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Mitten in der Nacht wache ich von einem Klopfen auf. Ich will schon zur Tür gehen, als ich bemerke, dass das Geräusch von hinten kommt. Ich gehe also zum Fenster und öffne es. Dort steht Thor und grinst zu mir hoch.
,,Was soll das denn werden?", rufe ich leise zu ihm runter.
,,Hast du Lust auszureiten? Ich will dir etwas zeigen."
Ich bin überrascht, aber da es schon fast hell wird und ich jetzt sowieso nicht mehr schlafen könnte sage ich zu.
Ich ziehe mir nur schnell eine bequeme Hose und einen Pulli an, bevor ich aus dem Fenster kletter.
Am Waldrand stehen zwei Pferde bereit, fertig gesattelt und gezäumt stehen sie angebunden an einem Baum und grasen.
Thor schwingt sich auf den schwarzen Hengst, während ich auf die hübsche Palominostute steige. Ich bin früher oft und gerne geritten und habe auch Reitstunden genommen. Mal sehen, ob ich es noch kann.
Wir reiten los durch den Wald und reden nicht wirklich miteinander. Mir fällt nur auf, dass Thor die ganze Zeit über ein fettes Grinsen im Gesicht kleben hat. Er scheint sich auf etwas zu freuen, aber irgendwie bin ich auch verunsichert, da ich nicht weiß, was er mit mir vorhat.
Nach einer Weile fangen die ersten Vögel an zu singen und man sieht schon einen hellen Streifen am Horizont. Thor treibt sein Pferd an, bis es galoppiert und ich muss schnell beschleunigen, dass ich ihn nicht verliere.
,,Beeil dich, sonst verpassen wir es noch!", ruft er über seine Schulter zu mir. Dann verschwindet er zwischen zwei dicht stehenden Bäumen. Als ich hinter ihm durch diese hindurchreite bleibt mein Mund offen stehen. Das ist das Schönste, was ich je gesehen habe. Wir stehen auf einer Lichtung voll mit wunderschönen Blumen. Weiter vorn fällt der Boden steil ab und darunter fließt ein breiter Fluss dahin. Aber das schönste ist die riesige rotgoldene Kugel, die langsam den Horizont hinaufwandert und alles in ein wunderschönes goldenes Licht taucht.
Ich schaue fassungslos zu Thor, der mich nur breit angrinst.
,,Dieser Ort ist so gut wie unberührt. Fast niemand kennt ihn und das wird auch noch lange so bleiben. Es ist mein Lieblingsort. Hier komme ich oft her, wenn ich einfach nur nachdenken muss. Gefällt es dir?",fragt er mich.
,,Ob es mir...? Spinnst du?! Es ist wundervoll. Es ist unglaublich. Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben so etwas schönes gesehen."
Ich gehe auf ihn zu und umarme ihn.
Mein Gesicht wende ich der Sonne zu und meinen Kopf lege ich auf seine starke Brust, während er seinen Arm um meine Schulter legt. So stehen wir schweigend da und beobachten den wunderschönsten Sonnenaufgang aller neun Welten.
,,Danke.", flüstere ich ihm zu, als die Sonne über dem Horizont hängt und schaue ihm in die Augen. Sie sind wunderschön. Sein Blick wird sanft und er kommt ein kleines Stück, fast nicht bemerkbar, näher und stutzt dann. Er lächelt kurz und geht dann zurück zu den Pferden.
,,Lass uns gehen, bevor die anderen merken, dass wir nicht da sind.", er zwinkert mir zu und reitet langsam durch die Bäume wieder in den Wald. Ich steige schnell wieder auf mein Pferd und werfe einen letzten Blick auf die Lichtung. Dann reite ich ihm hinterher und nehme mir vor, unbedingt wieder zurückzukehren.

Als wir wieder am Schloss ankommen und unsere Pferde in die Ställe bringen, sind schon alle auf den Beinen. Die meisten schauen uns nur fragend an, dich niemand fragt direkt, wo wir waren. Also gehen wir gemeinsam wieder rein und in den Speisesaal, wo Odin schon auf uns zu warten scheint.
Als er uns erblickt, kommt er sofort auf uns zu.
,,Wo seid ihr gewesen?", fragt er uns und sieht uns, aber vor allem mich wie mir scheint, vorwurfsvoll an.
Bevor ich nur ansetzen kann, etwas zu erklären kommt Thor mir schon zuvor.
,,Wir waren nur ausreiten, Vater. Ich wollte ihr ein wenig mehr von Asgard zeigen, als dieses Schloss."
,,Im Dunkeln?", hakt der Allvater nach.
,,Die Sonne ist gerade aufgegangen."
So wirklich zufrieden gibt sich Odin mit dieser Erklärung nicht, aber er nickt und wendet sich ab.
,,Bevor ich es vergesse. Melina, du solltest heute wieder trainieren. Lady Sif hat mir vorgeschlagen, dir die Kampfkunst ein wenig näher zu bringen."
,,Natürlich, Allvater. Ich werde sofort nach ihr suchen." Ich wende mich schon zum Gehen und Thor will mir hinterher, als Odin ihn aufhält.
,,Thor, mein Sohn. Bleib noch einen Moment. Ich möchte gerne noch mit dir reden."
Thor schaut fragend zu mir, doch ich nicke nur und verlasse den Speisesaal. Ich habe gar nicht daran gedacht etwas zu essen, aber ich bin auch ein wenig nervös geworden bei dem Gedanken daran, gleich gegen Sif kämpfen zu müssen, auch wenn es nur Training ist. Doch als ich die Kampfhalle betrete, fällt mir relativ schnell auf, dass es nicht Sif ist, gegen die ich heute kämpfen soll.

In my mind~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt