LILIETTEDas zusammengefaltete Schreiben mit meinen Händen umklammert, trat ich aus der Nische hinaus und klopfte mir den wenigen Staub, den ich durch das Betreten des Ganges abbekommen hatte, von meinem Rock. Schweratmend blickte ich mich in meiner Umgebung um, um zu kontrollieren, dass mich auch gar niemand gesehen hatte, bevor ich sicher sein konnte, den Weg zu den Gemächern der Kaiserin einschlagen zu können.
Ich darf ihn nicht mehr enttäuschen, sagte ich zu mir selbst in Gedanken. Darüber war ich mir nun vollständig bewusst. Zumindest nicht mehr. Zu oft war dies geschehen. Meine Angst, trotzdem einen Fehler zu machen, nahm mich nahezu ein.
Glücklicherweise kam ich zumindest pünktlich, um Aliénor zu helfen, sich für den Maskenball herzurichten. Es war schon später Abend, und ich würde mich auf den Festlichkeiten sowieso nicht blicken lassen.
Zwar hatte sie schon oft versucht, mich zu überzeugen, zu kommen, doch ich fühlte mich nicht wirklich passend in der Gesellschaft. So hatte ich der Blondine erklärt, sie für ihre Aufmachung zu beraten, sodass meine Kolleginnen sich selber fertigmachen konnten.Die Blondine saß vor ihrem Spiegel, während ich einige Blumen und Schleifen in ihrem Haar befestigte.
„Liliette? Glaubt Ihr, dass viele Leute heute Abend anwesend sein werden?", sprach sie schließlich nachdenklich und ihre Augen folgten meinen Händen, die eilig einige blonde Strähnen flochten.
„Natürlich, Majestät", erwiderte ich. „Halb Frankreich ist eingeladen, aber auch einige englische, österreichische und belgische Adelige werden kommen. Es ist immerhin der jährliche Ball Seiner Majestät."
„Liliette, ich habe Euch doch schon gesagt, dass Ihr mich nicht mit Majestät ansprechen müsst", seufzte sie schmunzelnd, während sie sich in ihrem Spiegel begutachtete. „Wir sind doch befreundet."
„Die Madame hört das jedoch nicht gern", entgegnete ich ebenfalls seufzend, und unterdrückte das Stechen in meinem Magen. „Und Ihr wisst doch, dass ich möglichst allen gefallen möchte. Ich bin so ähnlich wie Eure neue Leibwache... ich bin eine Tochter den spanischen Königs - und zudem ein Bastard. Ich kann mir so etwas nicht erlauben. Deshalb eigne ich es mir gleich ab."
„Ach so, verzeiht, ich vergaß", antwortete sie entschuldigend, und blickte etwas traurig drein. „Dann behaltet Eure Anrede für mich, wenn es Euch lieber ist. Selbstverständlich passe ich mich an Euch an."
„Vielen Dank, Majestät."
Meine Stimme klang etwas piepsig. Jedoch schien Kaiserin Aliénor dies nicht gehört zu haben.Ohne mich eigenartig zu mustern, ließ sie zu, dass ich um sie herumging, um ihre Schminke zu überprüfen, bevor ich mich an ihren Schmuck machte. Erneut staunte ich nicht schlecht, als ich ihre Stücke beäugte. Der Kaiser legte ihr tatsächlich die Welt zu Füßen, wenn es darum ging, sie glücklich zu machen. Auch wenn ich wusste, dass diese Kostbarkeiten für seine Gemahlin nie so viel Wert haben würden wie ein Ausflug oder einer ruhiger Abend mit ihm selbst.
„Wisst Ihr... ich mag diese Veranstaltungen nicht besonders", gab sie nach einiger Zeit zu.
„Das ist mir bereits aufgefallen, Majestät", sagte ich schmunzelnd. „Ihr fühlt Euch nicht sonderlich wohl unter so vielen Leuten, n'est-ce pas?"
„Normalerweise schon. Ich liebe es zu tanzen, zu feiern, mich zu unterhalten. Doch seitdem ich Kaiserin von Frankreich bin, ist es anders. Alle achten nur auf mich, und ich kann mich mit niemanden wirklich ehrlich unterhalten, ohne das zu haben Gefühl, dass die Nettigkeiten nur gespielt sind..."
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PRINCESS OF DAISIES ᵗᵉⁱˡ ᵈʳᵉⁱ
Historical Fiction❀ 𝐅𝐑𝐀𝐍𝐊𝐑𝐄𝐈𝐂𝐇 ─ 1819 Das Leben hinter den Mauern von Versailles sollte sich als Herausforderung herausstellen. Aliénor ist unglücklich, fühlt sich allein, unter Druck gesetzt und in ihrer Rolle nicht gut aufgehoben. I...