Kapitel 7

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Elisha

»An deiner Stelle, würde ich jetzt
lieber anfangen zu reden«, haucht eine männliche Stimme mir direkt in mein Ohr, was meinen gesamten Körper zum zittern veranlasst. Meine mit Tränen überdeckte Wangen zieren große, blaue Flecke, welche bloß einen kleinen Teil meiner Schmerzen abbilden, weshalb ich nur bitterlich vor mich hin weine und kaum einen vernünftigen Atemzug tätigen kann. Das ist vor Schmerzen fast sterbe interessiert hier aber niemanden, schließlich sind sie hier der Grund für mein Leiden.

Still weinend wirren mir tausende Gedanken durch den Kopf, seit gefühlten Tagen tue ich nur noch das gleiche – ruhig auf der mir gegenüberliegenden Wand starren und die Schläge über mich ergehen zulassen. Jedes Mal wenn ich nicht auf einer ihrer Fragen antworte, schlagen sich mich, dabei kann ich ihnen nicht mal eine Antwort liefern. Wie denn auch? Ich bin stumm und ich weiß nicht mal, was sie von mir wollen. Verwechseln sie mich vielleicht? Aber das kann doch nicht sein, die Männer in unserem Haus haben nach mir gefragt.

Als ich an diese Männer denke unterdrücke ich ein Würgen. Sie sind gnadenlos, sie schlagen dorthin, wo es ihnen gerade passt – in mein Gesicht, in mein Bauch, auf meine Arme und auch gegen meinen Rücken. Zum Großteil sind es nur Männer und ich hatte den Glauben daran, dass sich Schuldgefühle in ihnen aufkeimen, schon beim ersten Prügel verloren.
Sie wollen unbedingt, dass ich ihnen antworte und wenn es sein muss dann auf sie harte Tour, das hatte man mir klar gemacht, indem man mir es gezeigt hatte.

Doch ich kann es nicht, ich kann ihnen nicht antworten, selbst wenn ich wollte. Schließlich bin ich stumm und das für immer, bis zu meinen tot und ehrlicherweise bin ich mir nicht ganz sicher, ob er doch nicht schon bald kommen würde. Die Schmerzen sind kaum auszuhalten und ich weiß noch nicht einmal wie lange ich hier noch festgehalten werde.
Im Sekundentakt rannen mir warme Tränen meine Wangen runter, meine Augen brennen schon durch das ganze Weinen, aber ich kann es nicht ändern, genauso wenig kann ich ändern, dass ich für immer stumm bleiben werde. Vor allem nach dem, was mir Melina erzählt hat.

Ein lautes Knurren reißt mich aus meinen Gedanken, weshalb ich augenblicklich anfange zu zittern und ein Schleier von Angst mir die Luft zugeschnürt. Was wollen sie überhaupt genau von mir? Ich habe nichts getan!
»Hör mir zu, du Abschaum. Ich denke, dass dir nicht bewusst ist, weshalb du hier bist«, sein erster Satz versetzt mir einStich ins Herz. Ich bin doch gar kein Abschaum, oder? Und wenn er doch weiß, dass mir nicht bewusst ist, warum ich hier feststecke, wieso hält er mich dann hier fest? Das macht doch alles gar keinen Sinn. Warum lässt man mich denn nicht einfach in Ruhe?

Der relativ große, junge Mann läuft langsam grinsend um mich herum, während seine Hand mir durch mein Haar streicht und meinen meinen Nacken sanft berührt, bevor er kräftig meine Haare nach hinten zieht und ich daraufhin erschrocken versuche mich im Stuhl kleiner zu machen. »Unser König braucht seine Luna, aber so ein Abschaum wie du es bist, hindert ihn daran, sie zu finden!«, wütend kratz er mit seinen langen Krallen meinen Arm leicht auf. Mein stummer Schrei verblasst, als er anfängt zu lachen und kurz von mir ablässt.
Was meint er damit?! Wieso sollte ich so etwas verhindern können?

»Ich weiß nicht, wieso du nicht redest. Doch das macht es mir einfacher, ein Opfer auszusuchen.« Sein Grinsen verdreifacht sich, während Verwirrung sich in mir breit macht. Was und wen meint er mit Opfer?
»Du bist mein Opfer«, ein kalter Schauer läuft mir den Rücken runter, als seine Stimme erneut in meine Ohren dringt und ich die Bedeutung des Satzes realisiere. Warum denn bitte ich? Und was genau meint er mit "Opfer"? Ich beiße mir angestrengt auf meine Lippen und versuche mich zu beruhigen. Wirklich klappen tut es nicht. Wie gern ich jetzt einfach bei meiner Familie sein würde, wieder zurück zum normalen und das ganze hier einfach zu vergessen.  Stattdessen sitze ich als Gefangene und anscheinend als irgendein Opfer in einer Kammer fest, wo fremde Menschen mich zwingen zu sprechen und nicht einmal wissen, dass ich nicht in der Lage dazu bin zu sprechen.

»Morgen wird dir unser Alpha höchstpersönlich einen Besuch abstatten«, er beugt sich zu mir runter und legt seine Hand auf meine Wange, weswegen ich angstvoll meine Augen aufeinander presse. Doch er lässt nicht von mir ab und streicht mir langsam über meine Wange, was mich dazu veranlasst an etwas zu denken, was ich schon die ganze Zeit versuche zu unterdrücken. Werde ich hier missbraucht? Allein bei diesen Gedanken entflieht mir ein stummes Schluchzen.
»Ich meine, hübsch bist du ja schon, sehr sogar«, sein Finger wandert über meine Lippen. »Schade um dein schönes Gesicht, wenn dich der König morgen umlegt«, flüstert er und legt seine Hand um meinem Hal, als er das tut zucke stark zusammen. Meine Gedanken schweifen erneut zurück an den Tag, an dem der Fremde mich überfallen hat.

Nein, ich darf nicht daran denken!

Panisch schmeiße ich den Gedankengang aus meinen Kopf und widme mich wieder dem hier und jetzt. Innerlich hoffe ich, dass ich mich verhört hatte, doch das hatte ich nicht - der König würde hier auftauchen, um mir persönlich das Leben zu nehmen. Gott, ich hasse mich, ich hasse einfach alles. Wieso passiert mir denn sowas? Was hatte ich getan, dass mir so eine Scheiße passieren muss?! Vor allem in so kurzer Zeit. Immer mehr Erinnerungen schwirren mir durch den Kopf. Es ist nicht wirklich lange her, nachdem das passiert ist und schon werde ich zum Opfer des Alphas gewählt? Ich schluchze wieder still auf.
Im Raum ist es leise, der komische Mann ist gerade durch die Tür gegangen, was mich erleichtert aufatmen lässt.

Vielleicht haben sie ja recht, vielleicht bin ich Abschaum. Vielleicht gehöre ich einfach nicht auf diese Welt. Möglicherweise ist mein Schicksal zu sterben, von dem Alpha umgebracht zu werden, auch wenn ich immer noch nicht verstehe warum. Wieso musste auch genau ich stumm zur Welt kommen? Weshalb gehöre ich überhaupt zu den Werwölfen, sie hassen mich doch nur!?

Und ein Wolf hat etwas getan, was ich nicht vergessen kann, aber so gerne vergessen würde. Natürlich würde ich diesen Tag am liebsten vergessen, aus meinen Erinnerungen löschen. Nur weiß ich, dass das leider nicht möglich ist. Wie es wohl gewesen wäre, wenn ich nicht stumm gewesen wäre? Wäre ich dann nicht vergewaltigt worden? Ich meine, ich könnte dann nach Hilfe schreien und könnte es ihm ausreden. Verdammt, ich hätte so vieles machen können. Aber nein. Ich habe es einfach über mich ergehen lassen wie ein Nichtsnutz. Weinend drücke ich meine Beine zusammen. Warum passiert mir das alles? Warum musste ich durch diese Gasse gehen? Warum konnte ich nicht einfach auf meine Mutter hören und mich beeilen können?

Genauso wie die Schreie von mir,
an jenem Tag, schlafe ich vor Erschöpfung still ein. Wobei es auch sein kann, dass ich in Ohnmacht gefallen bin, doch das weiß ich nicht. Ich weiß schon lange nichts mehr, nicht einmal, wie lange ich schon hier in diesem Raum bin.

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Eine Hand auf meiner Wange lässt mich erschrocken meine Augen aufreißen, sofort blicke ich mich in meiner Umgebung um und muss traurigerweise feststellen, dass das alles nicht nur ein Traum war, sondern pure Realität ist. Denn als ich den Mann von gestern vor mir grinsen sehe fangen meine Augen wieder an zu brennen und ich stehe den Tränen nahe. Was möchte er wohl heute von mir? »Wer hat dir Hure erlaubt zu schlafen?«, bei dem Wort "Hure" zucke ich stark zusammen und denke daran, wie ich nichts gegen den Übergriff unternommen habe und es einfach über mich ergehen lassen habe. Der Mann vor mir scheint meine gedankliche Abwesenheit zu bemerken, denn schon nach wenigen Sekunden spüre ich, wie sich eine Hand fest um meinen Arm legt, welcher von blauen Flecken bedeckt ist und somit mein Schmerzhorizont erweitert wird.

Überfordert senke ich meinen Kopf. Der Druck um meinen Arm wird noch größer, als ich ihn auf seine rhetorische Frage keine Antwort liefere. »Wenn du nicht gleich anfängst zu sprechen, dann we-«, seine bedrohliche Rede wird von einem lauten Klopfen unterbrochen, was mich erleichtert ausatmen lässt. Meine Rettung, zumindest für paar Minuten. Gleich nach dem Klopfen betritt ein schüchtern
aussehendes, blondes Mädchen den kühlen Raum, in den durchgehend nur gesessen habe.
Sie wirft erst einen Blick auf den Mann vor mir, ehe ihre Augen auf meine treffen und ich versuche all meinen aufgestauten Kummer in meinen Blick zu stecken, um Mitleid zu erregen und somit ihre Hilfe. Jedoch wirft sie mir bloß einen angeekelten Ausdruck zu, was meine Hoffnung nach Rettung wieder einmal platzen lässt.

»Sie sind da.«

Dangerous MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt