Leerentod

Kapitel 54 | Treffen mit Löen

"Die Xenedar?" Löen wanderte unruhig hin und her. "Die Armee des Lichts? Was wollen sie von unserer Welt?"
"Vielleicht wollen sie uns helfen, den Schlangenclan loszuwerden.", schlug Katlynn vor, die mit zusammengezogenen Augenbrauen einen Dolch schliff.
"Warum sollten sie das tun?" Luca sah in die Runde, während er mit einer Goldmünze spielte.
"Azshara hat die brennende Legion nach Azeroth gelockt, beispielsweise den Quell der Ewigkeit genutzt, um die Dämonen zu beschwören. Wir haben unserer Erdenseele einen Teil der Essenz geopfert, vielleicht sind die Dämonen längst unterwegs hierher.", vermutete Sakura mit ängstlich angelegten Ohren, während sie mit großen Augen Hakkar musterte, in dessen Essenz Zaeith und Alynas schwammen und noch immer dem Ritual durchzogen wurden...mit dem Unterschied, dass Zaeith nun wach war und sich zu wehren versucht hätte, hätte Hakkar ihn nicht ein wenig gelähmt und so daran gehindert.

"Unwahrscheinlich." Luca schüttelte vehement den Kopf. "Sargeras wurde von Illidan bezwungen. Ohne ihn wird die Legion nicht handeln."
"Was sollten die Lichtgeschmiedeten dann von uns wollen?"
"Beruhigt euch." Löen strich sich nachdenklich über das Kinn. "Es besteht also kein Zweifel, dass die Xenedar auf Nyanien ist, aber noch nicht gelandet ist. Tausende von Jahren haben uns und die Draenei getrennt. Vielleicht gehen sie nur sicher, dass sie nicht in einen Hinterhalt geraten und analysieren die Lage. Wenn sie sich sicher fühlen, werden sie bestimmt landen und nach alten Bekannten sehen..." Der Monarch blieb abrupt stehen. "Es sei denn..."
"Sssie haben von mir gehört.", meinte Hakkar, als Löens Blick auf ihn fiel. "Sssie denken, Sssenzajin hat mich nicht mehr unter Kontrolle. Aber wiessso sssollten die Allianzzzler nur die Lichtgessschmiedeten beauftragen?"
"Nun, sie wissen, was ein harter Kampf ist und sie haben die Legion über unzählige Welten verfolgt. Wenn du entfliehen würdest, würdest du ewig fliehen...oder aufgeben." Löen schüttelte den Kopf. "Aber wenn sie uns schon wegen dir besuchen..."
"Ich denke wir alle werden es vermeiden, einen Krieg ausbrechen zu lassen.", warf Ori ein, als der König nicht fortfuhr. "Solange Sylvanas nicht von euch erfährt solltet ihr sicher sein."
"Sylvanas?"
"Kriegshäuptling der Horde, jähzornig, macht einfach etwas, um ohne Ende Krieg zu führen. Erst neulich hat sie Teldrassil abgefackelt und Dutzend Nachtelfen getötet." Schulterzuckend sah Ori aus dem Fenster zu den rosaroten Wolken. "Sie ist die Letzte, die davon erfahren sollte. Falls sie überhaupt noch auf der Liste steht."
"Jeder Hordler würde ihr sofort Bericht erstatten!" Katlynn biss sich auf die Unterlippe. "Wie können wir denn dann noch rausgehen und Azeroth ansehen?"
"Erstens könnt ihr euch verwandeln und wir uns tarnen. Zweitens bist du doch auch unbemerkt mit Thanduril durch die Hauptstädte gegangen."
"Stimmt auch wieder."

Ori lachte leise.
Die Nyanier sahen den Blutelfen so ähnlich, dass eine Kapuze, eine Maske und ein Umhang ausreichen würden, um sie zu tarnen.
Doch waren sie weit zu neugierig und aufgeregt, um ruhig genug zu bleiben, um die kühle Aura der Blutelfen nachzuahmen.
Mit der Zeit würde sich das sicherlich legen, bis dahin konnte es aber auch schon zu spät sein...

Rotes Licht lockte die Blicke aller in Richtung Hakkar.
Doch statt dem Loa saß dort ein bleicher Zaeith, der mit stark zitternden Händen Alynas in den Armen hielt.
Mit einem schwachen Lächeln setzte sie sich zu ihm, legte Alynas auf ihren Schoß und griff vorsichtig nach Zaeiths Händen.
Er erwiderte das Lächeln, sah mitleidig auf Alynas und drückte Oris Hände etwas fester. "Das letzte, das ich wollte, war, dass irgendwer wieder wegen mir leiden muss...", murmelte er kaum hörbar.
"Sie ist klug, Zaeith. Sie wird Hakkar schon zu bändigen wissen."
"Und darunter leiden?" Er schnaubte verächtlich. "Sie wäre in der Lage gewesen, unsterblich zu sein. Jetzt muss man nur Hakkar aus ihr extrahieren und sie würde sofort sterben."

Zaeith warf ihr einen kurzen Blick zu, dann schloss er die Augen. "Sag nichts. Kommentiere es nicht. Du weißt, dass es wahr ist."
"Du lebst auch noch...", murmelte Ori und streichelte Alynas' weiche Wange.
"Nicht mehr lange." Aufgrund seiner geschlossenen Augen übersah er ihren entgeisterten Gesichtsausdruck. "Sobald Hakkar seine Zeichen auf einem anderen Körper setzt, zieht dieser seine Seele langsam aus dem ursprünglichen Gefäß in das neue. Das alte stirbt dabei. Spürt die Schmerzen, bis die Seele vollkommen das neue Gefäß besetzt."
"Also spürst du Schmerzen, bis du stirbst..." Ori schluckte schwer und musterte Hakkars Male auf Alynas' Rücken.  "Filian weiß bestimmt, wie man sie unspürbar macht."
"Darauf würde ich nicht wetten.", winkte Zaeith schwach ab und verkrampfte sich, als sich ein wenig roter Nebel von seinen Handgelenken löste und zu Alynas' Rücken schwebte. "Es ist wie es ist. Konzentriere dich lieber auf die Xenedar. Ein Körperwechsel ist weniger gefährlich als eine Armee."

Ori schluckte schwer, dann gab sie ihm kurz einen Kuss auf die Wange und stand auf, Alynas auf den Armen.
Sie sah kurz zu Löen und ignorierte schwerlich das Mitleid in seinen Augen. "Ich werde versuchen, mit den Lichtgeschmiedeten zu reden. Mit ein bisschen Glück finde ich heraus, was sie wollen."
"Tu das." Löen nickte bedächtig. "Und erstatte bestenfalls auch Bericht über den Schlangenclan. Vielleicht helfen sie uns, herauszufinden, ob Überbleibsel der Legion oder andere Übel von ihnen beschworen wurden."

Mit einem kurzen Knicks beendete Ori die Konversation, öffnete ein Leerenportal und ging hindurch.
Doch die Szenerie kam ihr längst nicht mehr so friedlich vor wie damals.