Kapitel 20: „Du bist stark und ich weiß, dass du das schaffen wirst…“
Isabel
Langsam blinzelte ich und wieder war da Dr. Montgomerys Gesicht. „-nnen Sie mich hören?“, nahm ich verschwommen war und er leuchtete mir in die Augen. Geblendet schloss ich wieder die Augen und mein Körper begann qualvoll zu zucken. „Bitte…“, flüsterte ich mit Tränen in den Augen, denn dieser stechende Schmerz war schlimmer als die Tritte, die ich damals aushalten musste. Sogar schlimmer als Davids Worte. ‚Es war nicht meine Absicht‘, hallte es mir wie ein Echo durch den Kopf und ich musste mich zusammen reißen, um nicht zu schluchzen zu beginnen, denn sonst, wären die Schmerzen noch schlimmer. „Miss Àlvarez? Wie geht es Ihnen?“, fragte er mich und am liebsten hätte ich aufgelacht. Ich bin ja bloß zusammen geklappt und ich spürte vom Bauch abwärts nur noch wenig. „Ich weiß es nicht.“, hauchte ich kraftlos und wollte bloß noch nach Hause. Ich wollte das komplette letzte halbe Jahr vergessen und somit auch David. Gönnte man mir wirklich so wenig Glück? Javier, David, dieser Mann in der Gasse, meine Mom und alles. Alles war zum Kotzen und ich wusste nicht, was ich in meinem früheren Leben vielleicht getan hatte, damit ich so bestraft wurde. Ich wollte doch niemandem etwas Böses. Ganz im Gegenteil, ich bin nach South Dakota geflogen, weil ich meine Familie damit unterstützen wollte. Ich wollte es ihnen leichter machen, damit wir unsere Geldsorgen ein bisschen begraben konnten. Es war zwar nur ein kleiner Beitrag dazu, aber wenigstens Etwas.
Ich spürte, wie mir jemand eine Spritze in den Arm schlug und hätte ich die Kraft dazu gehabt, hätte ich am liebsten geschrien, aber kein Ton verließ meine Lippen. Eine Zeit lang später wurde ich allein gelassen und der sterile Raum, in dem ich mich befand war komplett Lärm isoliert. Man kam sich vor wie in einem Leichenschauhaus. Entschuldigt meine negativen Gedanken, aber irgendwann war auch ich bei einem Punkt angekommen, an dem ich mir nur noch dachte: Ach leckt mich doch alle!
Nur mit Mühe brachte ich meine Augen auf und wieder blendete mich dieses grässliche Licht. Ich wollte mich hochziehen, damit ich einigermaßen aufrecht saß, aber meine Beine zeigten keine Reaktion. Sie fühlten sich so pelzig an, genauso wie wenn man sich die Zunge an viel zu heißem Tee verbrannte. Langsam stieg die Panik in mir hoch und ein kleiner Aufschrei kam über meine Lippen. Ich wollte mit den Zehen wackeln, ich wollte meinen Po anspannen, ich wollte ein Knie an winkeln, ich wollte einen Fuß über den anderen legen, aber nichts passierte. Rein gar nichts. Nicht einmal die Bettdecke spürte ich an meinen Beinen kitzeln.Kurz darauf kam Mandy die Tür reingestürmt und sah mich besorgt an. „Isabel? Hast du Schmerzen?“, fragte sie vorsichtig und sah mir nicht einmal in die Augen. Verschwieg sie mir etwas? „Mandy? Spuck’s aus.“, sagte ich immer noch panisch, aber sie starrte auf ihre Finger. „Tut mir leid, aber ich habe ärztliche Schweigepflicht, also darf ich dir nichts sagen.“, versuchte sie sich raus zu reden, aber das war wohl das Schlechteste Argument überhaupt. „Mandy, du hast Schweigepflicht gegenüber Fremden, aber nicht, wenn es mich betrifft! Jetzt sag schon, verdammt!“, schrie ich sie an, denn es brachte mich um, wenn man mir etwas verschwieg und das Mitleid in ihren Augen machte mir Angst.
„Beruhige dich erst einmal. Du warst drei Stunden im OP und eine halbe Stunde bewusstlos und ich kann verstehen, dass du es wissen willst, aber…“ Sie brach ab und knetete ihre Finger. Drei Stunden OP? Halbe Stunde Bewusstlosigkeit? Wieso hatte ich rein gar nichts davon mitbekommen? Mir hätte doch wenigstens auffallen müssen, dass mittlerweile schon die Sonne untergegangen war, oder? Innerlich klatschte ich mir gegen die Stirn.
