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Ich bin wie erstarrt und schaue den Titanen vor mir ungläubig an. Es dauert eine Weile, die Worte zu verarbeiten und als ich verstand, was sie bedeuten, reiße ich meine Augen auf und mache hastig ein paar Schritte rückwärts, wodurch ich stolpere und beinahe hingefallen wäre, hätte Loki nicht seine Arme um mich geschlungen.
Schnell befreie ich mich und funkel ihn wütend an. Er hebt nur beschwichtigend die Arme.
Ich bin also die Tochter des Titanen, der die Welt auslöschen will, die mich aufgenommen hat. Und Loki scheint ihm dabei zu helfen.
,,Diese Reaktion habe ich in der Tat nicht erwartet.", erklingt hinter mir wieder die Stimme des Titanen.
,,Ach was. Soll ich etwa hier herumhüpfen, wie ein dummes Häschen und mich freuen, dass ein Feuermensch mein Vater ist, den ich nach 16 Jahren das erste Mal sehe und der sich nie einen Scheißdreck um mich geschert hat, weil er mich anscheinend nie wollte und jetzt entführen lässt, da er mich braucht für...für was eigentlich?!", ich werde zum Ende hin immer lauter.
Loki betrachtet mich die ganze Zeit über amüsiert und scheint seinen Spaß an der Situation zu finden.
,,Glotz du mich bloß nicht so blöd an! Du bist doch Schuld an allem! Ich dachte wirklich, ich kann dir vertrauen, aber du hast es nicht einmal verdient, dass man dich hasst!", schreie ich jetzt ihn an und er zuckt fast unmerklich zurück.
,,Du bist ganz schön temperamentvoll, meine Kleine."
,,Nenn mich nicht Kleine.", zische ich ihn an und drehe mich wieder dem Wesen hinter mir zu.
,,Da du ja angeblich mein Vater bist, hättest du vielleicht Lust dich mir mal vorzustellen? Und für was trage ich eigentlich dieses alberne Kleid!?"
,,Mein Name ist Surtur, Herrscher über Muspelheim und König der Feuertitanen. Ich war eigentlich der Meinung, dass dieses Kleid überflüssig ist, aber der Gott bestand darauf.", berichtet er sachlich und immer noch sauer drehe ich mich um zu Loki, nur um eine Augenbraue nach oben zu ziehen. Er zuckt nur mit den Schultern. ,,Besser als das dreckige davor.", meint er und schnaubend drehe ich mich weg.
,,Aber da du ja schon so gut gekleidet bist würde ich dich gern zum Essen bei mir einladen und dann erkläre ich dir alles.", fährt Surtur fort und auch meine zweite Augenbraue wandert nach oben.

So sitzen wir wenig später zu dritt um einen ziemlich großen Tisch herum, der alles mögliche an Speisen zu bieten hat. Es sieht gut aus, aber wirklichen Appettit kann ich nicht vorweisen.
Also schaue ich auf meinen leeren Teller, während Loki von allem etwas probiert und Surtur daneben sitzt und mich anschaut. Ich bin mir dessen voll bewusst, aber ignoriere ihn komplett. Ich will einfach nur zurück nach Asgard und zu Thor, dem kann ich wenigstens vertrauen.
Plötzlich räuspert sich mein ,,Vater" und beginnt zu reden.
,,Deine Mutter war ein Mensch. Der wunderbarste Mensch, den ich je kannte. Sie war wunderschön und wenn sie lächelte erstrahlten für mich alle neun Welten in hellstem Glanz.
Als sie mir sagte, wir bekämen ein Kind, war ich erst überglücklich, jedoch erkannte ich zu früh, dass das nicht sein darf. Es zerriss mir das Herz als ich ihr erklärte, dass du in tödlicher Gefahr schwebst, wenn herauskommt, dass du halb Mensch halb Titan bist. Deine Mutter wollte davon nichts hören und ist mit dir abgehauen. Ich konnte sie nicht finden. Ich habe alles versucht und eines Tages, als ich die Suche längst aufegegeben habe bekam ich die Nachricht, dass sie tot ist. Sie wurde umgebracht. Von Eisriesen. Von DEM Eisriesen, Laufey. Ich wollte seine Welt vernichten und alles was er liebte, aber ich zwang mich zur Ruhe und machte es mir zur Aufgabe dich zu suchen. Ich fand dich auch. In Midgard, damals warst du vier Jahre alt. Offenbar hat deine Mutter dich weggegeben, als sie herausfand, dass man hinter ihr her war. Du warst so klein und süß, deiner Mutter so ähnlich und ich hätte dich am liebsten mitgenommen, aber ich konnte nicht. Jeden Tag sah ich nach dir und sah dich aufwachsen, wie du in die Schule kamst und es zerriss mir das Herz zu sehen, dass du keinen Anschluss finden konntest und trotz allem stark geblieben bist. Bis zu jenem Tag, als Loki kam und dich mitnahm, an dem Tag, als deine Familie starb. Dann verlor ich dich kurzzeitig aus den Augen. Eines Tages kam Loki her und berichtete mir von einem Midgardmädchen, das die Fähigkeit besitzt, das Licht zu kontrollieren. Ich gab ihm den Auftrag dich zu mir zu bringen und er hat es geschafft.", Surtur erzählt das alles mit solcher Traurigkeit und Sehnsucht, dass meine Wut ein wenig verfliegt. Jedoch bleibt diese eine Frage immer noch in meinem Kopf.
,,Warum hast du dich mir nie gezeigt oder ein Hinweis geschickt, dass du da bist? Oder was ich bin?", frage ich ihn.
,,Hätte ich es getan, wärst du jetzt tot."

Eine Nacht blieb ich auf Muspelheim, dann wollte ich wieder zurück nach Asgard. Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt eine Halbtitanin zu sein, aber ich muss mich wohl oder übel damit abfinden.
In den nächsten Wochen bin ich zwar die meiste Zeit auf Asgard, besuche meinen Vater jedoch hin und wieder. Ich habe ihm schon ein paar meiner Fähigkeiten gezeigt und er hilft mir ein wenig dabei, sie besser zu kontrollieren. Loki und ich haben uns entschlossen erst einmal niemandem etwas davon zu erzählen und auch wenn es mir schwer fällt etwas vor Thor zu verheimlichen, zwinge ich mich dazu nicht die kleinste Anmerkung fallen zu lassen.
Er vermutet zwar schon, dass ich aus einer der neun Welten stamme, aber kommt nicht wirklich weit, was die Bestimmung angeht. Auch wenn er Asgard und Jotunheim schon sicher ausgeschlossen hat sind es immer noch sieben, die zur Auswahl stehen, wobei Hel auch eher unwahrscheinlich ist, wie er meint.
Auf meine Ausflüge nach Muspelheim begleitet mich Loki manchmal und schaut mir zu, wie ich an meinen Kräften arbeite. Er hat mir ein paar Wege gezeigt ungesehen und ohne Hilfe des Bifröst dorthin zu gelangen und bis jetzt hat noch nicht einmal Heimdall herausgefunden, wo ich mich herumtreibe.
Mit der Zeit verbringe ich immer mehr Zeit mit Loki, da er mir dabei mehr helfen kann, und vernachlässige Thor von Tag zu Tag mehr, ohne es wirklich zu merken. Eines Abends, als ich gerade schlafen gehen will, höre ich ihn hinter mir rufen:,,Melina! Warte mal kurz, bitte!"
Ich drehe mich um und lächel ihn an.
,,Was gibt's?", frage ich ihn und lehne mich an die Wand.
,,Was ist los mit dir in letzter Zeit? Ich bekomme dich immer weniger zu Gesicht und wenn, dann nur zum Essen oder kurz auf den Gängen. Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst, oder?", er fährt sich mit der Hand übers Haar.
,,Ich weiß, Thor und ich bin dankbar, dass ich dir so vertrauen kann. Aber es ist nichts, wirklich. Es tut mir leid, wenn ich dich vernachlässigt habe und ich versuche es zu bessern. Das war wirklich nicht meine Absicht."
Er nickt und lächelt mich an.
,,Schon okay. Aber wenn was ist, komm bitte zu mir, ich werde dir immer helfen, egal bei was. Versprochen?"
,,Versprochen.", ich erwidere sein Lachen und er schließt mich in die Arme. Eine Weile bleiben wir so stehen, dann löse ich mich von ihm und hauche ihm ein leises ,,Gute Nacht" zu, bevor ich den Gang runter und um die Ecke in mein Zimmer gehe. Ich merke nicht, dass Thor mir nachdenklich, jedoch auch erleichtert nachschaut.

In my mind~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt