𝑨𝒎𝒐𝒌𝒍𝒂𝒖𝒇

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Korrigiert von Quatschi14
(Dieser OS wurde überarbeitet)

PoV Fabian

Mein Blick ist nach vorne gerichtet. An die eigentlich grüne Tafel, die jetzt aber von weißer Kreide überschrieben ist. Unsere Mathelehrerin macht ganz in Ruhe ihren Unterricht, während wir alle unsere Gedanken ganz woanders haben. Es liegt nicht daran, dass wir Freitag 5-6 Stunde haben, sondern daran, dass wir uns alle einfach nicht wohl fühlen. Jeder denkt an die letzte Woche.
Unsere Lehrerin merkt das. ,,Leute, ich kann verstehen, dass ihr nicht ganz bei der Sache seid, aber es ist nun eben passiert und wir können nichts daran ändern. Ihr dürft nur nicht daran denken."
Pascal, der gerade neben mir sitzt, um mich zu beruhigen, springt voller Wut auf. ,,Wie sollen wir nicht daran denken? Es war vor einer Woche. Und die scheiß Blutstropfen sind an der Wand. Außerdem sind hier zwei Plätze frei. Die werden nicht mehr wiederkommen."
Leise fange ich an zu weinen. Meine Gedanken sind ganz woanders. ,,Fabian, hör bitte auf daran zu denken." ,,WAS FÜR 'NICHT DARAN DENKEN'?" Pascals Stimme ist von Wut überzogen. ,,Er kann von Glück sprechen, überhaupt noch am Leben zu sein. Wissen Sie warum? Weil Jenni sich für ihn geopfert hat. Sie ist tot. Und um dem ganze die Krone aufzusetzen, ist er nicht mehr mit Tobias zusammen. Und wissen Sie warum? WEIL ER AUCH TOT IST." ,,Pascal. Bitte, hör auf", wimmere ich. Er setzt sich wieder hin und streicht mir beruhigend über den Rücken.
,,Moment ihr wart zusammen?", werde ich von Jan, der ein guter Kumpel von mir ist, gefragt. Langsam nicke ich mit dem Kopf.
Leicht lächelt er. ,,Das tut mir Leid für dich. Also, dass er tot ist meine ich. Er war schon ein guter Freund." Tim, Jans Sitznachbar und bester Freund, stimmt ihm mit einem Nicken zu. ,,Also ich bin halt schon neugierig, was da letzte Woche passiert ist und ich würde es schon sehr gerne wissen. Vielleicht hilft es dir ja von dem Tag zu berichten."
,,Leute, ich will euch nochmal daran erinnern, dass wir gerade Mathe haben.", beschwert sich unsere Lehrerin. ,,Was bringt Mathe, wenn keiner sich darauf konzentriert? Und vielleicht geht es Fabian besser damit.", ruft einer aus der hinteren Reihe.
,,Okay, gut. Wenn es ihm hilft. Außer natürlich du willst nicht."
Pascal sieht mich fragend an. ,,Schaffst du das?" ,,Ja. Ich glaube es hilft mir. Aber ich glaube nicht, dass das alle interessiert."
Von der ganzen Klasse hört man ein 'Hau raus' oder 'besser als Mathe'.
,,Leute dann seid aber auch ruhig."
Ich hole tief Luft.

