Teil8

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Tag 3

Jimin lag mit geschlossenen Augen da. Oder waren sie offen?
Noch immer an der selben Stelle fest gekettet wie am ersten Tag seiner Ankunft.
Jeder Knochen und jeder Muskel seines Körpers schmerzten, durch das liegen auf dem harten Boden. Egal wie er sich auch drehte und wendete, ob er saß oder lag, er fand keine Erleichterung.
Niemand hatte sich blicken lassen. Niemand.

Er hatte gerufen, hatte geschrien, bis seine Stimmte versagte. An seinen Ketten gezerrt, bis er keine Kraft mehr hatte, und schließlich das warme Blut an seinen Füßen herunterlief.
Und alles was er bekam war Stille, mehr Schmerzen und am schlimmsten: noch mehr Durst.

Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren.
Alles was seine Gedanken noch beherrschte, war der Durst. Er übermannte alles, jede Handlung, jedes denken.
Wenn er nicht an den Durst dachte, war der Hunger das nächste Ziel seines schmerzenden Kopfes.

Aus Verzweiflung hatte er angefangen den Boden nach etwas essbarem abzusuchen.
Er wäre froh gewesen irgendetwas zu finden. Egal was.
Doch der Steinboden schien fast klinisch rein zu sein.
Das war zumindest so zum Anfang. Da sein Radius durch die Kette recht beeinträchtigt war, hatte es nicht lange gedauert, bevor er im wahrsten Sinne des Wortes, in seiner eigenen Scheiße saß. Er konnte es riechen und er konnte es an sich spüren, es ekelte ihn vor sich selber, doch ändern konnte er nichts daran.

Er konnte an nichts etwas ändern.
Jimin hatte komplett aufgehört nach Jemanden zu schreien, als er in seinem Mund und Rachen Blut schmeckte, und die Pein zu stark wurde. Alles war so ausgetrocknet, dass er nicht mal mehr seine aufgeplatzten Lippen befeuchten konnte.

Er schrie nicht mehr, aber die Stille machte ihn verrückt. Und er wollte nicht verrückt werden. Irgendwann hatte er leise angefangen zu summen. Zuerst irgendwelche Lieder aus seiner BTS Zeit, etwas später waren es nur noch verschiedene Töne. Mal laut, mal leise, je nachdem, wie stark das Geräusch in seinem Kopf war. Das Rauschen überrollte ihn zeitweise völlig und war dann so laut, dass er seine eigenen Gedanken nicht mehr wahrnehmen konnte. Doch denken fiel ihm sowieso immer schwerer, die Kopfschmerzen klangen nicht mehr ab. Es war ein allgegenwärtiger Druck hinter seinen Augen, der keine Erleichterung fand.
Das Rauschen war das Eine, das Andere war, dass er Yoongis Stimme hören konnte. Er hörte ihn lachen und sprechen. Er ignorierte es eine Weile.
„Eristnichtdaeristnichtdaeristnichtda" Dieses Mantra wiederholte er immer wieder leise.
Doch Yoongi ging nicht weg. Jimin konnte ihn seltsamerweise sogar trotz der Finsternis sehen. Aber seine Freund sprach nie mit ihm. Er unterhielt sich mit Namjoon oder Taehyung, die er aber nicht sehen konnte. Ab und an schaute er seinen Verlobten zwar an und lachte wieder, aber er sprach nie direkt mit ihm.

„Hyung, ich bin hier... hörst du mich nicht? Sieht du mich denn nicht? Hier... ich will hier raus... bitte.", sprach er schließlich doch.

Die Worte waren kaum verständlich und doch waren sie das Einzige, was Jimin daran hinderte, das Kämpfen aufzugeben. Selbst wenn ihn sein Verlobter anscheinend nicht sehen konnte. Er konnte ihn sehen und das war alles, war für ihn zählte. Eine Zeitlang zumindest, bis der Durst wieder die Oberhand übernahm. 




Jimin wusste nicht was anders war, als sich sein Bewusstsein langsam aus der Dunkelheit schälte. Er blieb deshalb einfach ruhig liegen. Als er unbewusst seinen Augen öffnete, dachte er ein gellend heißer Pfeil würde durch seine Augen und Gehirn geschossen. Der Schmerz war so überwältigend, das er aufschrie und sich instinktiv zusammenrollte und sich von der Quelle wegdrehte. Er wimmerte leise, als er nach einigen Sekunden seine Lider abermals hob und das grelle Licht, obwohl er seine Hände über die Augen gelegt hatte, ihn mit Schmerzen durchzog. Er blinzelte immer wieder gegen die Tränen an, die er anscheinend immer noch in sich hatte, um sich langsam an die Helligkeit zu gewöhnen.

