Kapitel 36 | Ein Alpha

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"Ich bin sicher, wir werden diese schwarzen Wölfe streicheln können!", wetteiferte Ori und erntete sofortiges Kopfgeschüttel von Alath.
"Es sind Wildtiere."
"Und?"
"Außerdem Raubtiere."
"Und?"
"Bestenfalls..." Alath blieb stehen, als sich die Köpfe des gesamten Rudels ihnen zuwandten und ihnen fast zwanzig rot glühende Augenpaare entgegenstarrten. "...aggressive."
"Bleibt hinter mir." Zaeith machte eine kurze Geste. "Alath, pass auf Ori und Alynas auf."

Alath nickte, trat zu ihr, eine Hand schon bereit auf ihrem Arm abgelegt, während das Rudel sich ihnen unbeirrt näherte.
Die schlanken schwarzen Körper schoben sich durch die hohen Gräser, jedoch gingen sie alle Richtung Zaeith.
Als der erste nah genug war, um Einzelheiten zu erkennen, erstarrte Zaeith und Alath sog scharf die Luft ein.

"Das kann nicht sein...", wisperte er ungläubig und machte Anstalten, zu Zaeith zu gehen, doch Ori hielt ihn zurück.
"Was kann nicht sein?"
"Diese Tiere...genau so eines wurde in Zaeith implantiert!" Alath spannte sich merklich an. "Nicht nur das, er wurde verflucht. Man sagte ihm, sollte er jemals mit diesen Wesen in Berührung kommen, würde der Fluch aktiviert werden und Zaeith vollends zum Tier mutieren..."
"Dann lauf doch, verdammt!" Die aufkeimenden Tränen unterdrückend drückte sie Alath Alynas in die Arme, stürmte nach vorn und wollte Zaeith am Arm packen und hinter sich herziehen, als eines der Tiere mit einem Ruck lossprintete und den Elfen vor ihr erreichte.

Es rieb lediglich seinen Kopf an Zaeiths Bein, der jedoch laut aufschrie und auf die Knie fiel.
Pechschwarzes Fell breitete sich über seinem Körper aus, seine Elfenohren schrumpften und wurden zu Wolfsohren, sein Rücken verkrümmte sich und ein weiterer Schrei verließ seinen Mund.
Sowohl die Wölfe als auch Ori wichen alarmiert zurück und beobachteten deutlich geschockt, wie Zaeith langsam zu einem von ihnen wurde...mit dem Unterschied, dass sein Fell nach und nach an Farbe verlor, bis ein schneeweißer Wolf vor ihnen stand.

Für Ori war die Welt nur noch verschwommen, ein Fleck aus vielen Farben, irgendwo dazwischen weiß, dann verblasste alles und wurde schwarz.

•▪■▪•

"Alles in Ordnung. Sie ist nicht verletzt. Nur unter Schock.", hörte sie eine ihr unbekannte Stimme sagen.
Benommen öffnete sie ihre Augen und bemerkte, dass sie im Palast Löens war, den sie nun schön öfter ein wenig weiter hinter der Festung gesehen hatte.

Die Flüsse, so hatte sie festgestellt, endeten immer in der Nähe einer Festung, von denen es pro Himmelsrichtung eine gab.
Ihr Fluss endete bei der Ostfestung, bei der sich nach wie vor in einer Baumgruppe versteckt das Portal nach Azeroth befand.

Ihre Sicht verschwamm wieder und wurde klar, dann erkannte Ori den gewaltigen Kronleuchter, der nur in König Löens Thronsaal zu finden war.

"Bestens. Ihr dürft Euch zurückziehen, Kathja." Das Rascheln samtigen Stoffes und das dumpfe Geräusch von Schritten ertönte und wenig später sah Ori das löwenartig angehauchte Gesicht und das königsblaue Gewand, in das der Monarch gekleidet war. "Wie fühlt Ihr Euch, Ori?"
"Ich...ähm..." Nervös und auch ängstlich ließ sie sich von Alath auf die Füße helfen und sah um sich. "Was ist mit Zaeith?"
Löen warf ihr einen mitleidigen Blick zu und trat zur Seite.
Hinter ihm lag eingerollt der nachtsäblergroße weiße Wolf, der zögerlich ihren Blick erwiderte, als fürchte er, sie würde erneut ihr Bewusstsein verlieren.

Eine Weile schwieg jeder und sie starrten nur hin und her.
Ja, es schmerzte wie verrückt.
Zaeith war nicht mehr, wer er war, und das würde sich nie wieder ändern.
Er war mutiert, verflucht.
Für ihn gab es keine Erlösung mehr...

"A...Also hat sich wohl nichts geändert...", murmelte sie mit erstickter Stimme und streckte eine Hand aus, unterstützt mit einem auffordernden Blick.
Zaeith setzte sich in Bewegung und schmiegte seine zottelige Stirn an ihre Handfläche.
Die altbekannte Hitze umfing sie und schien sie trösten zu wollen, doch von dem Effekt trat herzlich wenig auf.
"Ach ja, Alath...", wandte sie sich an ihn und entdeckte auch Alynas auf seinen Armen. "Warum genau sind wir hier?"
"Wenn das Tier von Zaeiths Mutation in Silbermonds Kerkern war, müssen die ja wissen, dass diese Welt existiert, dachte ich mir."
"Dann müssen wir wohl Spione nach Silbermond schicken..."
Zaeith schüttelte vehement den Kopf.
Alath stimmte ihm zu. "Wir haben alle Forscher umgebracht. Aus denen kriegen wir keine Informationen mehr."
"Da wär ich mir nicht so sicher. Wir benötigen jedoch die Leichen und das dringend. Wenn wir die haben können wir zu Illidari Allari gehen, sie ist nicht nur auf Dämonenseelen spezialisiert." Schulterzuckend wandte sie ihren Blick wieder Zaeith zu. "Willst du mit?"
Der Wolf nickte.
"Also gut. Entschuldigt, Majestät...", richtete sie sich an den eher besorgten König, dessen gold-grüne Augen auf ihr lagen. "Dürfte ich wohl noch in die Waffenkammer der Ostfestung? Eine meiner persönlichen Waffen befindet sich dort, vermute ich."
"Nur zu. Im Namen der Erdenseele, ich hoffe, Ihr werdet Erfolg haben.", nickte der löwenartige König und schritt zurück zu seinem Thron.
"Danke vielmals." Ori verbeugte sich kurz und wandte sich dann auf dem Absatz um.
Schritte und weiche Tappser sagten ihr, dass Alath und Zaeith ihr folgten.

Sie würde garantiert nicht zulassen, dass Zaeiths Mutation ihr Leben zerstörte.
Nein, sie würde ihn rächen, und wenn sie dafür ganz Quel'Thalas auslöschen und den Sonnenbrunnen verseuchen musste!
Bestenfalls kam Zaeith doch noch zurück...
Bestenfalls würde Thanduril herausfinden können, wie man das eventuell rückgängig machen könnte.
Schließlich hatte er Silbermonds Forschungsnotizen...

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