,,Also, es begann ja damit, dass Tobias und ich hier drin waren, da wir diesmal etwas länger gebraucht haben. Jenni stand alleine draußen. Als sie uns gesehen hatte, ging sie ebenfalls in die Klasse rein. Sie war mit eine der wenigen, die von unserer Beziehung wusste. Auf jeden Fall war Frau Greger wieder bei uns, da sie irgendetwas sagen wollte. Ich glaube, es ging um das Kunstgeld, welches wir noch bezahlen müssen. Da aber alle anderen weg waren, wollte sie das später machen.
Kurz darauf ertönte ein lauter Knall. Wir sahen nur, wie das Blut gegen die Wand spritzte."
,,Bitte keine weiteren Informationen", sagt ein Mädchen von weiter vorne.
,,Auf jeden Fall kippte sie dann um. Wir drei waren geschockt, aber auch irgendwie verwirrt, bis dann Lars in die Klasse kam."
,,Welcher Lars?" Pascal sieht mich fragend an. ,,Der wurde von Jenni immer 'der hässliche Blonde mit der Uhr' genannt, da sie ihn nicht leiden konnte. Er geht in die zehnte Gymnasium. Der Freund von Maximilian." ,,Die waren zusammen?" ,,Ja. Schon mega lange." ,,Wie haben es die beiden bitte miteinander ausgehalten? Ich meine Hallo? Einer ist schlimmer als der andere", mischt sich ein weiteres Mädchen ein. Ich lache auf. ,,Ich weiß auch nicht, wie sie es geschafft haben. Ich weiß nur, dass sie glücklich waren. Sehr glücklich. Die beiden waren unzertrennlich." ,,Ich hab ja nichts gegen Schwule. Ganz im Gegenteil. Aber das ist schon widerlich", sagt Rebecca, die eine gute Freundin von Jenni ist. Auch sie wusste von unserer Beziehung. Jedoch etwas später. Alle fangen an zu lachen, werden aber schnell wieder ruhig.
,,Aber Moment, Frau Greger ist jetzt tot? Voll schade. Die war doch voll nett."
,,Bitte was war die?" Schockiert sehe ich ein langhaariges, blondes Mädchen an. ,,Sie wäre der Grund gewesen, wenn ich wieder sitzen geblieben wäre. Es war schön ihre Leiche vor mir zu sehen, weil ich sie eh nicht leiden konnte. Sie hat es doch verdient. Ich habe noch nie so einen Hass auf einer Lehrerin verspürt."
,,Wieso hätte sie Schuld gehabt?"
,,Sie meinte, da ich ja schon einmal sitzen geblieben bin und zum Halbjahr wieder gefährdet war, dass ich meine Chance hatte, die nicht ausgenutzt hätte und es nicht verdient habe, in die höhere Klasse zu kommen." ,,Als ob die das gesagt hat. Woher weißt du das? Denn ich glaube nicht, dass sie dir das ins Gesicht gesagt hat." ,,Hat sie auch nicht. Jenni's Mutter ist doch Elternsprecherin und sie war bei der Zeugniskonverenz. Das hat sie Jenni dann erzählt und sie eben mir." ,,Schon bitter, was die Alte abgezogen hat."
Jan dreht sich zu mir und guckt mich an. ,,Kurze Frage: Warum wusste Jenni etwas von eurer Beziehung, aber mir erzählst du nichts?" Verlegen kratze ich mir am Hinterkopf. ,,Nun ja. Wir haben es ihr auch nicht erzählt." Fragend werde ich von allen angesehen. ,,Also Tobias und ich standen hier im Klassenraum und die Tür war auf. Alle waren draußen. Ich musste ja die Tafel putzen. Tobias schlich sich von hinten an mich ran und gab mir einen Kuss in den Nacken, bevor ich mich umdrehte und ihn ganz küsste."
Von jedem aus der Klasse hört man ein 'Awww'. Ich kann von Glück reden, dass jeder aus der Klasse gut damit umgehen kann. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen.
,,Auf jeden Fall haben wir Jenni nicht bemerkt. Wie gesagt, die Tür war offen und wir haben ihre Schritte nicht gehört. Erst als sie scharf die Luft einzog, bemerkten wir sie. Wir hatten erst Angst vor ihrer Reaktion, da wir nicht wussten, wie sie auf so etwas reagieren würde. Erst blieb sie ruhig, bis sie uns fragte, ob wir zusammen seien. Diesmal holte Tobias Luft und bestätigte dies."
,,Und wie hat sie darauf reagiert?" ,,Sie quiekte auf und meinte, dass wir voll süß wären. Wir waren erst total verwirrt, da wir nie mit so einer Reaktion gerechnet hatten. Erst als sie vom Lehrerpult das Klassenbuch nahm, lächelten wir sie erleichtert an. Sie versprach, nach unserer Bitte, das nicht weiter zu sagen, dass sie das auch nicht machen wird."
Pascal neben mir fängt an zu lachen. ,,Wieso macht ihr auch nicht die Tür zu?" ,,Woher sollten wir wissen, dass sie das Klassenbuch vergessen hat? Außerdem war es ein Kuss. Wir hatten nicht immer so ne Chance gehabt." ,,Ja, aber jetzt stell dir vor, sie hätte das nicht so gut aufgenommen." ,,Ja, okay. Das wäre schon blöd gewesen. Aber das war nicht so. Zum Glück."
Daniel, ein Außenseiter der Klasse, fragt mich: ,,Um kurz das Thema zu wechseln, warum ist er dann Amok gelaufen? Ich meine, ihm schien es ja gut zu gehen. Außerdem klingt es nicht so, als wenn ihr Feinde gewesen wärt." ,,Dazu später mehr."
Ich hole wieder Luft und erzähle weiter. ,,Also, Frau Greger fiel um und Lars kam in die Klasse. In seiner Hand war eine Schusswaffe. Wütend sah er uns an. Aber nur Tobias und mich. Jenni beachtete er nicht. Er richtete die Pistole auf mich und schoss. Die Kugel traf mein Bein. Ich schrie vor Schmerz auf und fiel, jedoch konnte Tobias mich noch halten. Er drehte sich zu Lars und schrie ihn an, was das soll und was falsch mit ihm ist. Darauf richtete er die Waffe auf Timon's Kopf."
,,Er hat ihn erschossen?", werde ich fassungslos von Jan gefragt. ,,Nein. So weit kam es nicht. Er hätte es wohl getan, jedoch hat er einen Fehler gemacht. Wie gesagt, er hat sich nur auf uns konzentriert. Jenni ist in dieser Zeit zu ihm gegangen. Sie wollte ihm anscheinend die Waffe wegnehmen."
,,Ist die dumm!? Das ist das Riskanteste, was sie hätte machen können." ,,Es war vielleicht dumm von ihr gewesen, aber dadurch konnte ich überleben."
Von allen werde fragend angesehen.
,,Das erkläre ich später genauer. Auf jeden Fall sprang sie ihn von hinten an und versuchte alles, damit er die Waffe fallen ließ. Sie schlug, trat und kratzte. Das alles funktionierte nicht. Sie sah uns an. 'Lauft! Solange ihr noch könnt', schrie sie uns an. Tobias und ich sahen uns an. Wir wollten sie nicht einfach zurück lassen. Vor allem nicht mit so einem Wahnsinnigen. Sie wusste was wir denken. 'Lauft jetzt. Sonst sterben wir alle!', schrie sie ein weiteres Mal. Tobias hob mich hoch und rannte mit mir aus der Klasse. Als wir dann bei der Treppe waren, hörten wir ein Schuss. Und ihren letzten Schrei."
Die Tränen steigen wieder in meine Augen. Jeder in der Klasse schweigt. ,,Sie opferte also ihr Leben für euch?", fragt ein etwas kleineres Mädchen mit schulterlangen Haaren. Leicht nicke ich.
,,Ohne sie wird es langweilig", gibt Rebecca von sich.
,,Ich vermisse ihre Lache", sagt Celina, eine weitere Freundin von ihr. Ja, das stimmt. Ihre Lache war echt so ansteckend gewesen. Viele weitere stimmen Celina zu.
,,Das Schlimme ist, hätten wir irgendwie geholfen, hätte sie es eventuell geschafft. Ich meine, er hatte mit ihr zu kämpfen. Da hätten wir ihr helfen können. Aber wir taten es nicht. Wir liefen einfach weg." ,,Was hättest du denn machen sollen? Du warst doch verletzt." ,,Aber Tobias. Hätte er das getan, hätten wir von beiden das Leben retten können." ,,Wie ist er eigentlich gestorben?" Tim sieht mich fragend an.
,,Also wir liefen die Treppen runter. Der Unterricht musste wohl begonnen haben, da die Gänge leer waren. Er rannte in irgendeinen leeren Klassenraum. Dort legte er mich auf einen der Tische. In dieser Klasse waren diese Tücher, die man von der Rolle reißen kann. Davon riss er ein sehr langes Stück ab und band das um meine Wunde. Das Blut floss nur raus und wir mussten die irgendwie verbinden. Er rief die Polizei und einen Krankenwagen. Mein Bein schmerzte und kleine Tränen rollten deswegen über meine Wangen. Nachdem Tobias mit dem Telefonat fertig war, strich er mir diese aus meinem Gesicht und fuhr mir beruhigend über die Haare. 'Alles wird gut, mein Kleiner. Ich bringe dich hier raus.' sagte er zu mir."
,,'Mein Kleiner'? Voll süß", schwärmte ein etwas dickeres Mädchen mit langen, braunen Haaren. ,,Hat er dich immer so genannt?" Ich lächele leicht. ,,Ja. Immer. Er hat mich nie anders genannt, weil ich 'mein Kleiner' am liebsten mochte. Keine Ahnung warum." ,,Nicht einmal etwas anders?" Ich überlege. ,,Doch. Einmal tatsächlich. Da hatte ich Geburtstag. Als wir am Abend schlafen wollten, lag ich in seinen Armen. Er gab mir, wie jeden Abend, einen Kuss auf dem Kopf und flüsterte: 'Ich liebe dich, mein kleiner Engel."
Wieder von jedem dieses 'Awww'. ,,Tja. Und gerade ist er mein Engel. Im wahrsten Sinne des Wortes."
Zwei kleine Tränen verlassen meine Augen. Jeder sieht mich mitleidig an. Irgendwann steht Jonas, ein sehr guter Freund von Tobias, auf und nimmt mich einfach in den Arm und drückt mich an sich. Ich erwidere diese Umarmung. Ungewollt fange ich an zu weinen. Ich glaube, ich habe einfach eine Umarmung gebraucht. Jonas streicht über meinen Rücken. ,,Lass es raus." Ich weine alles raus. Ich werde nie wieder in seinen Armen liegen. Ich werde nie wieder seine Lippen spüren. Und vor allem, ich werde ihn nie wieder sehen.

𝑶𝒏𝒆 𝑺𝒉𝒐𝒕𝒔 (𝒀𝒂𝒐𝒊)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt