Flo wirkte den ganzen Tag ein bisschen neben der Spur, auch nachdem er aus dem Bad zurückkam und sich wieder neben Vince an den Tisch auf der Terrasse setzte. Sie tranken Wein und unterhielten sich, Alessia und Viola erzählten Geschichten über Vince, wie er als Kind war.
Flo lachte an passenden Stellen, nickte lebhaft, aber trug selber nichts bei. Vince hatte ihn noch nie so erlebt. Aber vielleicht war er wirklich einfach nervös. Auch wenn sich die Stimmung schon vor Stunden gelöst und niemand ein Problem mit Flos und Vince' Beziehung hatte.
Als es zu dunkel wurde und die Mücken begannen, um sie alle herumzuschwirren, war es Zeit, wieder reinzugehen. Vince hatte es so arrangiert, dass sie beide hier in seinem alten Zimmer schlafen konnten. Flo musste noch einmal zurück zum Auto, um seinen Rucksack zu holen und er ließ sich dabei eine Menge Zeit. Vince hatte sich schon umgezogen und bettfertig gemacht, als Flo in sein Zimmer kam.
Auf Vince wirkte Flo wortkarg und distanziert und er wollte nichts lieber, als seinen enthusiastischen, fluchenden Flo zurück.
„Geht es dir gut?", fragte Vince, als Flo sich umgezogen und seine Prothese sicher auf Vince' leerem Schreibtisch untergebracht hatte.
„Ich bin nur ein bisschen müde", meinte Flo mit einem schiefen Lächeln.
„Dann legen wir uns besser mal hin." Es war die zweite Nacht, die sie zusammen im selben Bett verbrachten, aber diesmal war es anders. Flo war wach, hatte ein bisschen zu viel Wein getrunken und Vince wusste, dass Flos Augen offen waren, als er den Kopf auf Vince' Brust legte.
„Ich mag deine Familie", sagte Flo irgendwann leise. „Keiner hat irgendwas Dummes gesagt. Über dich und schwul sein, meine ich."
Vince lächelte in die Dunkelheit und strich mit den Fingerspitzen Flos Rücken auf und ab.
„Stimmt. Ich hab wirklich Glück mit ihnen."
„Danke, dass du mich mitgenommen hast."
Da schlang Vince die Arme um Flo und drückte ihn an sich. „Natürlich hab ich dich mitgenommen, du Dummerchen. Du bist ein Teil von mir."
Flo sagte nichts, sondern kuschelte sich näher an Vince heran.
Vince' Gedanken galoppierten davon und er war sehr froh, jetzt nicht allein zu sein.
„Flo", begann er und allein den Namen auszusprechen, gab ihm ein Gefühl von Sicherheit. „Du hast mal gefragt, ob ich dir auch meine traurigen Geschichten anvertrauen könnte ..."
Er spürte, wie die Anspannung in Flos Körper zurückkehrte. „Ja?"
„Ich ... ich hätte dir vielleicht eher davon erzählen sollen. Von ihm."
Flo schob seinen Arm nach oben, damit er Vince mit der Hand durch die Haare streichen konnte. Vince atmete tief durch und sammelte sich. Es war keine einfache Sache, darüber zu sprechen, selbst mit Flo nicht. Wann immer er hier im Haus war, war immer ein Stuhl am Tisch leer, ein Glas unbenutzt und ein Zimmer verschlossen.
„Wer war er?", fragte Flo und gab sich Mühe, einfühlsam und verständnisvoll zu klingen, aber Vince verstand, welche Assoziationen seine Worte bei Flo ausgelöst haben könnten.
„Mein Bruder." Vince musste schlucken und dachte kurz, er könnte es doch nicht, selbst hier, zuhause, im Dunkeln, mit dem Menschen, dem sein Herz gehörte. Doch Flo presste seine Lippen an seinen Hals, drückte sich an ihn und gab ihm genau den Halt, den er brauchte.
„Ich war dreizehn als er starb und er war sechzehn. Es war ... ich kann nicht ansatzweise beschreiben, wie es war."
Flo streichelte ihn weiter und schwieg, ließ Vince Zeit. „Sein Name war Antonio und ich hab ihn immer bewundert. Er hat mit mir Fußball gespielt und mir manchmal vorgelesen, als ich noch kleiner war."
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First & Last
RomanceJeder Mensch wird mit einem einzigartigen Tattoo geboren. Wenn du dich in jemanden verliebst, erscheint sein Tattoo auf deinem Körper - wahre Liebe, hinterlässt immer eine Spur. Flo: Ein Junge mit nur einem Bein, dafür einem großen Herzen, der viel...