Der Weg in die Stadt führte über holprige Wege, die wir mit dem Geländewagen zum Glück gut überwältigen konnten. Meine Hände schmerzten ziemlich, da wir nur Verbandszeug, aber keine Schmerzmittel dabei hatten. Statt mich also mit meinen Händen zu beschäftigen, blickte ich aus dem Fenster und ließ meine Gedanken schweifen. Selbst wenn ich versuchte, nicht an ihn zu denken, wanderten meine Gedanken nur zurück zu einer Person. Minho.
"Das kannst du nicht von mir erwarten", sagte ich und schüttelte den Kopf. "Ich kann nicht - nicht ohne dich."
"Shay, ich liebe dich", flüsterte er. "Wenn du mich jemals geliebt hast, dann gehst du jetzt. So weit wie du kannst. Du drehst dich nicht um. Wenn du mich liebst, dann gehst du ohne mich."
"Das ist nicht fair", schluchzte ich.
"Das war unser Leben nie", erwiderte er und zuckte mit den Achseln. "Jetzt küss mich."
Er lächelte mich an und beugte sich zu mir vor. Unsere Lippen berührten sich. Seine waren eiskalt, aber es waren immer noch Minhos Lippen. Er löste sich von mir, sodass meine Stirn noch an seiner lag. "Ich finde dich wieder."
Das war unsere letzte Konversation gewesen. Manchmal hatte ich Angst, Minho zu vergessen. Die Art wie er sprach, sein Lächeln, seine Augen und seine Lippen.
"Shay?"
Ich schreckte aus meiner Trance hoch und blickte zu Newt.
"Wir steigen aus und schlagen die Zelte auf."
"Ist gut", erwiderte ich und wischte mir die Tränen weg.
"Kommt ihr?", fragte Thomas Newt und mich.
Newt blickte besorgt zu mir. "Wir kommen gleich nach."
Thomas schien zu bemerken, dass etwas nicht stimmte und nickte, bevor er sich zurückzog.
"Was ist los?", fragte Newt mich, doch ich starrte nur aus dem Fenster und blickte auf Pfanne, Thomas und Brenda, die ein Feuer machten. "Shay."
"Ich kann nicht mehr", brachte ich gerade noch heraus, bevor ich in Tränen ausbrach.
"Was kannst du nicht?", hakte Newt nach.
"Manchmal vergesse ich wie er aussieht. Ich versuche es so sehr, mich an ihn zu erinnern. Es ist einfach so lange her. Was, wenn er tot ist?"
"Er ist nicht tot", versicherte Newt.
"Ich liebe ihn", flüsterte ich, gefolgt von lautem Schluchzen. "Und ich kann nicht mehr. Ich liebe ihn so sehr, dass es mir wehtut. Ich bin erschöpft. Ich kann nicht mehr."
"Das Gefühl habe ich auch manchmal", murmelte Newt.
"Jeden Tag versuche ich einfach nur für ihn stark zu sein, aber ich habe Angst. Ich liebe ihn so sehr, dass ich Angst davor habe. Ich will nicht bei WICKED aufkreuzen und erfahren, dass er gestorben ist oder mich vergessen hat", wimmerte ich, worauf Newt mich in den Arm nahm. "Es macht mich verrückt, ihn so zu lieben. So verrückt, dass ich mir wünsche, ich wäre an seiner Stelle und er an meiner. Ich habe ihn schon so oft fast verloren. Ich will das nicht mehr durchmachen müssen."
"Es wäre keine Liebe, wenn es dich nicht zerstören würde, Shay. Wenn jemand mir anbieten würde, den Platz mit Minho zu tauschen, würde ich sofort zustimmen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken", sagte Newt. "Das geht uns allen so. Aber du darfst nicht aufgeben. Es ist egal, ob du mal am Boden bist, du musst weitermachen. Denn wenn du an seiner Stelle wärst, wäre er schon längst bei dir. Er hätte sich in irgendeine waghalsige Rettungsmission gestürzt, nur um dich zu retten. Als du ihn vergessen hast, hat er dich nicht aufgegeben. Du darfst jetzt auch nicht aufgeben, das lasse ich nicht zu. Wir werden kämpfen. Aufgeben liegt nicht in unserem Blut. Wir laufen nicht davon. Wir sind Lichter."
Ich lächelte über seine Worte und wischte mir die Tränen weg. "Ich gebe nicht auf. Ich habe nur Angst, Hoffnung zu gaben."
"Morgen fahren wir weiter, dann sind wir gegen Abend bei der Stadt", sagte Newt.
"Ja, und dann? Denkst du, die lassen uns einfach so durch die Mauern? Wir können auch nicht einfach so bei WICKED reinspazieren", gab ich zurück.
"Irgendeinen Weg finden wir. Das tun wir immer", ermutigte mich Newt. "Und jetzt steig aus und setz dich mit uns ans Feuer."Am nächsten Morgen fuhren wir sofort weiter zur Stadt. Es dauerte noch 5 Stunden, bis wir ein stillgelegtes Parkhaus erreichten.
"Ich glaube wir sollten zu Fuß weitergehen", sagte Brenda und stoppte den Wagen. Ich schnappte mir einen Rucksack und stieg aus dem Wagen aus. Die Stadtmauern waren in der Nähe zu erkennen, doch davor standen noch unzählige Wohnblocks. Sie waren verwest, die roten Backsteinmauern waren mit Efeu bewachsen. Überall roch es nach Verwesung und Kanalisation, weshalb ich beim Aussteigen die Nase rümpfte.
"Wie geht es deinen Händen?", fragte Newt nach.
"Es geht schon", sagte ich ihm, obwohl es doch ziemlich schmerzte. Nach meinem gestrigen emotionalen Zusammenbruch hatte ich mich wieder erholt und war wieder in positiver Laune, Minho zu finden.
Als auch Brenda, Pfanne und Thomas ausgestiegen waren, schloss Brenda den Wagen ab.
"Na, dann los!", sagte sie und führte die Gruppe an. Thomas lief neben ihr her, während Newt, Pfanne und ich hinter ihnen folgten.
"Hoffentlich laufen wir hier keinen Cranks über den Weg", sagte Pfanne, worauf Newt auflachte.
"Deshalb haben sie die Mauern doch gebaut", erklärte Newt. "Damit die Cranks draußen bleiben."
"Dann halten wir die Waffen bereit", sagte Pfanne und blickte ernst nach vorne.
Nach etwa zehn Minuten Fußmarsch hielt Thomas an.
"Was tun die da?", fragte er und deutete auf die Menschenmenge, die sich kurz vor der Mauer gebildet hatte.
"Sieht nach einem Aufstand aus", stellte Brenda fest. "Denkst du, sie werden die Mauer stürmen?"
"Keine Ahnung", erwiderte Thomas. "Aber es könnte ein Weg in die Stadt sein."
Noch bevor er den Satz richtig beendet hatte, setzte er sich wieder im Bewegung, um sich dem Aufstand anzuschließen.
"Thomas, warte!", rief Brenda, doch er ließ sich nicht aufhalten.
Auch wir wurden schneller, um Thomas einzuholen. Schon nach wenigen Sekunden drängelte er sich durch die Menschenmasse nach vorne. Newt lief dicht hinter mir und versuchte mich von der Menge abzuschirmen.
"Ich glaube wir haben ein Problem", sagte Newt, worauf ich mich umdrehte. Hinter uns bahnte sich ein maskierter Mann den Weg durch die Menge... und er war nicht alleine.
Wir kamen endlich bei Thomas an, der auf die hohen Mauern starrte.
"Thomas!", sagte Newt. "Wir werden verfolgt."
"Was redest du denn da?", erwiderte Thomas und blickte wieder auf die Mauern.
Auch ich ließ meinen Blick an den Mauern der Stadt durchwandern und entdeckte einen Sicherheitsposten ganz oben. Die Leute darauf starrten auf die Masse und schienen zu zählen. Ich starrte ein paar Sekunden, bis mir klar wurde, was jeden Moment passieren würde.
"Lauft!", rief ich.
"Wieso?", fragte Bratpfanne verwirrt.
"Bomben!", rief ich und noch bevor ich loslaufen konnte, wurde die erste Mine im Boden ausgelöst. Die Menschen der Masse fingen an zu schreien und loszurennen, sodass ich aufpassen musste, nicht übertrampelt zu werden. Der Boden unter unseren Füßen vibrierte und kleine Brocken fielen von den bereits brüchigen Backsteingebäuden.
"Los!", rief Pfanne von hinten und meine Füße trugen mich so schnell sie konnten. Immer mehr Minen im Boden explodierten hinter uns und rissen einigen Leuten den Boden unter den Füßen weg. Ich drehte mich um, um zu sehen, ob noch alle hinter uns waren, doch wurde von jemandem festgehalten. Panisch drehte ich mich wieder, um mich zu wehren, als ich einen maskierten Mann anblickte. "Loslassen!"
Obwohl ich mit Händen und Füßen um mich schlug, zog der Mann mich mit.
"Newt! Thomas!", rief ich, doch entdeckte, dass auch meine Freunde von Maskierten mitgezerrt wurden. Egal wie sehr ich mich wehrte, ich konnte den Mann nicht loswerden. Wir wurden in eine Gasse gezogen, in der zwei Transporter standen. Einer der Maskierten öffnete die Hintertüren, worauf wir grob in die Autos geschubst wurden. Ich fing mich mit meinen verbundenen Händen auf, um nicht auf den harten Boden des Wagens zu knallen, worauf ein stechender Schmerz durch meine Hände fuhr.
Hinter uns knallten die Türen zu, als ich mich aufrappelte und an der Wand anlehnte, bevor ich vor Schmerz aufstöhnte. "Alles in Ordnung?"
Ich nickte und blickte zu Thomas. "Ich bin okay."
"Was sollen wir jetzt tun?", fragte Thomas und versuchte durch die abgedunkelten Scheiben etwas zu erkennen.
"Keine Ahnung", erwiderte ich. "Wir müssen irgendwie durch die Mauern."
"Erstmal müssen wir hier lebendig rauskommen", stellte Thomas fest und blickte auf meine Hände. "Du blutest."
Auch ich sah auf meine Hände, deren Verband sich rot gefärbt hatte.
Die Bremse quietschte, als der Wagen anhielt und Thomas und mich im Hinteren des Wagens hin und her schmiss. Licht fiel in den Wagen, als die Türen geöffnet wurden und wir grob aus dem Wagen gezogen wurden. Als meine Augen sich wieder an das Licht gewöhnt hatten, sah ich mich um. Wir befanden uns in einer Art altem Parkhaus und waren von unzähligen maskierten Männern umzingelt. Auch Brenda, Newt und Pfanne blickten verwirrt herum.
"Wer seid ihr?", fragte Brenda.
Ein großer Mann, der mit uns im Wagen gefahren wir, lief hin und her.
"Was wollt ihr hier?", fragte er, seine Stimmt entstellt von det Maske.
"Spielt das eine Rolle", erwiderte ich schnippisch.
"Wer seid ihr?", fragte Thomas, worauf der Mann seufzte und sich die Maske vom Gesicht riss. Mein Herz blieb fast stehen, als ich sein Gesicht sah. Vor uns stand kein geringerer als Gally.
"Gally?", murmelte Newt.
"Wie kann das sein? Wir sind ohne dich gegangen", sagte Thomas, worauf Gally auflachte.
"Man sieht sich immer zweimal im Leben", erwiderte er. "Was wollt ihr wirklich hier?"
"Minho wurde von WICKED gefangen genommen... Wir sind gekommen, um ihn zu holen", antwortete ich und blickte Gally an. Ich hatte ihn nie gemocht, doch vielleicht war dies unsere einzige Chance. "Wir brauchen Hilfe."
"Ja, die braucht ihr", sagte Gally. "WICKED hat euch entdeckt, deshalb wurden die Minen ausgelöst. Ihr seid nicht sonderlich gut darin, keine Aufmerksamkeit zu erregen, denn falls ihr euch noch erinnert, seid ihr gechippt."
Thomas blickte schuldbewusst zu Boden, da er sich dem Aufstand als erster angeschlossen hatte und viele Menschen schwer oder tödlich verletzt wurden.
"Ihr habt Glück", sagte Gally schließlich. "Ich kann euch in die Stadt bringen."
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Lost [Maze Runner - Minho - Run Band 2]
Fanfiction[2. Band zu "Run"] Es ist ein Jahr her, seit es den Lichtern gelang vor WICKED zu fliehen. Minho, der aufgrund seiner Verletzungen zurückblieb, ist in der Obhut WICKEDs. Als die Lichter zurückkehren, werden sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert u...