Kapitel 18 ❀ bouquet de marguerites

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ALIÉNOR

„Mir ist in letzter Zeit aufgefallen...", begann er schließlich zaghaft. „... dass etwas mit dir nicht ganz zu stimmen scheint. Abgesehen davon, dass dich die Nachricht, dass wir Eltern werden, offensichtlich kaum erfreut, wirkst du schon seit einigen Tagen, Wochen so... lustlos an vielen Dingen..."

„Ich war sehr beschäftigt in den letzten Wochen", erwiderte ich trocken, und war überrascht, wie leicht mir auch diese Lüge über die Lippen ging. „Natürlich freut es mich, dass wir bald schon ein Kind bekommen können..." Nur dass es nicht sicher ist, ob es auch wirklich unser Kind sein wird...

„Normalerweise wärst du vor Freude aufgesprungen...", entgegnete er und erneut wurde ich von ihm gemustert, sodass ich mich zwang, seinem Blick standzuhalten.

„Ich weiß, dass zwischen uns beiden schon seit unserer Wiederkehr nach Versailles ziemliche Anspannung herrscht. Ich habe kaum Zeit für uns beide, möchte lieber, dass du hier bleibst, damit du in Sicherheit bleibst..." Er machte eine Kunstpause, ehe er begann mit seinen Daumen über meine Knöchel zu streichen.

„Was ich jedoch am liebsten möchte, ist, dass du weißt, dass ich immer - dabei spielt es keine Rolle, wie viel ich zu tun habe - ein offenes Ohr für dich haben werde. Auch dann, wenn es nicht unbedingt so wirkt. Also, frage ich dich: Gibt es etwas, was du mir verheimlichst?"


~*~


Einige Tage später schaute ich blinzelnd in den nahezu wolkenlosen Himmel hinauf. Die Sonnenstrahlen erwärmten zärtlich meine Haut, der Wind zerzauste meine offenen Haare. Ich hielt den kleinen Blumenstrauß mit meinen Händen fest umklammert, bevor ich den Kopf zurück in seine normale Position legte, um den Blick über die Wiese, die ich erneut aufgesucht hatte, streifen zu lassen.

„Also... ich habe inzwischen etwa zwanzig Gänseblümchen gepflückt. Wie sieht es bei Euch aus, Majestät?"

Mein Blick fiel von Liliettes selbst geflochtenen Korb, der vollständig mit den kleinen Blumen gefüllt war, zu meinem. Etwas unwissend zuckte ich mit den Schultern. „Ich weiß nicht recht... aber ich glaube, dass Ihr gewonnen habt."

Anschließend bückte ich mich, um ein kleines, niedliches Gänseblümchen zu pflücken. Diese Blumen waren ungemein zerbrechlich. Als würden sie meine Gefühlslage widerspiegeln.

„Liliette...", sprach ich mitten in die Stille, die nur von Vogelgezwitscher und dem Rascheln des Windes unterbrochen wurde, und schaute die Brünette von der Seite an. „Glaubt Ihr an Wunder?"

„Wenn Ihr das Gefühl habt, Ihr könntet ein Mädchen zur Welt bringen, kann ich Euch sagen...", begann sie nach einiger Zeit, doch ich fiel ihr - ohne es böse gemeint zu haben - ins Wort:

„Nein, das meine ich nicht. Also... natürlich begleitet mich dieses Empfinden etwas - schließlich verlangt man von mir, dass ich einen männlichen Thronfolger auf die Welt bringen werde, auch wenn niemand voraussagen kann, was es im Endeffekt wird - aber ... die ganze Sache macht mir große Angst", gab ich verlegen zu und drehte den weichen Stängel des Blümchens zwischen meinen Fingern, bevor ich in ihre hellgrünen Augen blickte. „Es ist ungewohnt zu wissen, dass man neues Leben in sich trägt."

„Das kann ich nachvollziehen", beschwichtigte sie mich mit sanfter Stimme. Jedoch hatte sie wohl etwas Probleme, mit mir Augenkontakt zu halten.

„Ihr macht Euch Sorgen, Ihr könntet es nicht schaffen oder etwas könnte geschehen... doch, Majestät: Ich kenne keine Kaiserin, Prinzessin oder andere Adelige, die so mutig und stark ist wie Ihr. Zudem haben es bereits so viele Frauen vor Euch gekonnt... warum solltet Ihr es nicht ebenso schaffen? Denkt an Eure Mutter, die sieben Kindern das Leben geschenkt hat und an die nominierten Ärzte und Hebammen hier am Hof. Ich verspreche Euch, dass alles gut werden wird."

Dankend lächelte ich sie an. Sie war wirklich ein Sonnenschein, und ich fühlte mich durch dieses kleine Gespräch schon etwas besser.
Sie war die einzige Hofdame, der ich, nachdem ich Tante Marie-Thérèse mit ihr und meinen anderen Freundinnen erwischt hatte, vertraute.

Bei Rafael sah das Ganze schon wieder anders aus: Es fühlte sich etwas so an, als hätte dieser vor, sich von mir abzuwenden. Nur noch selten hielt er sich in meinem Zimmer auf und schien den Platz vor meiner Tür vorzuziehen.

Abgesehen davon, dass unsere Affäre eine heikle Angelegenheit war, setzte die Schwangerschaft allem natürlich noch die Krone auf. Klar, wie sollte er darauf reagieren? Vielleicht hatte ihn diese Nachricht schockiert und er wusste nicht, wie er nun zu handeln hatte.

Klartext mit Louis-Antoine konnte ich derzeitig auch nicht reden. Erstens wollte ich nicht seine Freude, die seit einigen Tagen so groß war, dass er vor seiner Abreise noch einen Ball zu meiner Schwangerschaft geben wollte, zerstören. Er war so glücklich wie schon lange nicht mehr... und ich so ängstlich wie noch nie.

Zweitens war es mir nach seiner angebotenen Hilfe vor etwa einer halben Woche unmöglich, überhaupt zusammenhängende Sätze in seiner Gegenwart zu bilden. Immer mehr erkannte ich, dass er zu gut für mich war.

„Ihr seid wahrhaftig ein Engel", komplimentierte ich Liliette schließlich. „Wollt Ihr nicht morgen mit mir nach Savoyen reisen und meine Familie besuchen? Ich würde mich sehr freuen, Euch anstatt von Henriette in meiner Gegenwart zu wissen. Zudem versteht ihr Euch doch recht gut mit meiner Schwägerin Florentina, n'est-ce pas?"

„Das ist wahr. Ich reise sehr gerne mit Euch, Euer Majestät." Die Spanierin machte einen Hofknicks, ehe sie über die Wiese hin zur Terrasse Versailles' schaute, als würde sie jemanden suchen.

„Dann lasst uns weiter Gänseblümchen pflücken", forderte ich sie auf. „Ich fühle mich dabei jedes Mal wie das kleine Mädchen, das ich einmal war. Das kleine Mädchen, das stundenlang mit ihren Geschwistern auf der Blumenwiese verbracht hat, um Ketten und Kronen aus den vielen bunten Blumen zu basteln... dessen zweites Zuhause der Wald, die Natur war..."
Und das Mädchen, dass keine Männerherzen, die es nicht verdient hatten, mit einem Mal brechen konnte... Das Mädchen, dessen Schwester noch gesund und munter war..., fügte in meinen Gedanken hinzu.

Träumerisch schaute ich zu meinem geflochtenen Körbchen herab und schmunzelte resigniert.






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Übersetzungen

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( TITEL ) Strauß Gänseblümchen
( n'est-ce pas? ) Nicht wahr? / Oder?

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PRINCESS OF DAISIES  ᵗᵉⁱˡ ᵈʳᵉⁱWo Geschichten leben. Entdecke jetzt