7. Kapitel

8.5K 847 192
                                    

Mein Brustkorb hob sich auf und ab und das Gefühl, dass gleich etwas sehr Schreckliches passieren würde, schnürte mir die Kehle zu.

„Wir müssen hier raus!" Ansel packte sich an den Haaren und schnaufte laut. Seine Augen waren weit aufgerissen und die Adern an seinen Armen kamen zum Vorschein.

„Ich glaube er wird verrückt", flüsterte ich und wich nicht von Liams Seite.

„Wie willst du das anstellen? Wir stecken hier fest." Der Sportliche legte seine Hand auf die Wand und klopfte, was ein hohles Geräusch von sich gab.

„Wenn wir stürzen, sind wir alle tot."

Plötzlich sah ich lauter dunkle Flecken vor meinen Augen und probierte mich von der Dunkelheit zu befreien. Doch mit jeder weiteren Sekunde wurden die Flecken immer mehr und die Kraft an meinen Beinen verließ mich.

„Elsie?" Liam packte mich sofort an den Taillen und drückte mich an sich, während mein Kopf mir in den Nacken fiel.

„Beweg dich nicht, sonst wirst du ohnmächtig. Atme tief ein und aus." Ich gehorchte ihm sofort und versuchte mit geschlossenen Augen mich von der Dunkelheit zu entziehen.

Nach einer Weile konnte ich wieder ruhig atmen und Liam half mir langsam, mich aufzurichten.

„Ich muss etwas trinken", gab ich Bescheid und ließ mich zu Boden gleiten, um die Flasche, die in meiner Tasche lag herauszuholen. Zu unserem Glück, wenn man hier noch von Glück sprechen kann, wackelte der Fahrstuhl nicht mehr und ließ uns in Ruhe.

„Wir müssen hier raus", begann Ansel erneut und meine Vermutungen, dass er verrückt wurde, wurden immer stärker bestätigt.

„Entweder sterben wir wegen dem Mörder oder uns geht die Luft zum Atmen aus."

„Hast du eine Idee?" Der Brillenträger schob die Brille enger an seine Nase und durchlöcherte mit seinen Blicken Ansels Körper.

„Nein." Er lehnte sich an die Wand und legte den Kopf nach hinten.

„Ich muss aufs Klo", flüsterte die blonde Frau und ich sah, wie sich Tränen den Weg über ihre Wangen bannten. Sie sah so ängstlich aus. Und zerbrechlich. Wie eine Puppe, die man zum Leben erweckt hatte.

„Ein weiterer Grund, wieso wir hier raus müssen", knurrte Ansel hilflos.

„Wenn ich nur wüsste, wer der Mörder ist. Wenn ich es nur wüsste", murmelte der Sportliche und ließ seine Augen auf dem Brillenträger ruhen.

„Vergewaltige mich nicht mit den Augen", gab der andere genervt zurück.

„Du bist echt ekelhaft."

„Ich bin ekelhaft? Ich will hier in Ruhe um mich trauern, aber du hörst mit deinen Spielchen nicht auf!"

„Ich bin jetzt der Schuldige?" Der Sportliche riss den Mund weit auf und deutete mich dem Zeigefinger auf seine Brust.

„Wer sonst?", fauchte der anderer und verschränkte die Arme vor der Brust.

Sofort breitete sich eine erneute Streitwelle aus und die beiden Männer warfen sich gegenseitig irgendwelche Schimpfwörter an den Kopf.

„Hört auf, bitte." Die blonde Frau begann zu schluchzen, doch die anderen zwei waren so tief in ihrer Streiterei gefesselt, dass sie die junge Frau überhörten.

„Hört auf!", schrie sie erneut und erschrocken wandte jeder den Kopf zu ihr. Der Brillenträger deutete mit dem Finger auf den Sportlichen, senkte langsam die Hand herunter und schloss den Mund.

„Bitte, hört auf. Ich habe Angst." Tränen schossen aus ihren Augen und kullerten hinunter, während diese nasse Spuren hinterließen. Der Raum füllte sich augenblicklich mit dem Geheule der Frau und ich spürte, wie sich mir der Magen verdrehte. Man konnte klar und deutlich an ihrem Körper ablesen, dass sie Angst hatte.

Ich entzog mich langsam von Liam, flüsterte ihm zu, dass ich gleich wieder zurückkehren würde und ging in einem großen Bogen um die zwei toten Körper, dessen Blut sich vermischt und getrocknet hatte. Der Anblick gab mir erneut einen Brechreiz, doch ich biss mir fest auf die Unterlippe.

„Hey." Ich ließ mich langsam neben der Frau zu Boden gleiten und legte vorsichtig meine Hand auf ihr Knie.

„Wir werden einen Weg finden, um hier raus zu kommen, ja?", flüsterte ich ihr beruhigend zu, obwohl ein großer Teil von mir gar nicht an das Glaubte, was ich sagte.

Die Frau nickte kaum erkennbar und legte mir ängstlich die Arme um die Taille, um ihr Gesicht anschließend in meinem Nacken zu verbergen.

Sie zitterte. Wie ein kleiner Vogel, das aus seinem Nest gefallen war und versuchte sich vor hungrigen Katzen zu verstecken.

„Wie heißt du?", fragte ich, um sie und mich selbst abzulenken. Meine Hand strich ihr über das Haar, während meine Augen auf Liam fixiert waren, der verzweifelt zurückblickte.

„Teresa", schniefte sie. „Und du?"

„Elsie. Und wie alt bist du?"

„Achtzehn" Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Sie war noch viel zu jung, um hier in diesem Fahrstuhl zu sterben. Klar, ich war nicht viel älter, doch ich hatte die Jahre hinter mir, als ich auf Partys ging, mich betrank und bis in den Tag durchfeierte. Doch Teresa würde diese Tage höchstwahrscheinlich nicht erleben können.

„Wir kommen hier raus, Teresa", sagte ich. „Ich verspreche es dir."

Als hätten meine Wörter Wunder bewirkt, hörte sie auf zu schluchzen und ließ weiterhin zu, dass ich ihr durch das Haar fuhr und sie beruhigte. In diesem Moment kam ich mir vor wie eine Mutter, die ihr Kind beruhigte, dessen Herz von einem Jungen gebrochen worden war. Und die Vorstellung daran erwärmte mein Herz. Ich hatte mir schon immer eine kleine Tochter gewünscht. Ein Mädchen aus meinem und Liams Blut. Ich hatte mir schon immer ausgemalt, wie ich ihr die Haare kämen und ihr gute Nacht Geschichten vorlesen würde. Doch die Frage, ob ich und Liam es hier raus schaffen würden, war die eigentliche Frage.

„Was machst du da?", fragte der Sportliche laut und riss mich aus meinen Gedanken. Meine Augen schossen zu Ansel der nun neben den zwei Körpern stand und mit den Händen versuchte die rechteckige Platte auf der Decke nach oben zu drücken.

„Wenn wir diese Lücke aufbekommen, können wir nach oben klettern. Es muss irgendwo einen Sicherheitsausgang geben." Ansels Wörter prägten sich eins nach dem anderen in mein Gehirn ein und ich wusste, dass er Recht hatte.

„Wir werden hier raus kommen", flüsterte ich aufgeregt Teresa zu.

Doch das Schicksal war ein sehr mieser Verräter. Kaum hatte ich meinen Satz beendet, schon ging das Licht aus.

ElevatorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt