Kapitel 22: „So, ich werde jetzt an dir herumstochern…“
Isabel
Heute war Montag und da meine Familie wieder zurück nach Spanien musste, hatte mich Lee hierher gefahren. Die ganze Fahrt über versuchte er mich aufzuheitern, aber jetzt, wo ich zu diesem Termin musste, kam es mir erst so richtig real vor. Mein Leben war verdammt noch mal versaut und ich konnte nur hoffen, dass diese Therapie mir helfen würde.
Ich hatte mit Connor darüber geredet, ob ich bei ihm einziehen konnte, aber in den letzten vier Monaten Koma hatte ich etwas Wichtiges verpasst. Er hatte eine Frau kennen gelernt und so wie ich es mitbekommen hatte, hatte er sogar Heiratspläne, also wollte ich nicht dazwischen funken, denn kein Paar will sich die Wohnung mit einem Sonderfall teilen müssen. Gott, wie armselig das doch klingt!
Lee ging um das Auto herum, klappte den Rollstuhl auseinander, schob ihn zu mir und hob mich mit Leichtigkeit hinein.
Mühsam klammerte ich meine Hände an die Räder um nicht wegzurollen und betrachtete das Haus, vor dem wir standen. Vor mir war ein zweistöckiges Backsteinhaus und am Anfang würde man gar nicht denken, dass es sich hier befinden würde.
Die noch kalte März Luft kroch durch schwarze Leggins und eigentlich zog ich mich generell seit den Operationen dicker an, denn mir war ständig kalt. Im Krankenhaus hatten sie mich gemessen und gewogen und ganz ehrlich, es war schockierend. Meine Größe blieb gleich, also 1.73, aber bei meinem Gewicht… da hatte sich viel getan. Vor Monaten hatte ich noch 66 Kilo und das war für meine Größe eigentlich ungefähr passend, aber jetzt hatte ich abgenommen auf 53. Die Ärzte sagten, dass ich noch mehr abnehmen würde, weil sich die Muskeln abbauen würden, bis ich mit der Therapie lange genug angefangen hatte. Hört sich gruselig an, nicht wahr?Langsam rollte ich auf das Haus zu und durch die blendende Sonne konnte ich den Mann, der in der Tür stand, nicht richtig erkennen. „Soll ich dir helfen?“, fragte mich der Mann und die Stimme war hörte sich nicht so an, als ob sie zu einem älteren Erwachsenen passen würde. Ich blinzelte ein paar Mal und rollte in den Schatten, bis ich einen blonden Mann im Türrahmen lehnen sah. Vom weiten sah ich die kleinen Stoppel eines Drei-Tage-Barts und die blausten blauen Augen strahlten mir entgegen. War das Jake? Ich hatte ihn mir viel älter vorgestellt. Er sah vielleicht wie gerade mal 23 aus. „Geht schon.“, murmelte ich, aber erkannte schnell, dass ich die Stahlplatte allein nicht hochkommen würde. Anscheinend war dieses Gebäude für solche Fälle wie mich ausgelegt. Jake (war er es wirklich oder vielleicht sein Sohn?) kam die paar Stufen runter und zog mich rückwärts hinein. „Danke.“, flüsterte ich und konnte nicht verhindern, rot zu werden.
Seit ich an dieses Scheißteil gebunden war, fühlte ich mich ständig so hilflos. Es war einfach nur grauenvoll, wenn dich jeder fragt, ob du Hilfe brauchst, oder ob alles in Ordnung ist, oder ob du noch irgendwas brauchst. Das habe ich an meiner Krankenhauszeit so gehasst, denn ich hasste es hilflos zu sein. Schwach zu sein. „So, dann fangen wir mal an.“, sagte er begeistert und schob mich in einen großen Raum -also war er wirklich Jake-, an dem zwei Wände komplett aus Glas waren und der Boden mit hellem Parkett ausgelegt war. Es lagen Yoga-Matten herum, Gummibänder oder sonstige Geräte. In der linken Ecke waren zwei parallele Stangen in den Boden eingebaut worden und ich konnte mir schon denken, zu was die gut waren.
