Kapitel 29: "Was machst du denn hier?..."

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Kapitel 29: "Was machst du denn hier?..."

Eineinhalb Jahre später…

Isabel

Nach einem Jahr, in dem wir uns nicht gesehen hatten, fiel ich Jake überglücklich in die Arme. Er hatte sich kaum verändert, außer dass er sich endlich mal anständig rasierte. Vielleicht hatte seine Freundin ihn dazu gezwungen. Ich ließ meine Koffer einfach links liegen und lief ihm durch die Halle in die Arme. Es war mir egal, dass mich die meisten anstarrten, die auf ihren Flug warteten, aber sollen sie doch. Ich hatte meinen süßen Physiotherapeuten wirklich vermisst.
Seit einem Jahr und drei Monaten wohnte ich wieder in Spanien und seit ungefähr einem halben Jahr konnte ich wieder laufen. Wie Dr. Montgomery gesagt hatte, hinkte das linke Bein etwas hinterher, aber hei, was soll’s! Ich konnte mich glücklich schätzen, nicht mehr in diesem nervigen Rollstuhl sitzen zu müssen, aber das Beste war, ich musste nicht mehr das Gefühl haben, Dad und meinen Brüdern zur Last zu fallen.
Auch wenn Luis immer behauptet hatte, dass es für ihn praktisch wäre, wenn er mich trug, weil er dann nicht mehr trainieren brauchte, aber trotzdem wollte ich nicht immer abhängig sein. „Wow, du siehst toll aus! Vor allem hast du endlich wieder eine gesunde Farbe bekommen.“, lächelte Jake und hielt mich auf Armeslänge von sich. Auch Lilian, Jakes Freundin, zog mich in eine herzliche Umarmung, die ich nur allzu gerne erwiderte. Ich kannte sie zwar noch nicht allzu gut, aber momentan hatte ich einfach das Bedürfnis die ganze Welt umarmen zu müssen. Es war einfach so ein unglaubliches Gefühl wieder hier in South Dakota zu sein.
Klar, San Fernando war meine Heimat, aber irgendwie war mir das hier schon abgegangen. „Danke, du aber auch nicht.“, wendete ich mich lachend an Jake und strich mit dem Finger kurz über seinen glatten Kiefer. „Da hast du ganze Arbeit geleistet, Lil.“ Sie grinste mich stolz an und schlang den Arm um seine Hüfte.
Innerlich tat es mir weh, denn ich hatte niemanden mehr, an dem ich mich festhalten konnte. Diesen Halt hatte ich vor einem Jahr und drei Monaten an Madisons Lippen verloren.

„Isabel? Alles in Ordnung?“, riss mich Jakes beruhigende Stimme aus meinen Gedanken, die mich schon so oft aufgemuntert hatte, wenn mein Geduldsfaden kurz vorm reißen war. Schnell nickte ich und zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht. Ich wollte nicht jetzt an diesen Idioten denken und meine gute Laune verderben. „Also. Gehen wir zum ‚Hot Spot‘? Ich würde zu gerne Connor mal wieder sehen.“, grinste ich und zog die beiden aus der Halle aus hellem Marmor. „Ich würde ja gerne mit, aber ich muss auf meine kleine Cousine aufpassen. Ist es okay, wenn ihr ohne mich fahrt?“, fragte mich Lil, woraufhin ich nickte. Klar wollte ich sie schon ein wenig näher kennenlernen, aber das mit der Familie kannte ich ja zu gut. Wieder wurde ich von ihr in eine innige Umarmung gezogen, bevor sie sich mit dem Handy ein weiteres Taxi rief, denn in das Andere stiegen gerade Jake und ich ein. „Also bis dann und viel Spaß mit Connor. Ich habe gehört, dass er wieder Single ist.“, zwinkerte sie mir zu, als ich einstieg. „Oh Gott, wirklich? Der Arme.“, murmelte ich. Wieso hatte er mir nicht gesagt, dass er und seine Verlobte sich getrennt hatten? Eigentlich hatten wir uns versprochen immer auf den Laufenden zu halten. „Bis dann.“, verabschiedete ich mich von ihr und Jake drückte ihr einen Kuss auf die Wange, was mit dem kleinen Fenster etwas kompliziert wurde. Der Taxifahrer fuhr los und ließ eine kichernde Lilian zurück.
Die ganze Fahrt über erzählte ich Jake von der letzten Zeit, sprich, alles über meine Brüder, über die neue Freundin meines Dads, die eigentlich wirklich nett war, nachdem wir uns ausgesprochen hatten und sie mir klarmachte, dass sie Mom nicht ersetzen wollte.
Jake hörte mir geduldig zu, nickte oder lachte ab und zu und erzählte selbst von der chaotischen On/Off Beziehung mit Lil. Ja, sie stritten sich des Öfteren, versöhnten sich aber ein oder zwei Tage darauf gleich wieder. „Das macht dann 12$ bitte.“, unterbrach uns der Taxifahrer, der sich zu uns umgedreht hatte. Ich drückte ihm das Geld mit ein wenig Trinkgeld in die Hand, bedankte mich und stieg zusammen mit Jake vor Connors Bar aus. Es hatte sich von außen her nicht wirklich viel geändert, wenn man es genau betrachtete. Ich trat ein, auch wenn es hieß, dass geschlossen war, aber ich konnte sowieso sehen, dass Connor gerade hinter der Theke hin und her wuselte. Er sah völlig überfordert aus, so wie er sich hektisch umdrehte und mich erschrocken ansah. „Isabel? Was machst du denn hier?“, fragte er mich. „Wow, also das nenne ich pure Begeisterung.“, grummelte ich und umarmte ihn fest. Er sah wirklich völlig fertig aus, also nahm ihn das plötzliche Aus mit seiner Verlobten wirklich ziemlich mit. „Lil hat es mir erzählt. Es tut mir so leid, Connor.“, flüsterte ich und hielt ihn noch immer fest an mich gedrückt. „Ist schon in Ordnung. Schön langsam geht’s wieder.“, flüsterte er zurück und ich konnte an der Intensität der Umarmung spüren, dass er jetzt einfach jemanden brauchte. „Warte mal, du stehst!“, sagte er nun etwas lauter und ich konnte sein Grinsen spüren. „Ja. Dank diesem Wunder von Mann.“, lachte ich und deutete mit dem Daumen auf Jake. Dieser grinste bloß stolz und steckte die Hände in die Hosentaschen. „High Heels gehen zwar nicht mehr, aber diese Teile hab ich sowieso schon immer gehasst.“, fügte ich hinzu und löste mich von Connor.
Auf einmal sah er sich um und blieb an der Wanduhr über der Tür hängen, die noch nie so richtig in das Konzept der Bar gepasst hatte. „Du, ich würde jetzt echt gerne weiter reden, aber es ist bald Sieben Uhr und ich muss noch ein paar Dinge erledigen. Du weißt ja, wann wir, oder besser gesagt ich aufmache.“, sagte er und fuhr sich gestresst durch die dunkelbraunen Haare.
„Wie wär’s, wenn ich hierbleibe und dir helfe? Ich bin ja wieder Einsatzfähig.“, grinste ich ihn an, was er nach kurzer Überlegung erwiderte. „Wieso bist du überhaupt hier und wie lange bleibst du?“, bombardierte er mich mit Fragen. „Ich wollte euch und Micky unbedingt mal wieder besuchen und weil ja momentan Sommerferien sind und ich demnächst aufs College gehe, wollte ich die Gelegenheit nutzen.“, lachte ich, weil Connor auf einmal total überdreht wirkte. War dieser Kerl schwanger oder so? Da hatte ja nicht mal Juan solche Stimmungsschwankungen und die waren bei ihm in der Pubertät echt schlimm. „Micky?“ „Weißt du noch den Kerl, der mal hier aufgetaucht ist? Er war der beste Freund meiner Mom.“, erklärte ich ihm. „Ach so, der.“, lachte er und wendete sich wieder an Jake. „War schön dich mal kennenzulernen, mehr oder weniger, aber wir machen bald auf. Von mir kannst du hier bleiben, aber wir werden alle Hände voll zu tun hab-“ „Schon okay, ich muss sowieso nach Hause zu Lil sonst dreht sie mit ihrer kleinen Monster-Cousine durch.“, unterbrach ihn Jake und verabschiedete sich mit einem Winken.
Connor zog mich in den Altbekannten Personalraum, in welchem wir uns immer umgezogen hatten und warf mir das weiße T-Shirt zu, das mir gehört hatte. Mich wunderte es, dass er es immer noch hatte. „Sag mal, hast du schon damit gerechnet hier einzuspringen, oder wieso hast du zufälligerweise eine schwarze Jeans an?“, fragte er lachend und ließ mich schmunzeln. „Ich habe sie wirklich nur zufälligerweise an. Schwarze Jeans geht einfach immer.“, zwinkerte ich ihm zu und deutete mit dem Finger an, dass er sich umdrehen sollte. Schnell tauschte ich das dunkelblaue Top gegen das T-Shirt ein und band meine nun Schulterblattlangen Haare zu einem Zopf zusammen. „Fertig?“, fragte mich Connor, der sich auch schon umgezogen hatte und noch immer mit dem Rücken zu mir stand. Braver Junge. „Fertig.“ „Gut, dann los. In den Sommerferien ist immer besonders viel los.“, seufzte er und fuhr sich wie so oft an diesem Abend schon durch die Haare. Ich ging hinter den Tresen und sortierte wie gewohnt die Gläser in die hohen Regale ein, wofür man sich echt strecken musste, wenn man nicht so groß wie der Chef höchstpersönlich war. Connor fing an die ersten Leute zu bedienen und schrieb Bestellungen von Drinks auf. War ja klar, dass wieder die Hälfte der Mädchen ‚Sex on the Beach‘ nahm! Einer nach den Anderen verließ die Theke und langsam kam ich wieder richtig rein. Ich hatte es ehrlich gesagt richtig vermisst, hier zu arbeiten.

