Prolog.

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Prolog:

Elizabeth verließ unsicher das Schiff und setzte ihre ersten Schritt auf englischen Boden. Äußerlich war sie unberührt, doch in ihr brodelte Angst und Aufregung. Ihre Mutter hätte gleich gemerkt das sie auf der Flucht war, aber jeder anderen Mensch sah nur eine sehr junge Frau, in einem schlichten alten Kleid, die stolz den Kopf hob und die Schultern durchdrückte. Unauffällig schaute sie sich um, vor ihr lag eine Bahnstation. Zwischen den Leuten die den dort haltenden Zug verließen sah sie den großen unheimlichen Mann sich durch die Menschen drängen, direkt auf sie zu. Schnell griff sie nach ihrem Koffer und lief zu einem der kleinen Gebäude der Station. Der Mann am Schalter ließ seine Augen gierig über ihren Körper gleiten. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte er und leckte sich über die Lippen. Elizabeth musste einen angewiderten Gesichtsausdruck unterdrücken. „Wie komme ich bitte nach Ahlburckhill?“, fragte Elizabeth mit fester Stimme und schaute ihm unter geistiger Anstrengung direkt in die Augen. Kurz hielt er verwirrt inne, dann antwortete er: „Das Land der Dukes beginnt gleich hier an der Straße. Wenn sie aber zum Familiensitz wollen, dann müssen sie mit der Landstraße etwa eine Meile in Richtung Osten, junge Frau. Sie sollten sich allerdings nicht alleine auf den Weg machen. Hier gibt es viele Räuber und andere gefährliche Gestalten. “ Sie nickte knapp:„Vielen Dank. Auf Wiedersehen, Mister.“, schnell ging sie davon. Er rief ihr noch etwas hinterher, doch sie eilte zur Straße, denn hinter ihr war der dunkel gekleidete Mann wieder aufgetaucht und ihr liefen eiskalte Schauer über den Rücken. Von diesem Mann ging Gefahr aus, das spürte sie seit er auf dem Schiff immer wieder in ihrer Nähe aufgetaucht war und sie gründlich betrachtet hatte. Er war schlichtweg angsteinflößend. Die eine Meile wollte sie laufen, sie nahm den Revolver den sie bei sich trug und versteckte ihn in ihrem Retikül um jederzeit nach der Waffe greifen zu können. Es wurde immer dunkler, sie fluchte leise in ihrer Muttersprache. Genau jetzt konnte sie kein Gewitter gebrauchen. Nach einiger Zeit, zog schon der stürmische Wind an ihrer Kleidung, über ihr donnerte und blitzte es. Es fing kurz daraufhin an zu schütten. Sich den durchnässten Mantel enger um den Körper legend, lief sie eilig über die Straße. In der Ferne sah man ein riesiges Anwesen, ein Funken Hoffnung keimte in ihr auf, doch dieser wurde mit dem Sturm davon geweht, als sie sich kurz umdrehte und hinter sich sah. Ein Aufschrei entfuhr ihr, auch dieser wurde in dem Knallen des Donners verschluckt. Der fremde Mann war direkt hinter ihr. Bedrohlich kam er immer näher: „Jetzt bleib stehen, Weib!“, brüllte er. Sie blickte sich hektisch um, sah dem Mann noch einmal in die schwarzen kalten Augen und rannte los, hörte den Mann hinter ihr her eilen und rannte immer schneller, ihre Haare flogen um sie herum, ihr Kleid blieb an Büschen hängen und zerriss. Ihr Koffer fiel um und sie ließ ihn los. Elizabeth rannte immer weiter, ihre Lunge brannte und ihr Herz schlug hemmungslos gegen ihre Brust. Verzweifelt lief sie immer weiter, ohne zu gucken wo hin. Erst als sie mit dem Fuß hängen blieb, bemerkte sie die Wurzel, die ihr zum Verhängnis wurde und fiel. Ihr Kopf schlug gegen einen großen Stein und ein tiefer Schmerz durchzuckte sie. Regungslos blieb sie liegen.

 Brief an Elizabeth Duprié:

                                                                                                                   Brest (Frankreich) Juni 1876

Meine geliebte Tochter,                                            

du wächst zu einer wunderschönen Frau heran und wirst mich immer ähnlicher, doch leider Gottes merke ich wie meine Krankheit sich durch meinen Körper frisst, um mich in den Himmel zu holen. Der Tod gehört unwiderruflich zu unserem Leben, er kommt wann er will. Für mich wird es Zeit, dir etwas zu erzählen, deine Zukunft zu sichern. Du musst endlich wissen wer dein Vater ist und wer du eigentlich bist, wenn ich nicht mehr bin wirst du zu ihm fahren. Mein Geliebter Colin, ist wie du weißt nie mein Ehemann gewesen, doch was du nicht weißt ist, dass er verheiratet war. Nicht freiwillig, denn es war eine arrangierte Ehe. Er sagte mir früher oft, wie sehr er sich wünsche mich heiraten zu können. Die Erinnerungen an ihn sind für mich wie Träume. Wir haben uns von ganzen Herzen geliebt, doch ich konnte nur seine Geliebte sein. So solltest du nicht aufwachsen und seiner Familie hätte es nur geschadet. Wir hätten ihr Leben kaputt gemacht. Heute bin ich klüger, doch ich bereue nicht dich mit aller Hingabe geliebt und erzogen zu haben. Du bist ein freies Kind und unterstehst keinen gesellschaftlichen Zwängen und Regeln. Nun wirst du zurück zu deinem Vater gehen, seine Frau Carmen liebt ihn sehr, doch das beruht zu ihrem Leid nicht auf Gegenseitigkeit. Sie ist psychisch Krank und eine Gefahr für sich selbst. Ich habe großes Mitleid mit ihr, aber bin trotzdem sehr glücklich, dass Colin dich mir geschenkt hat. An dem Tag an dem mir klar wurde das ich sein Kind unter dem Herzen trug, wurde mir bewusst was für eine Verantwortung nun in meinen Händen lag. Ich würde niemals erlauben mein Kind als „Bastard“ bezeichnen zulassen. So floh ich vor deinem Vater, meiner Seele, meinem Herz, meinem Geliebten. An diesem Tag brach mein Herz in tausend Stücke, nur du gabst mir Kraft weiter zumachen. Colin versuchte uns zu finden und das Jahre lang, doch ich konnte ihm so eine Demütigung nicht antun. Du kannst ihm vertrauen, er wird dir helfen so gut er kann. Nimm seine Hilfe an. Ich hoffe von ganzem Herzen du wirst mir verzeihen und nicht böse sein, dass wir so gelebt haben. Vielleicht möchtest du auch gerne wissen, dass du drei ältere Halbbrüder hast. Anthony müsste jetzt 23 Jahre alt sein, Phillip 20 und Simon 18, als ich sie das letzte mal sah waren sie noch Kinder. Dein Vater Colin ist der beste Mann den ich je getroffen habe. Er ist liebevoll, ehrlich, fair und stark. Dein ungezügeltes Temperament und dein wildes Wesen hast du von ihm geerbt. Du wirst sehen er ist ein verständnisvoller Mann. Wenn ich sterbe, nimm unser Geld und geh zum Hafen, die „Canard“, ein Segelschiff meines guten Freundes Steve Lacroix, wird dich nach England bringen. In Hull gehst du von Bord und fragst dann nach dem Weg nach Ahlburckhill, man wird dir den Weg weisen, dort gibst du dem Duke den beiliegenden Brief. Dir sei versichert, dass er dir helfen wird. Mach dir keine Sorgen. Du bist mein ein und alles, mein kleiner Engel, die Kette die ich dir mit diesem Brief schenke musst du immer umhaben, so werde auch ich immer bei dir sein. Sei stark, mein Kind. Ich werde dich immer lieb haben und auf dich aufpassen.

Der verführerische Nachbar.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt