Kapitel 56 | Der Plan

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Exekutionen hatte Ori noch nie gemocht.
Die Nordfestung zeugte jedoch deutlich von ebenjenen.
Dutzende Nyanier versuchten, den Innenhof zu säubern und die bunten Blumen dazu zu bewegen, ihren benebelnden Duft zu verbreiten, um den Gestank des Blutes zu überdecken, doch ein kurzer Blick zu Zaeith sagte ihr, dass sowohl die Blutflecken als auch der Gestank zumindest zu einem Teil für immer hier verweilen würden...es sei denn man benutzte Blutmagie für die Entfernung.

"Ich denke, vorerst können wir beruhigt sein." Mit jenen Worten trat eine Draenei zu ihnen auf die Zinnen und lehnte sich gegen die hüfthohen Steine. "Die Aura hat...abgenommen, ist aber dennoch noch vorhanden. Wir haben aber schon einen Verdacht, was das sein könnte."
"Nämlich?"
"Ein Nyanier namens Khuran. Außergewöhnlich ist er, muss man sagen." Die Draenei seufzte. "Er ist während den Exekutionen ausgebüchst und laut den Wachen unauffindbar. Ich wünschte nur, er wäre nicht außergewöhnlich, denn dann müssten wir uns keine Sorgen machen, dass er sich an irgendwelchen Beschwörungsritualen versucht."
"Er hat einen besonderen - aber auch nervigen - Hang zu mir..." Zaeith rieb sich ein wenig peinlich berührt den Nacken. "Ich könnte irgendwie einen Köder für ihn stellen."
"Das wäre wohl das beste."
"Du suchst dir einen recht abgelegenen Ort, vielleicht bei den Wölfen, und machst dir dort ein kleines Heim.", schlug Ori leise vor. "Wir können die Nyanier ab und an zu dir gehen lassen, bis Khuran neugierig wird und ebenfalls bei dir aufkreuzt."
"Wir werden ihn irgendwie überwachen müssen...", murmelte die Draenei. "Ich werde die Idee an die Kommandanten weitergeben. Habt Dank für Eure Hilfe!"
Und weg war sie.

"Wir brauchen etwas, das dich immun gegen Khurans Gift macht..." Nachdenklich tippte Ori sich an ihr Kinn.
"Wozu?" Zaeith zog die Schultern hoch. "Laut Nhim kann man machen, was man will, und noch so immun sein...Khurans Gift ist einfach stärker."
"Du willst also riskieren, dass der dich einfach abschleppt, weil du dich nicht bewegen kannst?"
"Dafür stellen sie doch Wachen auf."
"Und wenn Khuran dich als Geisel benutzt?"
"Hat er nicht viel von." Zaeith tippte auf Hakkars Zeichen an seinen Unterarmen, die schon etwas an Sichtbarkeit verloren hatten. "So lange leben weder er noch ich."
"Er auch nicht?"
"Wenn ich sterbe, hat er kein Druckmittel mehr." Zaeith grinste. "Mich als Geisel zu nehmen wäre also von keinem Vorteil."
"Wenn du meinst..." Ori seufzte. "Dann schlage ich vor, gehst du zum Wolfsrudel und ich heuer ein paar Nyanier an, ab und an zu dir zu kommen. Am besten vom Clan der Donnerfaust, schließlich bist du gut mit Nhim befreundet."
"Mach das...und sei vorsichtig, dass Khuran dich nicht erwischt." Zaeith drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und sprang dann von der hohen Mauer.
Innerhalb kürzester Zeit war er fort.

Und auch Ori machte sich eilig auf den Weg...allein schon weil sie diese blutbesudelte Festung hinter sich lassen wollte.

•▪■▪•

Katlynns Dorf war nicht wirklich unerwarteterweise von goldenem Weizen umgeben.
Ihr ganzes Dorf schien golden zu sein...ohne das Mineral tatsächlich zu verwenden.
Seufzend wurde Ori sich ihrer eigenen schwarzen Kleidung bewusst, die sie hier sehr auffallen ließ.

"Mama..." Alynas zupfte an ihren Haaren. "Alles gut."
Sie hatte recht.
Alles war gut.
Mit einem tiefen Atemzug betrat sie das Dorf und ging straks auf das größte Gebäude zu.
In diesem befand sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der Clanführer, Katlynns und Nhims Vater, wenn sie sich nicht verhört hatte.

Und sie irrte sich nicht.
Zwar sah das Gebäude von innen weit eleganter aus als von außen, beinahe wie ein pandarischer Thronsaal, doch wenigstens hatte sie die Person gefunden, die sie suchte.
Er stand mit dem Rücken zu ihr, hielt ein paar Papiere in der Hand und nuschelte etwas vor sich hin.
Ori hörte etwas wie "Katlynn auf Azeroth, Nhim irgendwo...", bevor der Nyanier die Arme in die Luft riss und die Papiere sich im Raum verteilten.
"Kann ich...eventuell behilflich sein...?", fragte Ori vorsichtig, woraufhin sich seine Katzenohren steil aufstellten und er verschreckt herumwirbelte.
"Und ich dachte, Ihr wärt eine vom Schlangenclan...", seufzte der Katzengeborene erleichtert.
"Oh keine Sorge, der Schlangenclan ist ausgelöscht...bis auf Khuran." Ori musterte den Nyanier prüfend. Er sah nicht wirklich aus wie Katlynn und Nhim... "Genau deshalb bin ich hier. Khuran hat ein gewisses Interesse an meinem Seelenverwandten, und wir wollen mit ihm eine Falle stellen. Dafür müssen wir Khuran neugierig machen. Mein Seelenverwandter war ein guter Freund von Nhim, deswegen dachten wir uns, Leute Eures Clans zu schicken wäre am glaubwürdigsten."
"Nun...", meinte der Nyanier nach einer kurzen Pause. "Khuran ist schon gefährlich. Sagt uns, wo die Falle steht und wir gehen dorthin."
"Nicht weit von unserem Dorf, bei den schwarzen Wölfen."
"Schlauer Ort..." Der Katzengeborene strich sich kurz über das rasierte Kinn. "Ich werde einige meiner Leute bald losschicken. Möge die Erdenseele mit uns sein."
Ori knickste nur kurz, dann wandte sich um und verließ das Gebäude.

Das vorher recht leere Dorf war nun voll von Katzengeborenen, die heiß über die Sache mit der Xenedar und dem Schlangenclan diskutierten.

Sie konnten nur hoffen, dass sich all dies nicht negativ auf Löens Herrschaft auswirkte.

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