Außer 8

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Ich renne vor dir weg und laufe dir gleichzeitig hinterher, was so ganz anders als alles ist, was wir früher einmal waren.

Damals liefen wir Seite an Seite, haben auf uns Acht gegeben, ich auf dich und du auf mich
und doch haben wir gleichzeitig außer Acht gelassen, auf unser Uns aufzupassen.

Wir sind zwei Individuen, beide gleich,
gleich viel wert, du und ich und
ich und du.

Doch wieso konnten wir das nicht sehen?

Wir müssen nicht zusammen eins sein, wir sind doch alle bereits eins
- ein Ich und ein Du.
Und eins plus eins ergibt zwei, das lernen wir schon von klein auf.

Wir hätten nicht anstreben sollen, eins zu werden, sondern unsere eigene Eins akzeptieren und zusammen eine Zwei werden sollen.
Denn die Zwei besteht aus zwei Einsen, zwei Einzelteilen, zwei Individuen -
wie du und ich und ich und du.

Somit haben wir nicht nur unser Uns außer Acht gelassen, sondern uns selbst gleich dazu;
ich habe mich und du dich nicht mehr gesehen, wir haben nur noch uns gesucht und uns dabei so weit voneinander entfernt, bis
aufeinander Acht geben
nur noch aus Einzelleben bestand.

Bis wir voreinander weg- anstatt nebeneinander her gelaufen sind, bis wir so anders waren, als wir früher waren, und bis es gar kein Wir mehr gab, bis es kein Uns mehr gab, auf das wir hätten aufpassen können.

Und wieso?

Weil wir uns selbst nicht mehr beachtet haben, du nicht mehr auf dich geachtet hast und ich nicht mehr auf mich, da jegliche Achtung für den anderen bestimmt war, sodass sich unsere eigene Selbstachtung immer mehr in Luft auflöste.

Genau wie wir uns aufgelöst haben, wie du und ich und ich und du.
Genau wie unser Uns, das überhaupt nicht mehr Beachtung gebraucht hätte, im Gegenteil. Wir hätten mehr Beachtung gebraucht.
Du und ich und ich und du.

Aber weißt du, jetzt habe ich das verstanden. Ich hab's gecheckt, hab' eins und drei und vier zusammengezählt und die Achtung wiedergefunden.

Die Achtung vor mir selbst, die Achtung vor dir und vor dem, was ich für dich fühle. Ich renne nicht mehr vor dir weg, ich laufe dir ein letztes Mal hinterher.

Ganz langsam, damit du genug Zeit hast, mich zu beachten, dein Herz achtsam zu fragen, was es möchte, und dann eine einhundertachtzig Grad Drehung zu machen und zu warten, bis ich dir gegenüber stehe und wir uns in die Augen blicken.

Wir rennen nicht mehr weg, laufen einander nicht hinterher. Wir gehen nicht nebeneinander, nicht im Zickzack und auch nicht im Kreis.

Wir stehen einfach nur da und sehen uns an, während ein Schmetterling auf deiner Schulter landet und eine ganze Horde von ihnen in meinem Bauch Achterbahn fährt. Und ich schenke ihnen Beachtung, genau wie dir und mir. Weil das Liebe ist.

Gemeinsam zu zweit auf einer Stelle zu stehen, sich nicht vom Fleck zu rühren und die Welt ineinander zu sehen. Nicht auf ein Uns Acht zu geben, sondern zusammen Achterbahn zu fahren, während Schlachten nur ab und zu geführt werden.

Und wenn in anderen Fällen zwei eins ergeben, ist das genauso okay, weil Liebe keine Definition hat, keine Grenzen kennt, sich an keine Gesetze hält. Liebe sprengt jeden Rahmen und veranstaltet ein Feuerwerk an Gefühlen, bis wir so benebelt sind, dass wir nicht mehr klar denken können.

Also scheiß' auf Einsen und Zweien und Sechsen und Achten und auf Mathe generell, das ist sowieso nicht essentiell.

Die Liebe, das ist alles, was zählt. Und
du und ich und ich und du,
wie wir hier stehen und nach einer Weile gemeinsam durch Pfützen in unser neues Leben hüpfen, Hand in Hand.

Kein Gerenne und kein Laufen, vom Sport hab' ich genug. Von Zahlen auch und dem ganzen Gerede sowieso, wer blickt da schon durch.

Küssen ist eh viel schöner.

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