Das Erste, das Ori sah, nachdem sie die kleine Baumgruppe hinter sich gelassen hatte, waren Draenei, die äußerst wachsam durch die hohen Gräser schlichen.
Von den Nyaniern keine Spur."Verzeiht...", sprach sie den nächstbesten Lichtgeschmiedeten an, der sie wohl übersehen hatte. "Warum schleicht Ihr hier so herum?"
"Bekannte Energien. Die Aura von etwas Bösem. Aber unsere alten Freunde zeigen sich nicht..." Der Draenei seufzte und zuckte dann zusammen.
Bevor Ori nur verstehen konnte, was er tat, blitzte etwas golden auf und dann wurde ihr Sichtfeld von Schwärze verschlungen.•▪■▪•
Sie erwachte ohne Zweifel in der Xenedar.
Goldenes Licht umgab sie, sie erkannte die Strukturen der Steine, die Verzierungen, das metallische Klappern der Hufen.
Doch irgendetwas fehlte...Ruckartig setzte Ori sich auf und unterdrückte einen Schmerzensschrei, als sie plötzlich Schmerz durchfuhr.
Alynas fehlte."Nur die Ruhe bewahren." Der wohlklingende Akzent der Draeneipriesterin beruhigte sie tatsächlich. "Eure Tochter ist hier."
Ori traute ihren Augen kaum.
Alynas ging.
Kaum ihr in die Arme gelaufen.
"Wie-"
"Sie ist ein erstaunlich schlaues Kind...und schnell entwickelt.", fügte die Draenei leise hinzu. "Soetwas habe ich in meinem gesamten Leben nie erlebt."
"Vielleicht erklären Euch diese Zeichen etwas?" Ori schob das dünne weiße Hemdchen, das Alynas wohl angezogen wurde, hoch und strich über Hakkars rot schimmernden Zeichen.
"Was ist das?", fragte die Draenei überrascht. "Narben?"
"Wie gesagt, Zeichen...eines Loa..."
"Loa?" Die Priesterin tippte sich nachdenklich ans Kinn. "Ich müsste irgendwo noch ein Buch mit den bisher bekannten Loa haben..."
"Macht Euch nicht die Mühe." Ori lächelte schwach. "Sie sind von Hakkar."
"Das erklärt einiges.", nickte sie nach kurzem Schweigen. "Der Vater ist wohl Senzajin?"
"In der Tat."
"Ja ja, das macht Sinn." Die Draenei lächelte sie beruhigend an. "Macht Euch keine Sorgen über die schnelle Entwicklung Eurer Tochter. Die Loa wollen oft keine zu jungen Gefäße haben, bereiten deren Körper aber auf die spätere Übernahme vor. Die Vorbereitungen sorgen für diese Entwicklungen, aber sie schaden ihr nicht und lassen sie auch nicht älter aussehen als sie sind."
"Wie beruhigend.", wisperte Ori kaum hörbar.
"Wie bitte?"
"Nichts, nichts."
Mit misstrauischem Blick wandte sich die Draenei ab. "Man wird später noch nach Euch sehen.", sagte sie, bevor sie den kleinen Raum verließ und die Tür schloss.
Eine Tür aus Gittern.•▪■▪•
Als die nächste Person zu ihr kam, hatte Alynas längst angefangen in Sätzen zu sprechen.
Leise singend kletterte das rotäugige Mädchen an den Gitterstäben hoch und Ori begann, dies langsam als unheimlich zu betiteln.
Alynas war nur ein paar Wochen alt - wenn überhaupt. Und sie sang schon.
Sie benutzte Berserker.
Hakkar hin oder her, das war alles andere als normal."Mama."
Ori sah schaudernd hoch in Alynas' rote Augen.
Diese Farbe nahm ihr gesamtes Blickfeld ein, doch so sehr sie sich bemühte, sich abzuwenden, kein einziger Muskel gehorchte ihr mehr.
Nicht einmal bei Zaeiths Berserker war das geschehen.
War er etwa...schwach geworden?
Hatte Hakkar bereits so viel von sich in Alynas transplantiert?
Oder..."Warum bist du so blass?" Alynas blinzelte und für eine Nanosekunde spürte Ori ihren Körper wieder. "Ich wollte nur sagen, dass hier ein Tunnel ist, durch den Mondlicht fällt."
"Es sind deine Augen." Die neue männliche Stimme ließ Oris Herz schneller schlagen.
"Meine?" Alynas ließ sich kopfüber von der Decke hängen, wobei das kleidähnliche Hemd hochrutschte und ihre Augen verdeckte.
Ori nutzte die Chance und sah zur Seite, zu der Person, die hinter den Gittern stand.
Zwar blass und mitgenommen, jedoch Stärke und Zuversicht ausstrahlend.
Zaeith.
"Deine." Grinsend kniff er in Alynas' Wange und kichernd zwängte sie sich durch die Stäbe hindurch zu ihrem Vater. "Du erinnerst dich also an mich?"
"Es gibt nur eine Person, die vor meinen Augen zu einem weißen Wolf wird und Mama zu einer Verrückten macht."Daraufhin verlor auch Zaeiths Gesicht an Farbe. "Sie weiß es?"
"Das wundert dich?" Ori schlang sich die Arme um den Körper, als sie zu zittern begann. "Wie alt ist sie jetzt? Ein paar Wochen? Tage? Und sie spricht schon flüssig Thalassisch!"
"Och, nicht nur.", winkte Alynas lachend ab. "Da sind auch no-"
"Deine Klugheit in Ehren, meine Kleine, aber nimm es mir nicht übel, wenn es mich verstört ein sichtlich fast neugeborenes Kind so...ausgewachsen reden zu hören..." Ori wagte einen Blick in Alynas' Augen, die wieder ihre türkise Farbe angenommen hatten.
"Dich auch, Papa?" Mit großen Augen sah das Mädchen weiter zu ihrem Vater.
"Zugegebenermaßen ist mir ein wenig unwohl dabei, aber wir werden uns daran gewöhnen." Zaeith drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und lächelte. "Es gibt einzigartige Kinder. Und du bist eben eines."
Ori beobachtete die beiden schmunzelnd, bis ihr auf einen Schlag bewusst wurde, dass sie sich noch immer in der Xenedar befanden."Familienliebe beiseite, ich habe keine Ahnung, warum sie uns hier eingesperrt haben und wie du einfach hier hereinspazieren konntest, aber es wäre recht angenehm hier wieder herauszukommen."
"Und wenn ich hereinkommen würde?" Zaeith zückte einen Dietrich und benötigte keine fünf Sekunden, um das Schloss zu knacken. "Wir wollen die Draenei ja nicht beleidigen. Wie bist du überhaupt hierhergebracht worden?"
"Ich hab wohl einen der Draenei verschreckt und dann eine hübsche Lichtklinge zu spüren bekommen...aber alles halb so wild."
"Halb so wild?" Zaeith schüttelte den Kopf, zog die Gittertür wieder hinter sich zu und drückte Ori auf den Boden. "Von wegen. Du bist eine Leerenelfe, eine Verbündete der Allianz, sie dürften dich gar nicht angreifen."
"Unfälle geschehen nun mal. Außerdem kannst du es nicht ändern." Ori zog ihr Hemd hoch, bis er die feine, gut verheilte Narbe sehen konnte. "Aber das ist jetzt nicht wichtig. Wir müssen ihnen von dem Schlangenclan erzählen."
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Leerentod
Fantasy~"Neue Gefangene?" Ori zog ihr braunes, fast schwarzes Halstuch bis über ihre Nase hoch, bevor sie sich umwandte und die fünf Blutelfen - drei von ihnen männlich, zwei weiblich - prüfend musterte. Nach einer Weile kniete sie sich vor einen Elf, dreh...