Kapitel 15: "Pass auf dich auf..."

10.5K 534 6
                                    

Kapitel 15

Isabel

Ich riss die Augen auf und stellte fest, dass wir verschlafen hatten. Oh Gott, nicht schon wieder! Schnell rüttelte ich David etwas unsanft und sprang aus dem Bett. Ich putzte meine Zähne, band meine Haare zu einem Zopf und zog mir eine Jeans und einen schwarzen dünnen Pullover. „David. Wir müssen los!“, schrie ich in der Küche, wo ich mir meine Tasche schnappte. Grinsend versuchte er seine Haare in Ordnung zu bringen, während er sich seine Sneakers anzog. „Bin ja schon da.“, lachte er, drückte mir kurz einen Kuss auf die Lippen, bevor wir die Treppen runter rasten und uns keuchend in seinem schwarzen BMW nieder ließen. Während der Fahrt hielt er wie immer meine Hand und zog sie einmal zu seinen Lippen, was mir ein Kichern entlockte, aber trotzdem ging mir ein Gedanke nicht mehr aus dem Kopf. In einem Monat, also Januar, würde ich zurück nach Spanien fliegen. Die sechs Monate waren fast vorüber. Ich würde zurück in mein altes Leben fliegen und das ohne David. Wie zum Henker sollten wir das schaffen? Wie sollten wir mit so einer großen Entfernung zwischen uns eine Beziehung führen? Ich wusste, dass es viele schlaflose Nächte bedeuten würde, weil ich David liebte. Ja, ich liebte ihn über alles und das hatte ich in den letzten vier Monaten gelernt. Ich hatte mich daran gewöhnt mit ihm in einem Bett zu schlafen, mit ihm in die Schule zu fahren, den ganzen Tag mit ihm zu verbringen und manchmal oder öfter auch mit seinen Freunden. David hatte mir gezeigt, dass körperliche Nähe wunderschön sein konnte und ließ mich vergessen, was mir eine solche Nähe das letzte Mal beschert hatte.

Wir liefen durch die Gänge, klopften an die Tür und machten uns schon einmal darauf gefasst, uns eine lange und gut ausgefeilte Predigt anzuhören. Er lächelte mich an und da ertönte auch schon das ‚Herein‘. Wir betraten den Biologiesaal und bekamen zur Aufwärmung schon mal einen mörderischen Blick von Ms. Shawn. „Würden die Herrschaften mir vielleicht einmal erklären, wieso Sie der Meinung sind, Ihre Zeit nicht in meinem Unterricht vergeuden zu brauchen?“, fragte sie und am liebsten wäre ich in einem Mauseloch verkrochen. „Tut uns Leid, wir haben verschlafen.“, nuschelte ich und ließ mich in meinen Stuhl fallen, aber leider hatte er den Versink-modus nicht drauf. „Das will ich auch hoffen.“, warnte sie uns und wandte sich wieder an die Tafel. Gott, ich hasste nichts mehr, wie wenn man in einer Klasse von allen angegafft wurde. Ständig hatte man das Gefühl, dass man gleich etwas falsch + würde oder irgendetwas Peinliches passieren würde. David grinste mich frech an und von der Seite hörte ich Jay. „Was habt ihr denn getrieben, dass ihr ‚verschlafen‘ habt?“, lachte er leise auf dem Platz neben uns. David schlug ihm auf den Hinterkopf und schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Jaja, schon gut. Kein Grund, gleich mit Gewalt daher zu kommen, okay?“, verteidigte Jay sich und hob abwehrend die Hände. Wie widmeten uns wieder dem Unterricht, weil ich wirklich keine Lust hatte auch noch irgendwie eine Strafarbeit zu kassieren, bis endlich der erlösende Gong ertönte.

Sport. Mein Lieblingsfach! Nein, Scherz, ich hasste es, zusammen mit den Jungs zu haben. Zu Hause in Spanien hatten Mädchen und Jungen zwar auch zusammen, aber es war eine ganze andere Sache, wenn man als einzige die weibliche Seite vertrat. Ich zog mich gerade um, als ich eine Tür ins Schloss fallen hörte. Ich stand nur in meiner hellen Jeans, Socken und BH da, also betete ich inständig, dass niemand herein gekommen war. Ich lugte um die Ecke, der Spinde, die für die Sachen der Football Spieler da waren, die sich hier fürs Training umzogen, aber ich konnte niemanden entdecken, also streifte ich mir nun auch die Hose von den Beinen, aber trotzdem wurde ich das unwohle Gefühl nicht los, obwohl niemand zu sehen oder zu hören war. Schneller als sonst zog ich mir meine Sportsachen über, band meine Haare zusammen und machte mich auf den Weg zur Sporthalle. Wie jedes Mal setzten wir uns in die Mitte der Halle auf den Boden, wo erst einmal die Anwesenheit überprüft wurde und eingetragen wurde, wer wegen was nicht mit machen konnte. Danach hieß es für uns Basketball. Na toll! Habt ihr schon einmal versucht gegen einen Haufen Jungs anzukommen, die alle mindestens über 1,80 waren? Nein? Dann sei froh. Ich hatte nicht einmal die Chance, überhaupt an den Korb zu kommen, denn ich war einfach zu klein. Ich stöhnte frustriert auf, als ein weiteres Mal einer der Jungen mir den Ball aus der Hand dribbelte. Ich spürte einen Hauch an meinem Ohr und kurz darauf wusste ich auch weswegen. „Lass dich nicht unterkriegen, Kleine.“, flüsterte mir David im Vorbeigehen -oder besser gesagt, joggen- ins Ohr. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen und augenblicklich hob sich meine Laune wieder ein bisschen. Mit neuer Energie lief ich durch das Spielfeld und schaffte es sogar zwei Mal, den Jungs den Ball ab zu nehmen, aber weil ich ja wusste, dass ich den Korb nicht treffen würde, warf ich Jay zu, der einen Treffer versenkte. Er klatschte mit mir ab, wie er es mit einem Jungen getan hätte und ich musste sagen, dass ich mich immer mehr so fühlte, als würde ich zu dieser mit Testosteron voll gepumpten Horde gehören.
Wir machten uns auf den Weg zurück zu den Umkleiden, sobald wir noch ein paar Runden laufen mussten als mich auf einmal Adrian beiseite zog. Huch, was wollte der denn? Da freute man sich schon, dass man endlich in Ruhe gelassen wurde und dann doch bloß wieder Fehlanzeige. Wie fair das Leben immer war, findet ihr nicht auch?
Ich sah fragend zu ihm hoch und dann zu der Hand, mit der er mich oberhalb meines Ellbogens gepackt hatte. „Äh… ist was?“, fragte ich, als Adrian immer noch nichts gesagt hatte. Irgendwie war es gruselig, wenn er mich so komisch anstarrte, so eindringlich. „Pass auf dich auf.“, flüsterte er und verschwand mit einem merkwürdigen Blick wieder um die Ecke. Was zum Henker war das denn jetzt bitte schön? Eine Weile stand ich einfach nur wie angewurzelt da und überlegte über seine Worte nach, aber ich kam einfach nicht darauf, was sie bedeuten sollten. Kopfschüttelnd schulterte ich meine Tasche, trat auf den Parkplatz und die düsteren Gedanken waren wie weggeblasen, als ich David am Auto lehnen sah, während er auf sein Handy starrte und die Füße bei den Knöcheln überkreuzte. Lächelnd lief ich die letzten paar Meter auf ihn zu und wollte ihn umarmen, aber er zeigte keine Reaktion. Er starrte einfach nur weiter auf sein Handy und schön langsam machte ich mir Sorgen. Was war nur heute los mit den Leuten? Erst diese Aktion mit Adrian und jetzt auch noch David. Hatte ich irgendetwas falsch gemacht?
„David, was ist los?“, fragte ich vorsichtig, weil ich mich immer weiter hinein steigerte, dass ich etwas gemacht oder gesagt hatte, dass ich nicht hätte machen oder sagen sollen. Zuerst schien es so, als würde er mich ignorieren, aber dann sah er mit zusammen gezogenen Augenbrauen zu mir. Fast wäre ich von diesem Anblick zurück geschreckt, denn noch nie in meinem Leben hatte ich ihn so gesehen. Mit diesem leeren Ausdruck in den Augen, die mich mehr und mehr desinteressiert ansahen. „David?“, fragte ich skeptisch und runzelte die Stirn aufgrund seines komischen Verhaltens. Das erste Mal seit langem wurde mir unwohl in seiner Gegenwart und die Spannung zwischen uns war zum greifen nahe. „Komm. Ich will nach Hause.“, sagte er und es war keine Spur von der liebevollen Art, in der er immer mit mir sprach. Mein Herz wurde ganz schwer und am liebsten hätte ich mich in die letzte Ecke verkrochen. Wieso war es so weit weg von mir? So distanziert? Es kam mir so vor, als würde ich überhaupt nicht mehr an ihn ran kommen; als würde er sich vor mir vollkommen verschließen, aber aus welchem Grund denn? Ich könnte mich nicht erinnern etwas gemacht zu haben und bis vorhin in Sport war doch noch alles in Ordnung, oder?

Mein Hirn wurde zugekleistert von Fragen, auf die ich ums Verrecken keine Antwort fand. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und wollte schon fragen, was ich denn getan hätte, aber diese neue Aura, die David ausstrahlte machte mir irgendwie Angst. Vor einer viertel Stunde war er doch noch der total süße und liebevolle leicht überfürsorgliche Freund, denn ich so sehr liebte, aber jetzt sah es so aus, als wäre nur noch sein Körper bei mir. Wo seine Gedanken waren wusste ich nicht.
Die ganze Fahrt über traute ich mich nicht ihn darauf an zu sprechen und irgendwie hätte ich mich für meine Feige Art schlagen können. Sonst war ich doch auch nicht so! Als wir zu Hause waren, gingen wir schweigsam die Treppe hinauf und einmal versuchte ich seine Hand zu nehmen, aber er zog sie einfach weg. Innerlich zersprang gerade mein Herz und als wir oben angekommen waren, ging er in sein Zimmer, knallte die Tür hinter sich zu und ließ mich verwirrt und unendlich traurig zurück.
Ich zog die Augenbrauen zusammen, presste die Lippen aufeinander und blinzelte mehrmals, weil ich jetzt nicht weinen wollte. Vielleicht brauchte er ja nur ein bisschen Abstand von mir, weil ich zu anhänglich war oder so. Eine andere Erklärung würde mir jedenfalls nicht einfallen.

Ich wusste nicht, wie lange ich so da stand, den Tränen nahe, aber die ganze Zeit über konnte ich mich nicht bewegen, aus Angst doch noch nach zu geben. Ich starrte in die Leere und als ich einigermaßen soweit war, mich wieder zu rühren, zog ich mir eine schwarze Jeans an, kuschelte mich in einen Schal, weil es eben schon Dezember war und zog mir einen Mantel über. Danach schnappte ich mir noch eine Tasche, in die ich nur das nötigste Zeug warf und dann machte ich mich auch schon auf den Weg zum ‚Hot Spot‘. Scheiß egal, ob ich schon zwei Stunden zu früh dran war, aber ich konnte ja einfach Connor beim Einsortieren von den neugelieferten Sachen helfen, die jeden dritten Nachmittag an kamen.
Mit den Händen in den Taschen und eingezogenem Kopf ging ich durch die verschiedenen Viertel, dessen Dächer schon mit Reif überzogen waren. Der erste Advent rückte näher und es war das erste Weihnachten, das ich nicht mit meiner Familie feiern könnte. Mir war es die letzte Zeit immer ein Trost gewesen, zu wissen, dass ich Heilig Abend mit David verbringen konnte, aber jetzt wusste ich nicht mehr was ich davon halten sollte. Was ist, wenn er sich weiterhin so verhalten würde? Könnte ich das überhaupt aushalten mit seiner kühlen Art und vor allem, was musste ich tun, um meinen alten David zurück zu bekommen? Völlig in meine Gedanken versunken betrat ich die Bar -einer meiner Lieblingsorte-, ging um die Theke herum und tippte Connor auf den Arm, der mit Kopfhörern gerade neue Flaschen einräumte. Erschrocken drehte er sich um, aber sofort entspannten sich seine Gesichtszüge wieder. „Gott, hast du mir einen Schrecken eingejagt.“, keuchte er fast und griff sich an die Brust um seine Aussage zu unterstreichen. Ich lächelte ihn nur schwach an, zog meinen Mantel an und hing in der Garderobe auf. „Wieso bist du schon hier? Du hast erst um 19:00 Uhr Schicht, das weißt du schon, oder?“, fragte mein Chef mich skeptisch und musterte mich aus seinen blauen Augen. „Ja, schon, aber ich dachte mir, dass du vielleicht ein bisschen Hilfe gebrauchen könntest.“, lächelte ich noch immer und sah auf meine Füße, weil ich ja bekanntlich Leuten nicht in die Augen sehen konnte, wenn ich log. Er fuhr sich seine schon leicht verschwitzten dunkelbraunen Haare zurück und musterte mich noch immer. Gott, hoffentlich merkte er nichts, denn er hatte David schon einmal gedroht, weil ich wegen ihm verletzt war und ich wollte nun wirklich nicht, dass er diesmal vielleicht sogar ein blaues Auge oder eine gebrochene Nase davon trug.
„Ist auch wirklich alles in Ordnung mit dir?“, fragte er mich und zog eine Augenbraue hoch. Oh nein, hoffentlich checkte er es nicht! Um in zu überzeugen setzte ich ein möglichst echt aussehendes Lächeln auf und schlenderte auf die Kisten zu, die sich an der Theke gestapelt hatten, damit er nichts mehr sagen konnte. „Jaja, alles bestens. War nur heute in der Schule ein bisschen stressig.“, winkte ich ab und begann, die Flaschen nach Sorte, Größe und so weiter ein zu sortieren.

~*~*~*~*~*

Heilou erst mal :)
also zu allererst sorry, dass ich schon so lange nicht mehr geupdatet habe, aber in der Schule und so war es wirklich wirklich stressig ! Ich hoffe ihr seid mir nicht böse und ich wollte DANKE sagen, für die 1.100 Reads *-* Ihr seid wirklich der Oberhammer :*
Eure Sabrina :)

Ass meets another Girl  ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt