Kapitel 7 - Flo

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Die Prothese war der Hammer. Es dauerte nicht lange, sie für ihn anzupassen und zwei Wochen, nachdem das Geld von Vince eingegangen war, konnte Flo bereits mit der Physiotherapie mit seinem nagelneuen Ersatzbein anfangen. Er hatte Vince seitdem nicht zu Gesicht bekommen, weil der anscheinend wieder seiner Arbeit als Superstar nachzugehen hatte, aber sie telefonierten oft. Und lang. Naomi war ein bisschen zu neugierig und lauschte jedes Mal super gespannt, also hatte Flo es sich angewöhnt, sich aufs Dach zurückzuziehen, wann immer er mit Vince reden wollte.

Vince erzählte ihm von Interviews und wie er angefangen hatte, die Reporter an der Nase herumzuführen, wenn es um sein Tattoo ging. Nein, er hätte noch keine Frau mit dem passenden Tattoo gefunden und er könnte sich immer noch nicht erinnern an jenem schicksalhaften Abend mit einer besonderen Dame gesprochen zu haben. Nichts davon war gelogen und genau deswegen machte es Vince so viel Spaß. 

Es war toll, mit Vince zu telefonieren, aber immer, wenn sie auflegten, vermisste Flo ihn umso mehr und ihm wurde jedes Mal wieder überdeutlich bewusst, was für unterschiedliche Leben sie führten. Vince reiste von Stadt zu Stadt, schlief in Luxushotels und hatte eine gottverdammte Managerin. Während das Highlight in Flos Leben war, laufen zu lernen. Vermutlich fühlte Vince sich ihm gegenüber jetzt auch noch verpflichtet, weil Flo das mit dem Geld zugelassen hatte. Er hätte auch gerne behauptet, das zu bereuen, aber das Bein war einfach zu gut und er freute sich wie ein kleines Kind, wann immer er es benutzen durfte. Was nicht allzu oft war und auch nicht zu lange. Sie nahmen es ihm jedes Mal nach der Physio wieder weg, um es noch perfekter einzustellen, auch wenn er darauf bestand, dass es gut war. Und dann durfte er den Stumpf noch nicht zu sehr belasten und musste sich beim Laufen immer noch festhalten, weil sein Körperschwerpunkt sich verschoben hatte und er sich daran erst gewöhnen musste. Immerhin könnte das Bein ja Schaden nehmen, wenn er umkippte und ungünstig landete. Und Flo verstand das auch alles, aber es nervte ihn trotzdem höllisch. Und irgendwie war es auch demütigend. Er konnte nicht anders, er fühlte sich immer wie ein Kind, wenn er dafür gelobt wurde, wie gut das mit dem Laufen schon klappte. Ob er es auch schneller konnte und wie sich das hinsetzen und aufs Bein abstützen anfühlte. Sie meinten es alle nur gut mit ihm und er war total zu Unrecht sauer und frustriert, aber das half eben einfach nichts. Wie sollte jemand in ihm etwas anderes sehen als einen Klotz am Bein (haha), den man mitschleppte, aber der niemals mit einem mithalten könnte, Luxusbein hin oder her? Flo würde nie ein komplett normales Leben führen. Halbwegs normal, ja, sicher, aber nie so wie jemand, der nie Krebs gehabt hatte.

Er machte sich das zwar gerne vor und tat immer so, als würde ihm das alles gar nichts ausmachen, aber das stimmte eben nicht. Es machte ihm eine Menge aus, dass er so frustriert war und das Mitleid in anderen auslöste. Wie sollten sie auch etwas anderes in ihm sehen, wenn er sich selber als nerviges Anhängsel sah? Wie sollte Vince etwas anderes sehen als den Krebspatienten, dem er so großzügig ein Bein geschenkt hatte?

Was auch immer Vince dazu brachte, weiterhin Kontakt mit Flo zu halten und ihm jeden Abend zu schreiben, selbst wenn sie nicht telefonieren konnten, Flo war zu dem Schluss gekommen, das kein bisschen zu begreifen. Er wusste nicht, was Vince antrieb und was er von Flo wollte. Alle Erklärungen schienen falsch zu sein und Naomi, die einzige Person, mit der er darüber reden konnte, war erstaunlich wenig hilfreich. 

„LIEBE!", sagte sie und zog das Wort jedes Mal etwas mehr in die Länge, wenn Flo wieder davon anfing. 

„Das ist keine Erklärung!", nörgelte er. 

„Ist es wohl, verdammte Scheiße. Er MAG dich, Flo, deswegen macht er diese ganzen Sachen für dich. Wo ist dein Problem?" 

„Er ist Vince d'Amico, das ist mein Problem", entgegnete Flo. „Er könnte Models abkriegen, denen nicht irgendein Teil fehlt, die er nicht im Krankenhaus besuchen müsste. Vermutlich hat seine Managerin eine Liste mit lauter Namen, da reicht ein Anruf und sie stehen alle im getigerten Tanga vor Vince' Schlafzimmertür." 

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