Ich war überrascht, als er mich durch die -mehr oder weniger- Halle schob und eine Flügeltür aufmachte. Es sah aus wie eine Art Behandlungsraum. Eine schwarze Lederliege war an die Wand gestellt und alles was in so einem Zimmer eben untergebracht wurde.
Ich spürte eine Hand unter meinen Rücken und bemerkte, dass Jake mich aus meinem Rollstuhl hob und auf die Liege setzte. „Zieh dir mal deine Sachen aus.“, sagte er und suchte etwas in einer Schublade. Erst sah ich ihn skeptisch an, aber das sah er nicht, weil er immer noch herumwühlte. Ich zog mir schließlich meinen dicken Pulli über den Kopf und die Leggins von den Beinen, so wie Mandy es mir im Krankenhaus gezeigt hatte, damit ich mich leichter tat. Jake drehte sich mit einem Block und Kugelschreiber zu mir. Augenblicklich fühlte ich mich in meiner marineblauen Unterwäsche unwohl, aber Jake tat mir den Gefallen und sah mir ins Gesicht. Ihn schien es nicht einmal zu stören, wie mein Oberschenkel und mein Bauch von den Operationen aussah. Er drückte mich an den Schultern sanft auf die Liege und mich durchlief ein Schauer, als seine Wärme auf meine kalte Haut traf. Sofort musste ich an David denken…Jake zog einen Hocker zu sich heran und setzte sich neben mich. „So, ich werde jetzt an dir herumstochern und du musst mir ganz genau sagen, wie ob und wie viel du spürst, okay?“, sagte er ernst und ich musste mir das Prusten zurückhalten, als er mit ‚herumstochern‘ anfing. Schmunzelnd nickte ich und spürte seine Hände, die auf beide Seiten meiner Taille waren. Er drückte ein paar Mal verschieden fest und ich beschrieb ihm, wie es sich für mich anfühlte. Wie gut es das tat, ließ ich aus.
Seine angenehm rauen Hände wanderten immer tiefer und wie im Krankenhaus bereits erwähnt spürte ich von der Oberschenkelmitte abwärts immer weniger. An unterschiedlichen Stellen drückte er ein kaltes Metallding auf meine Haut und sagte, dass es ein gutes Zeichen wäre, dass ich noch Temperaturunterschiede bemerkte. Die ganze Zeit kritzelte er zwischendurch auf dem Bloch herum und machte sich Notizen, bis er mir sagte, ich könne mich wieder anziehen. Schnell schlüpfte ich in meinen warmen, kuscheligen Kapuzenpulli, um die Gänsehaut loszuwerden und zerrte so gut wie möglich die Leggins über meine Beine. Ich wurde von Jake wieder in meinen Rollstuhl gesetzt und wunderte mich selbst, wie wohl ich mich in seinen Armen fühlte. Irgendwas an ihm faszinierte mich an ihm und ob es seine intensiven blauen Augen waren oder etwas anderes, konnte ich nicht sagen. Dann schob er mich in die Halle mit den Geräten.
„Ich würde mal sagen, wir fangen mit der Balance an. Das werden wir die erste Zeit hauptsächlich üben, aber weil du beim Becken noch relativ viel spürst, wird es vermutlich nicht allzu lange dauern, bis wir den nächsten Schritt machen können.“, erklärte er und zupfte am Knopf vom Kragen seiner schwarzen Hemdes herum. Ich nickte und vorsichtig setzte Jake mich auf einer der Matten ab. Er zog eine Yoga-Matte zu sich und setzte sich mir gegenüber. Er machte mir verschiedene Übungen vor, die ich nach machen sollte und anfangs war es echt verdammt schwer, das Gleichgewicht auf meinem Hintern zu halten. Jetzt verstand ich, was er meinte, denn im Rollstuhl hatte ich im Rücken sowohl auch bei den Armen eine Lehne, sodass ich mich gar nicht irgendwie halten musste, aber ohne jegliche Hilfe zu sitzen war schwer.Es frustrierte mich ganz schön, wenn ich immer wieder zu Seite fiel und Jake mir beim Aufsetzen helfen musste. „Lass den Kopf nicht hängen. Es ist erst der erste Tag und du machst eh schon super Fortschritte.“, munterte er mich auf und versuchte das Ganze nochmal, bloß das er mich diesmal an der Hüfte leicht festhielt. Irgendetwas hatte Jake an sich, dass meine Konzentration störte. Es war das erste Mal, dass ich David für eine längere Zeit vergessen konnte und einfach nur… den Moment zu leben ohne an die Zeit mit ihm denken zu müssen.
„Arg!“, schrie ich, raufte mir die Haare und fing an meine Beine zu schlagen, als sie schon wieder nicht das tun wollten, was ich wollte. Sanft hielt Jake meine Hände fest und seine Augen fesselten mich. „Hab doch mal ein bisschen Geduld. Das kommt schon noch irgendwann, vielleicht sogar schneller als du denkst.“, lachte er und ließ meine Hände immer noch nicht los. Seine Augen leuchteten förmlich sie waren wirklich wunderschön. Außen schienen sie eher dunkler zu sein und zur Iris hin gingen sie in ein helles Blassblau über mit kleinen grünen Sprenkel.
Ich bemerkte erst, dass er auch mein Gesicht zu studieren schien, als er sich räusperte und den Blick abwand. „Das wirst du jetzt wahrscheinlich blöd finden, aber als Hausaufgabe machst du schön Krafttraining, denn irgendwann in einem Monat oder so müssen wir anfangen, die Muskeln deiner Beine aufzubauen, und da musst du dich auf deinen Händen tragen.“, erklärte er lächelnd und deutete auf die beiden Stangen. Ich stöhnte genervt auf und warf ihm einen Ernsthaft?-Blick zu. Er nickte bloß grinsend und hob mich vom Boden aus, während ich wie ein kleines Kind meine Arme nach ihm ausstreckte. Hatte ich schon mal erwähnt, wie warm er war?
Er setzte mich auf dem Leder ab und ich verabschiedete mich von ihm. „Also dann bis morgen.“, sagte er und ich lächelte ihm bloß zu. Es fühlte sich wirklich toll an, denn bei Jake konnte ich vergessen. Einfach nur alles vergessen und hinter mir lassen. Ich rollte mit voller Karacho die Metallplatte hinunter und meine Hände brannten, als ich die Räder nach ein paar Metern wieder abbremsen konnte. Wie verabredet wartete Lee schon auf mich und lehnte lässig an seinem Auto. „Und? Wie war’s?“, erkundigte er sich und versuchte mich ins Auto zu setzten, ohne mir den Kopf einzuschlagen. „Ganz okay. Jake ist echt nett und vor allem hat er mehr Geduld als ich.“, lachte ich und wartete, bis Lee meinen Rollstuhl wieder im Kofferraum verstaut hatte.
Die Fahrt über wollte Lee wirklich viel wissen, was ich dort so machen musste und ich hatte das Gefühl, es faszinierte ihn, aber was genau daran konnte ich nicht sagen, denn er stellte wirklich zu allem eine Frage. Schmunzeln beantwortete ich seine Fragen und ich konnte wirklich von Glück sagen, ihn zu haben. Lee und Jay stellten sich als wahre Freunde heraus und auch in Zukunft standen sie mir immer bei.~*~*~*~
Und? Was haltet ihr von Jake :D
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Ass meets another Girl ✔
RomanceAchtung! Macht euch auf eine Menge Logikfehler, Klischees und Facepalm-Momente gefasst. Bitte von der ersten Geschichte einer damals 14-Jährigen nicht zu viel erwarten xD Wünsche euch viel Spaß ♥️ Für Isabel Àlvarez ist es einerseits ein Albtraum ih...