Mandy atmete tief durch, bevor sie vor mein Bett trat und sich wie das erste Mal, als wir miteinander geredet hatten, am Bettgerüst fest hielt. „Deine Wunde ist aufgeplatzt, als du anscheinend aufgestanden bist und noch dazu der Schockzustand, den wir bei dir feststellen konnten, machten es nicht besser. Du hast schon so viel Blut verloren, bis sie dich in den OP bringen konnten und dein Herz hatte zu lange ausgesetzt. Dein Gehirn konnte nicht mehr genügend Blut in deine Beine pumpen und weil deine Blutgruppe eben so extrem selten ist, konnten wir es nicht ersetzen… es tut mir so leid.“, sagte sie traurig und sah wieder auf mein Bett. Geschockt sah an meiner Brust vorbei bis zu den Zehen, die über den Rest meines liegenden Körpers hinaus ragten.
Es war so als würden sie mich auslachen. Mein Kopf schien nicht so recht realisieren zu wollen, aber mit einem Mal wurde ich mit den Konsequenzen überfahren. „H-heißt das, dass ich… dass ich nie wieder laufen werde?“, fragte ich und schon wieder flossen die Tränen. „Doch, aber es kann bis zu einem Jahr dauern, bis sich das Gefühl in deinen Beinen wieder herstellt und du mit einer Therapie wieder laufen lernen wirst. Wenn man es positiv betrachtet hast du Glück, denn es gibt viele Fälle, die über sechs Jahre solche Therapien machen müssen und das ohne Erfolge.“, versuchte sie mich aufzuheitern, aber ich hörte nicht mehr zu. Völlige Taubheit breitete sich in mir aus und mir schlug das Herz wie im Film bis zum Hals.
„Ist das dein Ernst? Also kann es auch gut sein, dass sich nichts verändern wird und ich mein verschissenes Leben lang ein Krüppel sein könnte?“, brüllte ich unter Tränen und Mandy zuckte zusammen, bevor sie mich einfach in ihre Arme schloss. Ich drückte sie so fest an mich, wie es ging, denn im Moment war sie mein Anker. Das war nicht real. Das war nicht mein Leben. Jeden Moment würde ich im Flugzeug wach werden und erfahren, dass wir in Kürze wieder in Spanien sein würden. Dass wir wieder zu Hause sein würden, aber nichts. Das grässlich grelle Zimmer, der selbe Geruch nach Zitronen, den ich mit Mandy verband und das gleiche Gefühl nach nichts in meinem Unterleib.
Nach vielleicht zehn Minuten löste sie sich von mir, in denen ich Rotz und Wasser geheult hatte und ging. „Ich werde deiner Familie Bescheid sagen, oder willst du das übernehmen?“, entschuldigte sie sich. Ich zog die Nase hoch und das leere Gefühl in mir machte mir Angst. „Nein, bitte mach du es. Ich kann das nicht.“, schluchzte ich wieder. Ich wollte keine Belastung für meine Familie sein, das hatten sie nicht verdient! Ich zog die Decke über meinen Kopf und vergrub mein Gesicht in den Händen. Ich wollte wieder ins Koma fallen und nie wieder aufwachen. Hätte mich dieser Mistkerl doch einfach zu Tode geprügelt! Mein Inneres schrie nach David. Ich brauchte ihn jetzt mehr denn je, obwohl ich das schon einmal gesagt hatte, aber diesmal meinte ich es ernst. Die letzten Monate waren die Schlimmsten meines Lebens, aber das war ja verständlich, dass ich das sagen würde. Sonst würden diese Monate nicht in dieser Geschichte vorkommen. Meine Lebensgeschichte. Meine Horrorgeschichte. Ich hatte immer von einer kleinen Familie geträumt, der ich von meiner Familie erzählen konnte. Geschichten aus der Kindheit oder peinliche Momente. Ratschläge geben und für sie da sein. Würde ich jetzt noch Kinder kriegen, wenn sich nichts änderte? Wie sollte ich für ein kleines hilfloses Baby sorgen, wenn ich nicht mal mehr auf mich selbst aufpassen konnte?
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Ass meets another Girl ✔
RomanceAchtung! Macht euch auf eine Menge Logikfehler, Klischees und Facepalm-Momente gefasst. Bitte von der ersten Geschichte einer damals 14-Jährigen nicht zu viel erwarten xD Wünsche euch viel Spaß ♥️ Für Isabel Àlvarez ist es einerseits ein Albtraum ih...