Gerade sagte mir ein ziemlich schlampig aussehendes Mädchen, dass sie einen ‚Wodka Tonic‘ wollte, als sich mein Blick zur Tür hob. Drei Jungen kamen rein und am liebsten wäre ich kreischend auf sie zugelaufen und gleichzeitig davon gerannt. Jay, Lee und David betraten total filmreif die Bar und als ich David musterte, musste ich unwillkürlich schlucken. Seine hellbraunen verwuschelten Haare waren zwar immer noch so chaotisch sexy, aber etwas kürzer. Seine blau-grauen Augen schweiften durch die Bar, sahen mich aber anscheinend nicht. Gott sei Dank. Nicht einmal seine in Stein gemeißelten Züge hatten sich verändert, bloß das man am Kinn Bartstoppel aufblitzen sah, aber sie ließen ihn männlich und… heiß wirken.
Schnell senkte ich wieder den Blick und trocknete weiter das Glas ab. Okay, einfach nach unten schauen, vielleicht bemerkt er mich ja tatsächlich nicht. Einfach nach unten schauen.
Meine Hoffnung wurde zerstört, als Lee wie ein kleines Mädchen auf mich zu hüpfte und mich in seine Arme zog. Er roch immer noch nach… nach… er roch einfach nach Lee. „Was machst du denn hier?“, fragte er überrascht, nachdem er mich losgelassen hatte. Lächelnd sah ich ihn an und sagte ihm das Gleiche wie Connor zuvor. „Dave, Jay! Seht mal, wer wieder da ist.“, schrie Lee durch die gesamte Bar und drehte sich in eine Richtung. Automatisch beschleunigte sich mein Herzschlag. Wie würde er auf mich reagieren, nachdem ich nach seinem Kuss mit Madison einfach meine Koffer gepackt hatte und ohne ein weiteres Wort zurück nach Spanien geflogen war?

Ass meets another Girl  ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt