Kapitel 22 ❀ un dauphin?

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ALIÉNOR

Acht Monate waren vergangen.
Es war der 30. Januar des Jahres 1820.

Mein Blick wanderte in kurzen Abständen immer wieder zu der kleinen Uhr auf meinem Schreibtisch. Der Sekundenzeiger schien heute wieder eine halbe Ewigkeit zu brauchen, eine Runde hinter sich zu bringen. Über mein Tagebuch beugt schrieb ich meine Gedanken und Gefühle nieder. Ich hielt mich in Versailles auf, da ich aufgrund meiner Schwangerschaft nicht verreisen sollte. Außerdem sah man zu, dass der kleine Dauphin, der Kronprinz - wenn es denn einer wurde - im Palast zur Welt kommen sollte und nicht in irgendeiner anderen Ortschaft.

Jeder sprach nur noch von ihm.
Von dem kleinen, neuen Prinzen. Anscheinend ging man schon von Anfang an davon aus, dass es ein Junge werden sollte; oder man hoffte, auf diese Art und Weise, dass es ein männlicher Thronfolger sein würde - als würden die Chancen dadurch steigen.

Seit über acht Monaten trug ich das kleine Lebewesen, über dessen Vater ich mir nicht bewusst war, in meinem Bauch. Und seit über acht Monaten war er fort. Louis-Antoune war im Krieg im Süden des Landes und kämpfte gegen unseren Feind, das Königreich Spanien, um Navarra.

Meine Angst konnte ich kaum in Worte fassen. Jede Woche lief es gleich ab: Ganz Versailles wartete gebannt auf eine neue Nachricht vom Ablauf des Krieges. Ich hoffte auf einen Brief von meinem Gemahl.

Jedes Mal plagte mich die Furcht, keinen seiner emotionslosen, kalten Briefen zu bekommen, in denen er mich darüber unterrichtete, dass alles voranging und die er schlicht mit Louis-Antoine de Bourbon, Kaiser von Frankreich beendete. Wenn ich ein Schreiben erhielt, war die Erleichterung groß, bevor die Tortur keine zwei Stunden später von vorne begann.

Liliette versuchte mich ebenso in dieser Situation aufzumuntern. Acht Monate Krieg wäre keine lange Zeit, so sagte sie. Manchmal wurden Jahre oder ganze Jahrzehnte erbarmungslos gekämpft, ohne dass eine Seite bedeutende Erfolge erzielen konnte.

Oft dachte ich an die armen Bauern, die von den Feinden sicherlich überrannt und ausgeraubt worden waren oder an die Soldaten, die im Kampf ihre Leben und ihre Familien somit ohne Oberhaupt und Ernährer zurückließen.

Für mich fühlte es sich an, als seien schon Jahrhunderte vergangen, seitdem Antoine mit seinen Truppen abgezogen waren.

Bezüglich meiner Gefühle hatte ich das letzte halbe Jahr nichts gerade Fortschritte gezeigt. Rafael war nach wie vor eingekerkert. Jedoch war er nach Paris, in die Bastille, das Staatsgefängnis Frankreichs, gebracht worden. Dort bekam er zwar mehr zu essen, musste jedoch auch mit strengeren Wachen aufgrund seiner Herkunft zurechtkommen, die vor Schlägen und Haftstrafen nicht zurückschreckten.

Ich wusste nicht, nach welchem Mann ich mich mehr sehnte und um wen ich mehr Angst hatte. Zumindest begleitete mich bei Rafael stets das schlechte Gewissen. Ohne mich wäre er niemals eingekerkert worden. Ich war der Grund für die Schmerzen dieser beiden Männer.

Vorsichtig strich ich über die Blüten der Gänseblümchen, die ich zusammengedrückt auf meinem Tagebuch befestigt hatte, als ein starkes Ziehen in meinem Unterleib mich aufkeuchen ließ. Da war es schon wieder.



LILIETTE

„Majestät?", sprach ich sie sanft an. Als ihre einzige Vertraute und übrig gebliebene Hofdame in diesem Palast erhob ich mich aus dem Sessel, der einige Meter von ihr entfernt stand. Besorgt musterte ich die Kaiserin, für die ich all meine Versprechungen gegenüber meinem Vater zunichte gemacht hatte. „Geht es Euch gut?"

„Ich glaube... es waren bloß erneut meine Vorwehen", winkte sie ab und strich sich erneut über ihren kugelrunden Bauch.

„Seit Ihr Euch sicher?", wollte ich wenig überzeugt wissen. „Die Vorwehen haben bei Euch schon vor einem Monat eingesetzt." Anschließend reichte ich ihr einen Arm, sodass sich die 19-jährige Blondine erheben konnte. Sie war inzwischen so schwer geworden, dass sie kaum noch allein aufstehen konnte. Ihr Gemahl hatte ihre Gewichtszunahme und ihre Schwangerschaft vollkommen verpasst - ebenso ihr Geliebter.

Ein weiteres starkes Ziehen ließ sie scharf die Luft einziehen. „Legt Euch besser hin", riet ich ihr, ehe ich sie sanft in Richtung ihres Himmelbettes führte. Sie hatte mir schließlich doch zugestimmt. Ich half ihr, das Oberkleid auszuziehen, sodass sie sich hinlegen und die Hände auf ihrem Bauch platzieren konnte.

„Es tut so weh", gab sie schließlich zu und stützte sich auf dem rechten Arm auf, ehe sie das Gesicht vor Schmerz verzog.

„Ich rufe Monsieur Larrey", versuchte ich sie zu beruhigen und merkte, wie aufgeregt ich plötzlich wurde, bevor ich einige Schritte zurücktrat, um einem Dienstboten Bescheid zu geben.

„Ganz ruhig, Majestät. Wollt Ihr meine Hand halten?", sprach ich weiter. Anstatt einer Antwort schnappte sie bloß erneut nach Luft, kniff die Augen zusammen und nickte gezwungen. Das schmerzende, ungewohnte Gefühl in ihrem Bauch mussten ihr wohl gezeigt haben, dass ich Recht gehabt hatte. Dies waren keine Vorwehen mehr.

Der Schweiß stand ihr auf der Stirn, sie atmete unregelmäßig und ihre Augen spiegelten die pure Angst wider. Höchstwahrscheinlich befürchtete sie, dass das Kind oder sie selbst es nicht schaffen könnte. Oder dass das kleine Wesen kein Junge werden würde.

„Ihr müsst positiv denken, Majestät. Ihr habt Euch doch unendlich auf Euer Kindlein gefreut", sprach ich ihr etwas überfordert zu. Ich hatte ja gut reden. Mein Mann war nicht meilenweit fort und ich stand nicht kurz vor der Geburt eines Kindes, über dessen Vater sie mir nicht sicher war.

„Ein- und ausatmen, ein- und ausatmen", beschwichtigte ich sie bemüht ruhig. „Jede Frau muss dies irgendwann einmal in ihrem Leben durchstehen. Ihr werdet es schaffen... das verspreche ich Euch."

~*~


ALIÉNOR

Auch in dieser Angelegenheit sollte Liliette recht behalten. Im Endeffekt dauerte die Geburt nicht lange an. Keine sieben Stunden später waren wir fertig. Tapfer biss ich die Zähne zusammen und atmete endlich regelmäßiger, als es soweit war. Meine Augenlider flatterten auf, als ich wie ein nasser Sack zusammensackte.

Ein helles Schreien erfüllte den miefigen Raum. Zu unserer Zeit hielt man Lüften nach einer anstrengenden Geburt noch nicht für notwendig.
Am ganzen Leibe zitternd schaute ich einer der Hebammen hinterher. Diese wickelte den Säugling vorsichtig in einige Tücher ein und begutachtete ihn. Sofort machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit. Ich wollte nicht, dass man mir mein Kind - dabei spielte es keine Rolle, ob es ein Junge oder ein Mädchen war - nahm.

„Was ist es?", krächzte ich schließlich hervor. Ich war glücklich, dass der restliche Hofstaat vor der Tür und nicht in diesem Raum verweilte, da ich mich an einigen Stellen wirklich angestellt hatte.

Die Hofdame drehte sich zu mir um. Ihr Gesichtsausdruck blieb neutral. Mein kleines Kind schrie nach wie vor ununterbrochen.
„Es ist ein Mädchen, Euer Majestät."






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Übersetzungen

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( TITEL ) Ein Dauphin?
( Dauphin ) Titel des französischen
Thronfolgers [wörtl.: Delfin]

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PRINCESS OF DAISIES  ᵗᵉⁱˡ ᵈʳᵉⁱWo Geschichten leben. Entdecke jetzt