ranken um dich und schlagen dort Wurzeln. Sie hält dich an sie gebunden. Und immer, wenn du versuchst, sie gewaltsam von dir zu lösen, ihre Wurzeln loszuschneiden, die sich längst mit deinen eigenen verbunden haben, wachsen sie nach. Sie wachsen nach, wie lästiges Unkraut, dass einfach nicht weichen will.
Es ist wie ein Fluch, wie ein Plage, von der man befallen ist und die man einfach nicht loswird.

Sie saugt dich aus, beraubt dich deiner Kräfte, macht dich schwächer, von Tag zu Tag. Und noch immer lässt du dich hin und wieder von ihr betören, während sie immerzu ihre süß-klebrigen Worte wispert: Ich bin hier, du kannst dich auf mich verlassen. Ich werde immer bei dir sein und dich nie alleine lassen.

Nun ist schon so viel Zeit vergangen, dass du schon gar nicht mehr sagen kannst, wie viel genau. So viel Zeit, die du in ihren Klauen verbracht hast, dass du deinen eigenen Verstand anzweifelst.

Und dann beginnst du dich in sie zu verlieben. Du verfällst ihr und ihren Honigworten, die sie dir stetig ums Maul schmiert. Alles siehst du wie durch einen Schleier, der alles weicher und rosiger und schöner macht, als es in Wirklichkeit ist. Mit jedem weiteren Tag, der vergeht, in denen du in ihrer Gewalt bist, wirst du ein bisschen weniger du selbst und ein bisschen mehr nichts.

Es ist nichts weiter als eine krankhafte Beziehung, in der du emotional missbraucht wirst.
Und trotzdem kannst und willst du dich nicht davon lösen. Denn, wenn du das tätest - dann wärst du doch wieder allein?

16/04/2018 - Montag [00:23 Uhr]

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