Ein kurzes weiteres Geräusch erklang und danach war alles still im Fahrstuhl. Ich konnte hören, wie alle Menschen laut ein - und ausatmeten. Aus unerklärlichen Gründen fühlte ich mich wie ausgelaugt und die Gänsehaut blieb erhalten.
Keine Sekunde später flackerte das Licht auf und ich musste heftig blinzeln, weil meine Augen den plötzlichen Wechsel nicht geahnt hatten. Ein Schrei fiel und alle Alarmglocken stellten sich auf die höchste Stufe.
Ich zitterte.
Verlor das Gefühl in den Beinen.
„Oh mein Gott", keuchte ich auf und ließ ein Wimmern aus meinem Mund fallen.
Niemand verlor ein Wort und betrachtete erschrocken das Bild.
„Nein ..", keuchte die blonde Frau auf und führte die Hand zum Mund. Plötzlich wurde jeder wieder zum Leben erweckt und es wurde in einem durcheinander geredet.
„Was zum Teufel ist das?", brüllte die männliche Stimme durch die Lautsprecher und es wurde sofort ganz still.
„Wer von euch steckt hinter dieser Sache?" Die Worte des gesichtslosen Mannes sickerten eins nach dem anderen in mich hinein und mir wurde bewusst, dass es kein Scherz war.
Das, dass was ich sah, der Realität entsprach. Aber wer? Wer von den Fünf hätte einen Fremden Menschen in einem Fahrstuhl auf eine brutale Weise getötet?
Meine Augen glitten über die Wand des Fahrstuhles und ich sah die sämtlichen Blutspuren. Aus Reflex griff ich nach Liam und ließ zu, dass meine Augen auf den Fahrstuhlboden wanderten.
Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn, während ich den toten Mann betrachtete, der vor mir auf dem Boden lag. Seine Augen waren weit aufgerissen und das Einzige, was sich darin spiegelte, war die Angst vor dem Tod.
Ich wollte wegsehen. Die Augen schließen. Doch der Gedanke, dass wir noch immer hier drinsteckten, machte mir klar, das wegsehen nicht viel brachte.
Eine Gänsehaut lief mir über den Rücken, als das Licht erneut zu flackern begann. Mein ganzer Körper zitterte und augenblicklich spürte ich Liams Arm um meine Taille.
,,Ich will hier raus", brachte ich keuchend heraus, während eine einsame Träne über meine Wange kullerte, die Liam mit dem Daumen sofort wegwischte und mich an sich drückte.
Das Licht hörte auf zu flackern, was bedeutete, dass wir noch etwas Zeit hatten, um uns zu überlegen, wie wir am besten hier rauskommen konnten.
,,Bitte sagt mir, dass das ein Scherz ist", keuchte die Frau mit der dunklen Haut auf und presste sich in die Ecke des Aufzuges.
,,Ein Scherz? Glaubst du, dass jemand ihn einfach so umbringt?", erwiderte der Mann mit der Brille und deutete auf den toten Mann, der in seinem eigenen Blut schwamm.
,,Ich will, dass ihr alle auf Abstand geht, bis wir wissen, wer hinter dieser ganzen Sache steckt", dröhnte es durch die Lautsprecher und ich drückte mich enger an Liam.
,,Wir werden einen Weg hier raus finden, Liebling", flüsterte er und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
,,Ich habe Angst", gab ich zurück und klammerte mich an sein T-Shirt.
,,Ich auch." Liams Lippen wanderten zu meinen Lippen und er hauchte mir einen sanften Kuss. Es war kein Kuss des Verlangens. Es war ein Kuss des Versprechens. Er wollte mir zeigen, dass er für mich da war und es auch immer sein würde.
,,Ich liebe dich", flüsterte ich und lehnte den Kopf an seine Schulter.
Ich hatte mir oft ausgemalt, wie ich sterben würde. In einem hohen Alter, nachdem ich ein schönes glückliches Leben hinter mir hatte. Ich hatte mir überlegt, wie ich mit einem letzten Atemzug die Welt hinter mir lassen würde.
Die Menschen die ich liebe.
Meinen Mann. Meine Kinder. Meine Enkelkinder.
Ich würde mich von ihnen forttreiben lassen, wenn meine Zeit reif war - wenn die Knospen sich langsam öffneten und die Sonne seine ersten Strahlen über den Horizont strich. Ich wollte mit Liebe sterben.
Doch meine ganzen Gedanken an einen friedlichen Tod, wurden schlagartig mit einem schwarzen Stift durchstrichen. Mein Leben war nun mit sechs weiteren zwischen diesen vier Wänden. Einer davon mein Freund und der andere eine tickende Zeitbombe, der jeden Moment explodieren könnte.
Ein Mörder.
Plötzlich flackerte das Licht des Aufzuges und das blonde zerbrechlich wirkende Frau keuchte mit Tränen in den Augen laut auf.
,,Elsie, ich bin hier." Liam nahm meine Hand in die seine und presste es an seine Brust.
Das leichte Flackern wurde immer stärker, während ich mich mit voller Kraft an Liam klammerte und die Augen im Fahrstuhl herumwandern ließ. Als das Licht keine Sekunde später komplett ausging und wir in das Dunkle eingetaucht waren, konnte ich das Rauschen meines Blutes spüren und das Pumpen meines Herzens hören.
Mein Atem ging laut, während ich versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen.
Es war still. Zu still.
Als ich den Mund öffnete, um zu erkundigen, wie es Liam ging, spürte ich plötzlich Krallen auf meinem Oberarm. Krallen, die sich tief in meine Haut bohrten.
Und das letzte was ich hörte, bevor meine Beine nachgaben, war das laute Kreischen, das mir aus der Kehle fiel.

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Elevator
FanfictionAcht Menschen gefangen in einem Fahrstuhl. Einer davon ist nicht der, der er zu sein scheint. © harrystic, 2014