Teil16

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Der Kaffeeautomat im Krankenhaus war Yoongi mehr als nur vertraut.
Die kleine Sitzecke die daneben stand war fast schon sein zweites zu Hause geworden, denn wenn er nicht bei Jimin am Bett saß, dann war er dort und gönnte sich eine kleine Auszeit.
Doch weiter entfernte er sich nie von der Intensivstation.


3 Wochen war es nun her, seit Jimin gefunden wurde.
In diesen Wochen lagen Hoffnung und Bangen nah beieinander.

Es hatte letzte Woche einen kleinen Lichtblick gegeben.
Jimin wurde von einer seiner OP's zurück in sein Zimmer geschoben, als die Ärzte bemerkten, dass er sich gegen die Intubation wehrte.

Für einen kleinen Moment hatten die Parks und die Mins wieder Hoffnung gehabt, dass Jimin auf dem Weg der Besserung wäre.
Doch diese Hoffnung wurde ihnen von den Ärzten schnell wieder genommen.

Jimins selbstständiges atmen reichte keinesfalls aus um zu überleben.
Es war einfach nicht genug Sauerstoff.

Yoongi hörte das Rauschen in seinen Ohren, aber verdrängte es sofort wieder.
Jimin würde es schaffen, er war ein Kämpfer.
Er brauchte einfach noch etwas Zeit.

Der Rapper schnappte sich seinen Kaffee, der glücklicherweise genießbar war, und lief zurück zu Jimins Zimmer.

Er sah dessen Eltern an seinem Bett stehen, zusammen mit dem behandelnden Arzt und alles was er hörte war: „... könnte daran sterben."

Er blieb wie versteinert stehen. Aus Schock ließ er seinen Kaffee fallen.
Das Aufklatschen des Plastikbechers ließ die drei Personen am Krankenbett aufschrecken und herumfahren.

„Yoongi...", sagte Mrs Park erschrocken und ging auf ihn zu.

Er sah sie  mit großen Augen an.

„Mein Gott Junge, setz dich. Du bist ja total blass.", sagte Mr Park und zog ihn zu der kleinen Schlafcouch, welche gleich neben Jimins Bett stand.

„Was ist hier los?", fragte Yoongi und sah dabei fragend den Doktor an.

„Mr. Min. Ich erkläre es Ihnen gerne, wenn Mr. und Mrs. Park einverstanden sind.", sagte der Arzt und sah die Angesprochenen an.

Beide nickten.

„Natürlich," meinte Jimins Mutter und stellte sich zu ihrem Schwiegersohn, um ihm ihre Hand auf seine Schulter zu legen.

„Wie Sie wissen wird Jimin in einem künstlichen Koma gehalten. Er wird durch einen Tubus in der Luftröhre beatmet, da sein eigener Atem viel zu schwach ist.
Das Problem ist folgendes: bei einer Vielzahl von Patienten kommt es zu infektiösen Komplikationen durch die Dauer der Beatmung. In diesem Fall kann die Beatmung selber ernsthafte Probleme verursachen. Es kann zu bleibenden Schäden der Lunge oder sogar zum Tod führen. Daher ist es wünschenswert, die Beatmungsdauer so kurz wie möglich zu halten."

Yoongi verstand nicht was der Arzt ihm sagen wollte.
„Und was heißt das jetzt genau?", fragte er verwirrt.

„Yoongi. Schätzchen.", begann Mrs Park. „Sie wollen das Beatmungsgerät abstellen."

Er starrte sie ungläubig an. „Aber...", begann er und wandte sich dann an den Arzt.
„Aber dann wird Jimin sterben! Wenn er nicht beatmet wird, wird er sterben, das können sie doch nicht machen!"

„Es tut mir leid. Aber wir sollten es tun, bevor eine Infektion eintritt. Wir hoffen darauf das Jimin durch den Verlust der mechanischen Beatmung wieder anfängt selbstständig genug Sauerstoff aufzunehmen. Das heißt bei uns Weaning. Es ist ein schwieriger Prozess, der Tage oder Wochen in Anspruch nehmen kann. Wir werden ihn natürlich nicht einfach ersticken lassen. Es kann mehrere Anläufe geben bis das gewünschte Ergebnis erreicht wird. Seine Lungen haben im Grunde keinen Schaden, aber sein Körper ist so stark geschwächt, dass dieser einfach nicht selbständig atmet. Er hat ohnehin schon genug Probleme und wir wollen ihm damit einfach helfen. Was hilft es uns, wenn wir seine Nieren wieder zum Arbeiten bringen, er aber dann aufgrund einer zu langen Intubation stirbt. "

Yoongi musste das alles erstmal verdauen.

„Wir werden morgen früh den ersten Versuch starten.", sagte der Arzt und verabschiedete sich dann von ihnen.






Yoongi hatte die ganze Nacht nicht schlafen können. Er hatte an Jimins Bett gesessen und ihn einfach nur angesehen. Er hatte mit den anderen Jungs getextet, in ihrem alten Gruppenchat, um sie auf den neuesten Stand zu bringen. Es war fast wie früher, bis er merkte, wie sehr Jimins dumme Emoticons in diesem Chat fehlten. Er schaltete sein Handy aus und wartete auf den Morgen.

Kurz vor Sonnenaufgang war er dann aber doch in einen traumlosen Schlaf gefallen, den Kopf auf Jimins Matratze und dessen Finger in seiner Hand. Der Rest seiner schlanken Hände lagen jeweils in einem schweren Gips.

„Yoongi, Schatz. Der Arzt ist hier!", weckte Mrs Park ihn sanft.

Er war sofort hellwach. „OK", sagte er schnell und stand von seinem Stuhl auf um dem Arzt und der Krankenschwester Platz zu machen.

„Möchtest du hier bleiben oder willst du zu deinen Eltern gehen, sie sind in der Cafetaria.", fragte Jimins Vater.

„Bleiben.", kam als knappe Antwort.
Er wollte nicht flüchten, auch wenn ihm ganz danach war.
Er wollte an Jimins Seite sein.

„Okay", begann der Arzt. „Ich werde nun die Beatmung ausschalten. Dieses Gerät hier", er zeigte auf eine der Maschinen, „wird uns anzeigen wie viel der Patient einatmet und wie viel Druck in der Lunge herrscht. Sollte Jimin nicht selbständig atmen, wird diese Alarmlampe rot aufglühen. Wir haben dann 10 Sekunden Zeit abzuwarten, da die Reaktion der Lungen auch etwas verspätet eintreten kann. Sollte es keine Besserung geben, müssen wir ihn nach diesen 10 Sekunden wieder anschließen und wir versuchen es morgen früh erneut. Sollte er anfangen zu atmen, prüfen wir außerdem, wie hoch der Sauerstoffgehalt in seinem Blut ist, dies machen wir ohnehin schon seit er hier ist, aber ab da wird er noch genauer untersucht. Zumindest so lange bis wir sicher sind, dass es keine Komplikationen gibt."

Niemand sagte etwas.
Alle waren angespannt.

„Na dann wollen wir mal, Jimin. Zeig was du kannst!", murmelte der Arzt und schaltete das Gerät aus.

Erst jetzt fiel Yoongi auf, dass das stetige wusch-wusch der Maschine ziemlich laut gewesen sein musste, denn nun war es still, bis auf das langsame Piepen der Herztöne.

Mr Park hielt seine Frau fest im Arm und Yoongi hielt sich an dem Tisch fest, der hinter ihm stand, wo er nun mit den Beinen gegen stieß.

Sie alle zuckten zusammen als die Alarmlampe anging und ein lauter Piepton ertönte.

„Schalten sie den Warnton aus!", befahl der Arzt der Schwester und im selben Moment wurde es wieder still.
Die Lampe allerdings leuchtete noch immer.

Yoongi begann im Stillen zu zählen.

4

Komm schon Jimin, du schaffst das, du hast schon solange durchgehalten.

7

Jiminie, atme endlich!

9

Fuck. Fuck. Fuck!

10....

„Maschine an!", befahl der Arzt und im nächsten Moment ertönte wieder das gleichmäßige wusch- klick- wusch, an das sich alle bereits gewöhnt hatten.

Yoongi atmete erleichtert auf .
Er wusste nicht ob er jetzt weinen sollte, weil Jimin nicht atmete oder ob er froh sein sollte, dass der Arzt die Maschine wieder angestellt hatte.

Denn nichts war schlimmer als das Gefühl Jimin so blass da liegen zu sehen und zu wissen, dass er keine Luft bekam.







Am nächste Morgen...

5

Komm schon Jimin-ssi, bitte, atme!

7

Babe, ich brauche dich doch. Du schaffst das, los!

9

Nein, bitte nicht. Komm schon!

10....

Yoongi ließ den Kopf hängen.
Das war das Schlimmste was er sich vorstellen konnte.
Die ganze letzte Nacht hatte er davon geträumt wie Jimin ersticken würde.
Und er fühlte sich schlecht. Richtig schlecht.
Wenn er ganz ehrlich zu sich selber war, dann wusste er nicht, ob er einen dritten Anlauf durchstehen würde.

Der Arzt nahm die Parks zur Seite.
„Ich sage das nur wirklich ungern. Aber wenn es nach dem morgigen Versuch keine Besserung gibt, dann sieht es nicht gut aus. Die Zeit hängt uns im Genick."

Mrs Parks Herz schien zu zerreißen.
Das ganze auf und ab zwischen Hoffnung, Angst und Enttäuschung zerrte an ihren sonst so starken Nerven.
Sie wollte ihren Sohn nicht verlieren!







Am nächsten Morgen war Yoongi wieder an Jimins Seite.
Auch wenn er nicht wirklich wusste, wie er diese Hilflosigkeit ein weiteres mal überstehen sollte.
Am liebsten hätte er ihn gepackt und ihm seinen eigenen Atem geben.

3

Baby, ich brauche dich.

5

Jiminie, ich vermisse dich so sehr. Komm schon, du schaffst das!

8

Baby, ich flehe dich an! Atme endlich!

10...

„Maschine an!"

Die raue Stimme des Doktors hallte durch den Raum.

Yoongi schloss verzweifelt die Augen, seine Hände waren nass geschwitzt.
Jimin war zu schwach. Er schaffte es nicht zu atmen.
Sein Blick verschwamm vor seinen Augen als er versuchte die Tränen zurück zu halten.
Er sah wie Mr Park mit dem Arzt vor die Tür ging und sich mit ihm unterhielt.

Suddenly 3 ➛ ʏᴏᴏɴᴍɪɴWo Geschichten leben. Entdecke jetzt