Kapitel 34 | Mission 》Fluchkinder《

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"Das ist zu auffällig." Ori musterte die dunklen Flecken im Gras. Auch wenn Nacht war, hoben sich ihre leerendurchwirkten Fußspuren deutlich ab. "So kann ich unmöglich unbemerkt durch Silbermond."
"Du musst ja auch nicht unbemerkt sein." Zaeith stand neben ihr, hinter einem der verschnörkelten Bäume Quel'Thalas' und sah gespannt mit rot funkelnden Augen zu Silbermonds gewaltigem Tor. "Wir müssen nur einstürmen. Wenn Alath das Signal gibt, kann es losgehen."
"Die Wächter sind harte Nüsse.", gab Thanduril zu bedenken und zog Katlynn näher an sich. "Ich erinnere mich, wie sie mich aus Quel'Thalas gebracht haben."
Ori nickte.
Daran erinnerte sie sich ebenfalls.
Sie hatte ihn gefunden, blaue Flecken am gesamten Körper, Wunden von Ruten und anderen Waffen.
Im Gegensatz zu manch anderen schattenverschriebenen Blutelfen war seine Vertreibung brutal gewesen.
Durch ganz Quel'Thalas 'eskortiert' zu werden, war nichts, was er je vergessen würde.
Aber sie kannte auch den Grund für diese brutale Vertreibung.
Er hatte mithilfe der Leere versucht, Zaeith zu retten.
Er war dabei erwischt worden und ohne Urteil vertrieben worden.

Ein fauchendes Kreischen schallte plötzlich zu ihnen herüber.
Zaeith sah sofort dahin.
Ein golden leuchtendes Abbild von Hakkar brüllte in die dunkle Nacht.
"Na bitte." Zaeith verschmolz mit den Schatten, doch einige Grasbüschel sagten, dass er den Abhang hinunterstürmte.
Die zwei Wachen an Silbermonds Tor fielen wenig später blutend zu Boden.
Daraufhin setzte sich ihre kleine unsichtbare Streitmacht in Bewegung.
Sie huschten durch Silbermonds Straßen, doch noch war keiner auf die dunklen Spuren der Leerenelfen aufmerksam geworden.
Verwunderlich genug, wie Ori fand.
Sie erreichten die Mördergasse unbemerkt, Zaeith stand schon neben einem Hexenmeister, der ein Portal in der Senke geöffnet hielt.
Das Portal zu den Experimentierkerkern.
"Schnell jetzt." Zaeith wartete noch auf Ori, dann sprang er durch das Portal und rannte in den Gewölben dahinter ohne Tarnung den Gang hinunter.
Bevor Ori auch nur um die Ecke laufen konnte, ertönten schon die ersten Schreie.
Sie beeilte sich, hinterher zu kommen und benutzte Schattenschritte und die Leere, um ein paar Distanzen zu überbrücken, die sie näher an ihr Ziel brachten: einen Forscher, der soeben ein mit Strom betriebenes Gerät an den Hals eines Fluchkindes hielt, einem vielleicht fünfjährigen Mädchen, das sich schreiend in seinen Armen wand.
Es reichte ein kleiner Schnitt, um ihn von dem Kind zu trennen.
Noch unkontrolliert zitternd kroch das Mädchen weg von ihnen.
Der Forscher zog einen Dolch, schien allerdings nicht zu merken, dass sich Zaeith von hinten näherte.
Erst als Ori zu grinsen begann, schien er die dunkle Präsenz zu bemerken, fuhr herum...und stieß einen Fluch aus, als Zaeith giftigen Zähne in das Fleisch an seinem Hals stachen.
Dass er sich einige Sekunden später schreiend auf dem Boden wand, lockte bei vielen Fluchkindern ein hämisches Grinsen auf ihre Lippen.
Viel Zeit, die Qual ihrer Folterer zu genießen, hatten sie allerdings nicht, denn sie wurden schnell aus ihren Zellen befreit und in Quel'Thalas' stille Nacht gescheucht.

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Als die letzten Fluchkinder von der restlichen Streitmacht begleitet die Kerker verließen, stieß Zaeith ein erleichtertes Seufzen aus und ging durch die breiten Gänge zwischen den Zellen.
Sein Blick lag abwechselnd auf beiden Seiten seines Weges, als würde er etwas unter den wenigen Leichen suchen.
Und er schien es zu finden.
Alath lag zwischen zwei Forschern, sein eigenes brodelndes Blut breitete sich um ihn aus und sein zitternder Körper war von Schuppen übersäht, um ihn vor der Hitze seines eigenen Blutes zu schützen.
"Warum sagst du seinen Namen nicht?", fragte Zaeith leise und drehte seinen Freund vorsichtig auf die Seite...und sog entsetzt die Luft ein.
Alaths Kehle zierte ein langer blutiger Strich, aus dem das Blut quoll.
"Zu Filian!" Verzweifelt wandte er sich an Ori. "Und Katlynn! Schnell!"
Ohne zu zögern beschwor Ori ein Leerenportal, durch das die beiden Elfen sprangen, Alaths Arme über ihre Schultern gelegt.
Nyanien empfing sie wieder mit dem atemberaubenden Sternenmahlstrom, zu dem der tödlich verletzte Elf aufsah.
Offenbar genoss er seine letzte Aussicht.
"Katlynn!", brüllte Zaeith in die Nacht, die Schallwellen seiner Rufs mit leuchtenden Wellen auf den Boden bemerkbar.
Alath schien über diese Welt zu staunen.
"Zaeith!" Thanduril tauchte neben ihnen auf, in seinen Armen befand sich die - hoffentlich - katzenhafte Rettung. "Was ist passiert?"
Offenbar war ihre Streitmacht längst hierher gelaufen.
"Weck Katlynn auf.", bettelte Zaeith und warf Alath einen besorgten Blick zu.
Sein Freund lächelte müde zurück, müde vom Leben, wie er wirkte.
Katlynn blinzelte verträumt, als Thandurils Rütteln Wirkung zu zeigen schien.
"Katlynn." Oris scharfe Stimme riss die Nyanierin zurück ins Diesseits. "Du musst ihn jetzt heilen."
Sie fuhr hoch. "Wie? Wen? Was?"
"Mit Heilung. Alath. Seinen Hals.", erwiderte Zaeith ungehalten und mittlerweile glühten seine Augen stärker als sie es je getan hatten.
Katlynn nickte und kniete sich vor Alath.
Das Fluchkind atmete nicht, das hatte er nicht nötig, dennoch bewegte sich sein Brustkorb auf und ab.
Zaeith hatte Ori einmal erzählt, dass Fluchkinder das meistens nicht zum Zweck, sondern zur Erinnerung taten.
Zaeith bewegte sich hingegen gerade gar nicht.
Weder atmete er, noch bewegte sich sein Brustkorb.
Er stand einfach da und beobachtete die Heilerin bei ihrem Werk.
Als sie die Heilung vollendet hatte, bat Zaeith Hakkar um eine Blutgeneration für Alath.
Somit war Zaeiths bester Freund gerettet.
Und nicht nur er, sondern endlich auch alle anderen.

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