Es waren Schritte zu hören.
Langsame Schritte.

Ein Schlüssel klirrte und er spürte wie sich jemand an seinen Fußketten zu schaffen machte. Er blinzelte in die Richtung, doch so sehr er auch versuchte, diese Person zu erkennen, seine Augen waren so sehr an die Dunkelheit gewöhnt, und verklebt, dass er nur verschwommen etwas wahr nahm.

Er spürte wie sich das Metall von seiner Haut trennte. Spürte wie sich dadurch Wunden wieder öffneten.
Wie lange und genau hatte er seine Flucht, seinen Gegenangriff geplant, sobald genau diese Situation eintreffen würde. Pläne geschmiedet, wie er den „Feind" überraschen konnte und wohin er in schlagen würde, sobald dieser nah genug war.
JETZT! Jetzt war der Zeitpunkt! Doch er blieb still liegen, in seinem Inneren war da diese Stimme die ihm sagte, das er handeln musste, aber sie schien nicht die richtigen Signale zu senden. Er blieb einfach liegen und betrachtete den Schatten über sich, das war alles, zu was er noch im Stande war.
Die Dunkelheit hatte langsam aber beständig alles aufgesaugt, seine Kraft, seinen Willen, seine Hoffnung. Und letztendlich auch Yoongi.

Jimin hatte sich einfach hingelegt. Und gewartet. Gewartet, das es vorbei gehen würde, das es enden würde.

Langsam gewöhnte er sich an das Licht und ihm wurde klar, das es gar nicht so hell war. Die Lichtquelle war eine nackte Lampe, die außerhalb des Raumes hing und ihr goldenes Licht in den Raum schickte.
Er sah wieder zu dem Schatten, der immer klarer wurde.
Es war der Mann von der Tankstelle.
Er stand vor ihm, mit verschränkten Armen vor der Brust und sah zufrieden auf ihn hinunter.

Jimin musterte ihn kurz, bevor sein Blick sich an etwas anderes heftete.
Genau neben ihm stand ein Glas gefüllt mit Wasser.

Alle Gedanken ans sterben waren wie weggewischt.
Ohne auch nur einen Moment zu zögern oder nachzudenken stürzte er sich darauf, bekam aber im selben Moment, noch bevor er das Glas erfassen konnte, einen heftigen Tritt in den Magen.

Hustend wand er sich auf dem Boden und hielt sich seine schmerzenden Rippen. Er brauchte etwas um sich davon zu erholen.
Der Durst kam mit aller Macht zurück, er war so schrecklich, sein ganzer Körper schrie nach der so sehr benötigten, so ersehnten Flüssigkeit.
Sein vernebelter Verstand, ließ ihn rein instinktiv abermals nach dem Glas greifen.
Doch auch bei diesem Versuch war sein Peiniger schneller und dessen Faust traf ihn schmerzlich an seiner Schläfe.

Nachdem Jimin den beißenden Schmerz verdrängt hatte, blieb er keuchend liegen.
Seine Gedanken kreisten sich einzig und alleine um das Wasser und wie er es bekommen konnte, ohne Schläge zu kassieren.
Er sah zu dem Mann auf, der noch immer vor ihm stand und wartete.
Nichts.
„Bitte...", krächzte Jimin rau hervor.
Für einige Sekunden passierte nichts. Doch dann, es war kaum zu sehen, nickte der Mann.
Jimin war sich unsicher. Sollte er es riskieren? Langsam näherte er sich dem Glas Wasser.
Der Mann ließ ihn gewähren.

Er stürzte das Wasser fast in einem Zug herunter. Es tat so gut. Die Handlung war unüberlegt und er zahlte den Preis dafür postwendend. Es war ein blubbern in seinem Magen, gefolgt von etwas kühlem, was sich nach oben drückte. Bevor er wusste was geschah, erbrach er das kostbare Gut in einem Schwall über sich. Es hob ihn noch einige Male, doch sein Inneres hatte nichts mehr zu geben.
Etwas verwirrt starrte er auf den Behälter, bevor er zu dem Mann blickte.

Der grinste nur, nahm seinem Gefangenen das Glas ab und schlug die schwere Türe hinter sich ins Schloss.

Jimin war wieder in der Finsternis. Er hörte noch wie der Andere sich entfernte, dann herrschte die altbekannte Stille. Die Sekunden später durch das Gebrüll und Gebettel des gebürtigen Koreaners, der wild auf die Barriere einschlug, durchbrochen wurde.

Suddenly 3 ➛ ʏᴏᴏɴᴍɪɴWo Geschichten leben. Entdecke jetzt