Kapitel 17: "Wissen Sie, Sie sind echt ein harter Brocken..."

9.6K 546 26
                                    

Kapitel 17: „Wissen Sie, Sie sind ein echt harter Brocken…“

Isabel

Die Schwärze um mich wurde noch schwärzer, als ich langsam in einen unruhigen Schlaf fiel. Ich sah viele Gesichter in meinem Traum. Mom, Dad, Juan, Rico, Luis, Connor und zu Letzt David. Es war ein Erstklassiger Alptraum, wirklich: Mom sah mich undefinierbar an. Dad sagte, ich sei die größte Enttäuschung seines Lebens. Juan sagte, er wünschte, er hätte keine Schwester. Luis sagte, er könnte niemals der Zwilling von so etwas wie mir sein. Connor sagte, ich sei gefeuert und solle mich nie wieder bei ihm blicken lassen. David sagte, er wollte doch nur eine Wette gewinnen. David sagte, dass er mich erbärmlich fand und niemals mit so etwas wie mir zusammen sein könnte.

In meinem Zimmer fing es an zu Piepen und kurz darauf fing auch schon das Gewusel an. „Was ist mit ihr?“, fragte eine verzweifelte Stimme und ich spürte, wie die Wärme meine Hand verließ. Mir kam die Fratze, die mir das angetan hatte in den Sinn, als würde er vor mir stehen.
„Etwas hat sie sehr aufgewühlt. Ich schätze, dass sie schlecht geträumt hat, also keine Sorge. Es kann gut sein, dass ihr Körper noch unter Schock steht, auch wenn wir noch nicht genau wissen, was passiert ist. Das werden wir erst erfahren, falls sie aufwacht.“, erklärte eine weibliche Stimme fachmännisch. Jemand firmelte an meinem Arm herum, jemand anderes tupfte meine Schweiß bedeckte Stirn ab und im Hintergrund hörte ich Wörter, die ich noch nie in meinem Leben gehört hatte. Irgend ein medizinisches Geschwafel. Ich war diesen Leuten dankbar, denn als nächstes wurden die grauenvollen Bilder vor meinem inneren Auge wegradiert und ich fiel wieder in dieses Schwarze Loch, dass mein Inneres so gut ausdrückte.

Alles kam mir so unerträglich lang vor. Jeder Moment, indem ich trotz geschlossener Augen nicht schlafen konnte. Mein Bauch zog immer noch so unerträglich und mein Kopf brummte wie sonst noch was. Konnten sie mir nicht einfach noch eine von diesen Scherzmittel geben? Liebend gerne hätte ich gefragt, aber genau da lag der Haken. Mein Mund war schon ganz taub und meine Lippen klebten aneinander. Es war so, als hätte man sie mir zusammen genäht. Mein Körper wollte auf die Befehle meines Gehirns einfach nicht hören; er sträubte sich wo es nur ging. Minute für Minute, Stunde für Stunde, Tag für Tag, Woche für Woche -ich denke jedenfalls, dass es eine sehr lange Zeit ist- versuchte ich, meine Gliedmaßen in Bewegung zu setzen, aber nichts. Sie hingen weiterhin schlaff an mir. Fühlten nichts außer den Stoff unter meinen Fingern und die Kälte an meinen nackten Zehen. Jeden Tag kam jemand, der mir mit einem nassen Tuch, Stirn, Rücken, Bauch, Beine, Arme und Hals wusch und es war einfach nur ein schreckliches Gefühl so angewiesen zu sein. Es war demütigend, wenn ich in einen Rollstuhl verfrachtet wurde und man jeden zweiten Tag über einem Waschbecken meine Haare wusch. Es war grauenvoll, wenn sie mir jede Woche die Fingernägel schnitten. Es war zum Kotzen, wenn sie vor mir über ihren Zustand redeten, wie hoffnungslos es doch aussah.
Aber am Schlimmsten war, dass ich Stimmen, die neben mir saßen nicht zuordnen konnte. Ich kam mir den ganzen Tag so benebelt vor, dass ich es einfach nicht sagen konnte, aber ich schätze einmal, dass es Leute waren, die mich sehr gut kannten, denn sie sagten oft, dass sie sich Sorgen machen würden, ermutigten mich und sagten mir, wie lieb sie mich hatten. Es gab mir ein Gefühl von Geborgenheit und ein Stück Sicherheit, diese Dinge zu hören. Jeden Tag spürte ich unterschiedlich Hände und ich hätte mich jedes Mal verzweifelt an sie geklammert, wenn eine Hand verschwand, weil eine weibliche Stimme sagte, dass die Besuchszeit zu Ende wäre. Jedes Mal fiel ich erneut in diesen merkwürdigen Panikzustand, wenn ich alleine war. Ich konnte mir nie vorstellen, wie sich es anfühlen würde, wenn man im Koma lag, aber es war grauenvoll, denn die Gedanken waren so laut wie noch nie. Es kamen Ängste zum Vorschein, von denen du noch gar keine Ahnung hattest und am aller Schlimmsten war die Ungewissheit, was mit mir passieren würde. Es gab Momente, in denen ich das Gefühl hatte, dass ich jeden Augenblick aufwachen würde und dann waren da noch andere Momente, in denen ich glaubte, dass es für immer so bleiben würde. Ich hatte Angst wie noch nie in meinem Leben, an Menschen gebunden zu sein und ihnen eine Last zu sein.
Einmal hatte ich mithören können, dass die Wahrscheinlichkeit nicht gerade hoch war, dass ich ohne Schäden davon kommen würde. Sie konnten Leuten in meinem Zimmer versichern, dass ich nicht behindert wäre, aber es war sehr gering ohne Einschränkungen davon zu kommen.

Ass meets another Girl  ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt