Kapitel 2: "Guten Morgen..."

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Kapitel 2: „Guten Morgen…“

Isabel

Gott, mein Arsch tat verdammt weh und ich war kurz vorm kotzen! Seit neun Stunden flogen wir über den Atlantik und würden erst in drei Stunden in Kentucky ankommen. Dort hatten wir eine halbe Stunde auf festem Boden, bis wir dann in den nächsten Flieger mussten und es weiterging. Meine Freude hielt sich kaum in Grenzen. Das Mädchen neben mir, sie hieß Lola wie ich erfahren hatte, sah mich genervt an.

„Ey man Mädchen, das ist deine Seite und das ist meine also nimm deine Tasche da weg!“, beschwerte sie sich. Die Kleine hatte echt ein Problem, man. Allein schon wie sie sprach war mir genug um sie nicht besser kennenlernen zu wollen. Ich sah sie einfach nur desinteressiert an, schob meine Umhängetasche um ein paar Zentimeter weiter zu mir, lächelte sie spöttisch an und steckte mir wieder meine Kopfhörer in die Ohren. Meine Gedanken wanderten wieder zur Hölle, die mich in Rapid Valley  -so hieß die Stadt wenn ich mich Recht erinnerte- erwartete und sobald ich mir den Kerl vorstellte, bei dem ich wohnen musste, dachte ich sofort an einen stinkenden Freak mit Hakennase und was weiß ich noch alles. Diese Zeit würde wirklich kein Zuckerschlecken werden!

In der Hoffnung, dass wir nicht mehr lange zu fliegen hatten, sah ich auf den Monitor vor uns und sofort wurde meine Miene finster. 2 Stunden und 36 Minuten. Ernsthaft?! Ich war zwar beeindruckt, dass wir alle 2. Klasse flogen, aber das war noch lange keine Entschuldigung für meinen Hintern, der mittlerweile ein Pfannkuchen sein müsste. Ihr denkt euch jetzt bestimmt, wie bescheuert ich bin, dass ich da mitmachte, aber habt ihr schon mal gesehen, wie viel man in Amerika verdiente? Selbst bei einem kleinen Nebenjob verdiente ich dann mehr, als mit meinen beiden zu Hause. Ich tat das alles nur für meine Familie, weil ich wollte, dass Juan und Rico die gleiche Chance hatten wie Luis und ich. Sie sollten auch aufs College gehen und eine gute Arbeit bekommen und außerdem wollte ich Dad einfach nicht enttäuschen. Mein Gewissen würde es nie im Leben zu lassen, mir eine solche Gelegenheit auszulassen, auch wenn ich mir hinterher die Haare ausreißen könnte. Wie sollte ich es bloß so lange ohne sie alle aushalten?! Luis war, so wie er gesagt hatte, wirklich meine zweite Gedankenhälfte, weil wir die gleiche merkwürdige Logik hatten. Er und Rico verstanden mich am Besten. Meine einzige Freundin war Kemina. Sie war zwar um einiges älter als ich und noch dazu mit mir verwandt, aber sie war die coolste Tante, die man sich vorstellen konnte und außerdem war ich ihr so unglaublich dankbar, dass sie mir bei ihr einen Job gegeben hatte. Wenn man es genau betrachtete gehörte der Blumenladen einer alten Frau, die aber schon zu krank war, um den Laden alleine auf den Beinen zu halten, also wurde Kemina so was in der Art wie die Geschäftspartnerin. Sie hatte Mrs. Peréz -so hieß die alte Frau- überredet, mich ein zu stellen.

Ich hing noch Ewigkeiten mit meinen Gedanken bei meinen Lieblingsmenschen, als mich jemand an der Schulter antippte. Es war Luca, der hinter mir saß. „Bella? Wie hast du den Rektor rumgekriegt, dass du mitkommen durftest?“, fragte er mich neugieren und musterte mich aus seinen blauen Augen. Er war eigentlich eher ein Streber, wie ich in den Kursen, die ich mit ihm zusammen hatte, erfuhr, aber ich fand ihn schwer in Ordnung. „Wieso? Was denkst du den?“, fragte ich herausfordernd, da ich genau wusste, auf was er anspielte und zog eine Augenbraue hoch. „Naja, Marco glaubt, dass du… deine weiblichen Vorteile eingesetzt hast?“, sagte er, aber es hörte sich wie eine Frage an. Ich lächelte ihn an und schüttelte langsam den Kopf. „Wie dann?“, fragte er einfach weiter. Ich erzählte in der Schule niemandem, dass ich einen Job nach dem anderen hatte. Bei den meisten war es dann eben so, dass beide Elternteile arbeiteten um genug Geld zusammen zu kriegen, aber bei uns ging das ja nicht. Abwesend strich ich immer wieder über den Blätterring, den mir Dad geschenkt hatte. Es war einfach ein so schönes Gefühl nach all den Jahren noch etwas von meiner Mom zu haben, aber gleichzeitig zog sich jedes Mal mein Herz zusammen. „Ich habe die Wahrheit gesagt.“, sagte ich zögernd. Ich war niemand, der gerne log, da ich dann dem anderen nicht in die Augen sehen konnte. Dafür verfluchte ich mich jedes Mal, aber ich hatte irgendwann einmal angefangen einfach so zu antworten, dass es der Wahrheit entsprach, aber so weit hergeholt war, dass der andere daraus nicht schlau werden konnte. Wie erwartet lehnte sich Luca wieder zurück. Den Rest des Fluges hörte ich nur noch Musik und versuchte die Tatsache zu verdrängen, dass ich bei jemand wild Fremdes wohnen musste, bis mir die Augen zufielen.

Ass meets another Girl  ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt