Mein Körper begann zu zittern und ich streckte die Hände aus, um mich an Liam festzuklammern.
„Liam", schrie ich ängstlich und mein Herz begann schneller zu schlagen, als meine Hände Jemanden zu fassen bekamen.
Ein lauter Schrei war zu hören und mit einem Ruck riss sich dieser Jemand aus meinen Händen. Blind trat ich einen Schritt nach hinten und trat auf etwas, dass wegen meines Trittes laut knackste. Und kaum hörte ich das Knacksen, schon verlor ich das Gleichgewicht und fiel rückwärts auf einen Körper.
Mein Atem ging schwer und mein Rücken schmerzte wegen des Aufpralls. Tränen kullerten über meine Augenwinkel und machten deren Weg hinunter zu meinem Nacken.
„Liam", keuchte ich und traute mich vor Angst nicht zu bewegen.
„Hilft mir." Ich hörte das Weinen einer Frau und das laute Atmen der Männer. Doch sonst sagte niemand ein Wort.
„Liam", schrie ich diesmal etwas lauter und versuchte mich aufzurichten. Doch ohne Erfolg.
Das Licht begann zu flackern und ich konnte die Erleichterung nicht in Worte setzen. Nach ein paar Versuchen ging sie vollständig an und ich blickte direkt auf die kleine Lücke, von der aus man hinauf klettern konnte.
„Scheiße!", schrie plötzlich Ansel und ich streckte die Hand in die Höhe, als ein beängstigter Liam neben mir auftauchte. Mit einem schnellen Ruck zog er mich auf die Beine und legte die Arme um meinen Körper, um mich fest an sich gedrückt zu halten. Mein Gesicht pickte an seine Brust und ich ließ die Augen zu flattern.
„Hast du dich verletzt?", fragte Liam und ich hörte, wie jeder in einem durcheinander redete.
„Mein Rücken", keuchte ich leicht hervor und rang nach Luft, weil es mir das Atmen erschwerte.
Nach ein paar Minuten drehte ich mich in Liams Armen um und als ich das Bild vor mir sah, wünschte ich, dass ich mich hätte nie umgedreht.
Nun lag nicht nur der Mann auf dem Boden, der in seinem eigenen Blut schwamm. Die schwarzhäutige Frau lag auf ihm und ihre Augen waren nach hinten gedreht.
Mein Magen verdrehte sich und ich wusste sofort, dass ich noch vor ein paar Sekunden auf ihrem Körper gelegen war.
Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding und ich war froh darüber, dass mich Liam in den Armen hielt. Die blonde Frau saß immer noch auf dem Boden und hatte sich ganz klein gemacht, während sie stumm heulte. Der Brillenträger saß zitternd auf seinem Koffer, während der sportliche und Ansel mit nichtssagenden Blicken auf die beiden Körper starrten.
„Ich will hier raus!" Ich zuckte zusammen, als sich der Brillenträger erhob und auf die Klingel zulief. Sein Gesicht hatte die Farbe einer Leiche angenommen und er tätigte mehrmals das Symbol der Zentrale.
„Verdammte scheiße. Holt uns hier raus oder ich verliere die Nerven!" Mit der Faust schlug der Brillenträger gegen die Fahrstuhlwand, doch kein Ton war durch den Lautsprecher zu hören.
Nach ein paar harten Schlägen gab er auf und sackte mit einem Lauten keuchen in sich zusammen. Meine Augen weiteten sich, als ich den Typen beobachtete, der laut zum Schluchzen begann und sich hin und her wiegte.
„Hört ihr das?", fragte plötzlich die blonde Frau und hob die Augen in die Höhe. Ihre blauen Augen spiegelten die Angst und sie erhob sich langsam.
Der Brillenträger presste die Lippen aufeinander, um keinen Laut von sich zu geben und wir begannen alle zu lauschen.
Zuerst konnten meine Ohren nichts wahrnehmen, doch als ich meinen heftigen Atem anhielt, konnte ich etwas hören. In der Ferne über uns erklangen gedämpfte Schläge. So, als würde jemand gegen die Wand schlagen. Und je länger wir lauschten, desto lauter wurde es.
„Ich glaube sie wollen die Wand einschlagen!" Hoffnung bildete sich in uns auf, als Liam die Worte laut aussprach und mich fester gegen sich drückte.
Während wir stumm vor uns hinstarrten und dem Geräusch lauschten, stellte ich mir vor, was wäre, wenn ich die Nächste wäre, die in die Hände des Mörders fiel. Ich würde sterben. Die Augen schließen und nie wieder aufwachen. Ich würde Liam für immer verlassen. Ihn nie wieder berühren können. Meine große Liebe aufgeben. Ich würde gehen und mich nicht mal von Liam oder meinen Verwandten verabschieden können.
Ich drehte mich in Liams Armen um, sodass ich seine Brust anstarrte und hob den Kopf an.
„Liam", begann ich und starrte ihm tief in die Augen.
„Elsie?", fragte er besorgt zurück und lockerte seinen Griff um meinen Körper.
„Wenn .." Ich atmete tief ein. "Wenn ich es nicht rausschaffe-"
„Nein", unterbrach er mich sofort und schüttelte mit dem Kopf. „Wir kommen hier raus. Du und ich. Wir beide." Seine Arme ließen mich los und er wanderte mit den Händen zu meinem Gesicht.
„Liam", sagte ich erneut und schüttelte mit dem Kopf. „Bitte hör mir zu." Tränen bildeten sich in Liams Augen und es war kurz davor, dass ich Liam das erste Mal weinen sehen würde.
„Wenn ich es nicht rausschaffe", wiederholte ich ein zweites Mal und legte den Finger auf seine Lippen, damit er mich nicht ein weiteres Mal unterbrechen konnte.
„Dann sollst du wissen, dass ich dich liebe und es bis zu meinem letzten Atemzug tun werde. Du warst das Beste, was mir je passiert ist und ich danke dir, dass du mir die schönsten Momente im Leben geschenkt hast. Danke dafür, dass du mir ein Grund dafür gegeben hast, mit einem Lächeln aufzustehen und den Tag willkommen zu heißen. Danke, dass du mich liebst und -" Tränen kullerten über meine Wangen und meine Hände begannen zu zittern, die schlapp neben meinem Körper hingen.
„Elsie." Einzelne Tränen lösten sich von Liams Augen und machten deren Weg über seine Wangen.
„Ich will nicht sterben. Ich will dich nicht verlieren." Ich schlang die Arme um Liam und legte den Kopf an seine Brust.
„Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas zustößt, Elsie", erwiderte Liam und legte die Arme um meinen Körper. Eng umschlungen standen wir da und ich begann seinem unregelmäßigen Herzschlag zu lauschen, der mich auf eine komische Art beruhigte.
„Ich liebe dich", flüsterte ich und lächelte leicht.
„Ich liebe dich", flüsterte Liam zurück und ich spürte, wie er seine Lippen auf meinen Kopf legte und mir einen Kuss gab.
„Es wird lauter", gab Ansel Bescheid und ich rührte mich nicht vom Fleck. Je näher ich an Liam stand, desto länger konnte ich meine Zeit mit ihm verbringen.
Doch plötzlich spürte ich ein Ziehen unter meinen Füßen und der ganze Fahrstuhl begann zu wackeln. Als würde er jeden Moment in das tiefe Loch unter uns stürzen.

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Elevator
FanfictionAcht Menschen gefangen in einem Fahrstuhl. Einer davon ist nicht der, der er zu sein scheint. © harrystic, 2014