Das nächste Problem bahnte sich bereits mit voller Geschwindigkeit an. Beckers Lippen bluteten bereits und sein ganzer Körper juckte von Trockenheit. Bei Jess sah es nicht weniger schlimm aus. Ihre Reihe von Verletzungen laugten sowie zusätzlich zu dem Wasserentzug noch mehr aus als ihn, der auf das Leben in menschenfeindlicher Umgebung einige Kurse während seiner Ausbildung absolviert hatte und somit spezialisiert war.
Jess war stehen geblieben, sie hatten kein einziges Wort mehr gesprochen seit der fatalen Situation heute morgen.
Erstmals wandte sie sich ihm zu.
Ihre Hautt war rot verbrannt, noch schlimmer als am ersten Tag, und ihr stand der Schweiß auf der Stirn.
Sie ließ sich auf den Boden sinken. Ihr war anzusehen, dass sie nicht mehr konnte.
Ihm war klar gewesen, dass ihre Wunden Früher oder Später ihren Tribut fördern würden. Eher Früher, wie sich abzeichnete.
Becker war zwar strickt gegen eine Pause, doch er zwang sich in die Knie und auf den Stein, der nunmehr seit dem halben Tag einer Art körnig verkrusteten weißen Sandschicht gewichen war.
Jess Füße bluteten, das erkannte er an den roten Spuren kleiner Füße auf dem Weiß des Bodens.
„Wie geht es dir?” fragte er mit gesenktem Blick. Seine Stimme war nur ein Flüstern.
„Meine Füße...”, brachte sie krächzend heraus. „ Es tut so weh...” Ihre Stimme war in ein Wimmern umgeschlagen.
„Nicht weinen! Flüssigkeitsverschwendung.“ sagte er, dass letzte mit ironischem Unterton um sie aufzuheitern. Dann nahm er abermals ihre geschundenen Füße in die Hand und betrachtete ihre Sohlen. Sie waren blutverkrustet.
Er berührte eines der übernatürlich großen Sandkörnchen die in einer offenen Wunde steckten. Sie schrie auf.
Eine böse Vorahnung bahnte sich in seinem Kopf an.
Der Boden.
Er nahm etwas von dem klebrigen Sand in die Hand und führte sie zu seinem Mund. Es schmeckte salzig.
Sofort war er ganz bei Sinnen. //Eine Salzwüste? Was denn noch?!//
Er musste in seiner Unvorsichtigkeit nicht auf den Wechsel von Boden geachtete haben. //Wie konnte ich das über sehen?!//
Seine Augenlieder waren schwer, er wollte nichts lieber als schlafen, doch er schüttelte den Kopf. Er musste bei Besinnung bleiben! Für Jess.
Er zog sein T-Shirt aus, der Weste hatte er sich schon vor Stunden entledigt. Sie musste Kilometer hinter ihm im Riff liegen.
Mit dem nunmehr ein Fetzten von Stoff tupfte er Jess' Wunden ab. Sie verzog gelegentlich schmerzhaft das Gesicht, doch Becker machte so schnell es ging weiter.Die Sonne war schon hoch, viel zu hoch um weiter zu gehen, aber er vermochte bereits nichtmehr die Möglichkeiten abzuwägen. Kurz wagte er die Diagnose eines Sonnenstichs bei ihm zu stellen, doch dann verflog der Gedanke. Er konnte klar denken. Er war nicht krank, lediglich am verdursten.
When the world makes me tired
And my mind feels like it was set on fire
You look at me and smile
With your brown eyes you calm my heart and I
Can breathe again
Beckers Säuberungstechniken waren verdammt schmerzhaft, aber Jess hoffte mit jeder Faser ihres Körpers dass es wirkte. Ihr Blick war auf Becker geheftet. Seit heute morgen waren sie sich nicht mehr so nah gewesen, geschweige denn hätten sich berührt. Das er nun wiederum ohne Shirt vor ihr stand war umso mehr verwirrend.
Er hatte es einfach nicht sagen können. Er hatte es einfach nicht geschafft, dachte Jess sich zusammen. // Oder... vielleicht wusste er nicht was ich gemeint hatte? War die Verständnis in seinen Augen fehlgedeutet gewesen?//
Jess wusste nicht mehr was sie denken sollte. Es war zum verrückt werden. Das alles hier. Ihre Kehle brannte vor Durst, ihre Lippen bluteten, wenn sie sie bewegte, sie hatte einen verdammten Hunger, nahezu alles tat ihr weh und diese vermaledeiten Wolken, voll mit kleinen Wassermolekülen wollten einfach nicht stehen bleiben. Sie hätten warten sollen. Auf die Anomalie. Die Wolken waren schneller als sie und regnen mussten sie theoretisch auch nicht.
Becker schien fertig zu sein. Er hatte sein Shirt ernsthaft in zwei Hälften gerissen und sie um ihre Füße geschlungen.
„Das ist Salz”, sagte er heiser und blickte sie zum ersten mal seit langem wieder an.
„Darum haben deine Füße so gebrannt.”
Er half ihr hoch, und sie sah, wie die Muskeln an seinen Oberarmen vor Schwäche zuckten und zitterten.
Er rang sich ein Lächeln ab, dass konnte sie sehen. Und sie sah auch, wie sich seine verbrannten Lippen sich spanten und letztendlich Rissen. Blut lief über sein Kinn, doch es ging ihr glich etwas besser. Becker hatte noch Zuversicht, wie es schien, dann könne sie auch zuversichtlich sein.
So I don’t care what they say
’Cause I have seen when we run we make it rain
There’s nothing better than this
And I’ll keep wanting you for just one more kiss
Let’s make it rain
Sie lächelte, dass war alles. Alles für ihn um weiter nach vorne blicken zu können.
Die Salzwüste flimmerte in der Ferne und er war sich erneut nicht sicher ob vielleicht die sengende Hitze sich in Feuer verwandelt hatte. Ihm war schwindelig, und auch Jess taumelte nur noch langsam vor ihm her.
Sie würden hier elendig sterben, dass war zumindest Becker klar, doch solange er Jess in Sicherheit wiegen konnte, würde er es tunt. Sie sollte nicht in Angst sterben. Es war viel heller in der Salzwüste als noch auf den Riff. Das Weiß reflektierte das Sonnenlicht, dafür dass der Boden nicht so erhitzt war wie die kochenden Spitzen zuvor, entschädigte er sich mit einer solchen Helligkeit, dass seine Augen brannten und er sie schloss.
Blind lief er einfach weiter geradeaus.
Jess fühlte, wie sich Beckers Hand um ihre schloss. Zusammen gingen sie weiter.
//Er ist nunmal kein Herr der Worte//, frohlockte sie.
Auch ihre Augen tränten vor Helligkeit und Salz. Sie bemerkte keineswegs die Tränen des Glücks, die ihr die Wangen herunter liefen.
An Beckers Seite wäre jeder Tod akzeptabel. Das wurde ihr deutlich als sie einknickte und auf den Boden aufschlug. Becker beugte sich zu ihr herab, zog sie wieder hoch, doch ihre geschundenen Füße konnten sie einfach nicht mehr tragen.
//So, das war es jetzt. Jetzt sterbe ich. Eigentlich schade, Becker wird ganz allein bleiben in dieser Wüste. Ich hoffe er schafft es.//
„JESS! NEIN! Scheiße! Du stirbst mir nicht noch mal weg! Bleib wach! Jess!”
Becker schrie sie an, doch alles war viel zu leise. Sie konnte nichts mehr hören. Wie taub lag sie da. Ihre Augen waren halb geschlossen, doch sie konnte ihn noch sehen. Beckers Gesicht war erzürnt. Er zerquetschte ihre Hand geradezu.
„Wehe dir, Jess. Wenn du jetzt stirbst wo es nur noch Meter sind.”
Sie spürte wie sie das Gefühl in den Fingern verlor, dann wurde sie wieder hochgehoben. Becker schüttelte sie. Seine Stimme klang so rau und sie meinte gerade noch so etwas wie eine Träne auf seinem Gesicht zu sehen. Ob aus Trauer oder vor Salz, sie vermochte es nicht mehr zu sagen.
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Make It Rain (Primeval FF)
AléatoirePrimeval - Jess fällt durch eine Satellitenanomalie und Becker unternimmt einen Verzweifelten und ungeplanten Rettungsversuch. Dabei umgeht er eine Menge seiner selbst aufgestellten und angebeteten regeln und Grenzen für das Leben der Team Koordinat...