Kapitel 3

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Elisha

Still seufze ich auf und lege meinen Kopf in den Nacken, um in das mit Wolken bedeckte sanfte blau des Himmels starren zu können.
Die Nachmittagssonne steht schon wieder etwas tiefer, es dauert nicht mehr lange, bis es dunkel wird und an sich ist heute auch ein schöner Tag; wäre da nicht das Schamgefühl, das mich Schritt für Schritt verfolgt und mich bis zu meiner Grenze zwängt. Bereits den gesamten Tag über muss ich mich zusammenreißen nicht in mich zusammen zu brechen und alles und jeden um Hilfe anzuflehen. Dabei weiß ich gar nicht, wobei mir geholfen werden sollte – es ist schließlich schon passiert, ich wurde bereits vergewaltigt. Wobei soll man mir jetzt noch helfen? Jegliche Hilfe kommt zu spät und das ist allein meine Schuld. Ich hätte diese verdammte Gasse einfach nicht lang gehen sollen.

Sauer auf mich selbst und insgeheim auch auf alle anderen um mich herum, warum auch immer, umgreife ich fest meine Einkaufstüte mit meinen Fingern, bis diese bereits rot anlaufen. Nach der Schule, die genauso wie der Rest des Tages, grauenhaft verlaufen ist, sind Melina und ich direkt in die Mitte der Stadt gefahren, um wie gestern abgemacht Kleider für den morgigen Tag einzukaufen. Zwar wollte ich das nicht, doch da meistens sowieso nicht auf mich gehört wird, bin ich einfach mitgegangen und habe versucht mich abzulenken. Geklappt hat es nicht.

Stumpf lasse ich meinen Blick durch die Stadt gleiten, welche gut gefüllt ist – nicht etwa von Menschen, nein, sondern von Werwölfen, die fast alle in einer Hektik verfallen, welche selbst mich unruhig werden lässt. Der Grund dafür ist natürlich dieser dämliche Geburtstag unseres Oberalphas und dessen Feier, die morgen stattfinden wird, zu der alle Wölfe dieser Stadt eine Einladung bekommen haben.
Eigentlich gehen zu solchen Veranstaltungen nur Wölfe ohne Mates, doch da es allen eine Ehre ist den König persönlich zu treffen, werden dieses mal wohl mehr Wölfe dabei sein.

»Du ahnst gar nicht, wie sehr ich mich auf morgen freue«, quiekt meine beste Freundin aufgeregt vor sich und dreht sich dabei mit ihrer Tüte in meine Richtung, da sie dank ihrem schnellen Tempo etwas vor mir läuft.
Nachdem sie aber bemerkt hat, dass ich mich paar Meter hinter ihr befinde, verdreht sie nur wissend ihre Augen und schnappt sich dann lächelnd meinen Arm. »Was ist heute mit dir los, geht es dir nicht gut? Freust du dich denn gar nicht auf morgen?«, etwas besorgt begutachtet sie mein Gesicht, weshalb sich Hoffnung in mir aufstaut ihr all die schrecklichen Geschehnisse von gestern anvertrauen zu können, doch nachdem ich sie wieder Revue passieren lasse, platz auch dieser Funken von Hoffnung. Zu faul, um mein Handy rauszuholen, um ihr antworten zu können zucke ich bloß mit meiner Schulter und wende meinen Blick von ihr ab.

Sowas kann ich niemanden anvertrauen, das geht einfach nicht. Ich habe Angst vor den Reaktionen. Was, wenn sie das gleiche denken wie ich? Dass ich selbst daran schuld bin und ich es einfach vergessen sollte, da es nicht rückgängig zu machen ist? Um nicht loszuweinen beiße ich mir hart auf meine Lippen und senke meinen Blick. Nein, ich kann und will es einfach niemanden erzählen.
»Na gut, wir müssen uns sowieso etwas beeilen, ich möchte bevor es dunkel wird bei dir sein. Deine Mutter erwartet uns schon, also lass uns einfach die Abkürzung durch den Westpark nehmen«, brabbelt sie schnell und schnappt sich dann wieder meinen Arm, was ich auch erst zulasse, dann aber ihre Worte realisiere und alle Alarmglocken in mir anfangen zu läuten. Panisch entziehe ich mich ihr und versuche dabei die Bilder vor meinen Augen wegzubekommen. Wütend darüber, dass sie diese Erinnerungen in mir geweckt hat, "entflieht" mir überraschenderweise ein stummes Knurren, was nicht nur mich, sondern auch Melina erschrocken zurück weichen lassen.

Oh mein Gott, habe ich gerade versucht meine beste Freundin anzuknurren, obwohl sie nichts für meine eigene Dummheit kann?
»Ist alles okay, Elisha?«, verunsichert musterte sie mich zurückhaltend, während ich meine Fingernägel erneut tiefer in meine Handfläche bohre. Warum muss ich auch immer so dumm sein?! Ich habe noch nie jemanden versucht anzuknurren, das ist nicht meine Art und schon gar nicht knurren sich Freunde untereinander aus Ernsthaftigkeit an.
Zögernd nehme ich mein kleines Notizblöckchen aus meiner Tasche und einen Stift, um ihr etwas aufzuschreiben. Wie bereits erwähnt beherrscht Melina nicht die Gebärdensprache, da sie es einfach nicht hinbekommt. Wirklich Mühe macht sie sich aber auch nicht, was mich zwar ein wenig traurig stimmt, ich es ihr aber nicht wirklich böse nehme, da ich für sie ja auch keine neue Sprache erlernen kann.

Dangerous MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt