9. Kapitel

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„Liam?", mein Herz raste wie verrückt, als ich mich mühsam aufrappelte und auf allen Vieren zu ihm kroch.

„Liam!" Tränen kullerten über meine Wangen, als ich sein Kopf in meine Hände nahm und auf meinen Schoß legte. Mit zitternden Händen legte ich meinen Daumen an seinen Hals, um nachzusehen, ob er noch lebte.

„Sein Puls ist schwach." Meine Augen weiteten sich vor Schreck. Er lebte. Noch.

Langsam legte ich seinen Kopf wieder zurück auf den Boden, sprang langsam auf die Beine und steuerte auf die Tasten zu, von der aus die Zentrale uns kontaktiert hatte.

„Hört mich jemand?", brüllte ich, als ich mehrmals auf die Taste drückte und auf eine Antwort hoffte.

„Mein Freund wird sterben, wenn ihm nicht geholfen wird. Bitte tut etwas." Ich konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken und ließ alle wissen, wie fertig mich die Situation machte.

„Ich werde euch alle Anzeigen. Euch zeigen was es heißt, uns hier drinnen verrotten zu lassen." Ich wandte mich langsam ab und beäugte die vier Lebenden, die stumm das Geschehen beobachteten.

„Wer von euch ist es?" Voller Wut trat ich einen Schritt auf den Sportlichen zu und dieser hob schützend die Hände in die Höhe.

„Beruhige dich -", begann er, doch ich unterbrach ihn sofort.

„Mich beruhigen? MICH.BERUHIGEN?", schrie ich und ballte die Hände zu Fäusten.

„Wenn Liam stirbt, töte ich jeden einzelnen von euch. Es ist mir egal, ob ihr schuldig seid oder nicht." Mein Herz pochte so laut, dass ich nichts anderes mehr hören konnte.

Ich ging wieder zurück zu Liam und fiel in mich zusammen. Mein Brustkorb fühlte sich so an, als würde er jeden Moment zersprengen und mir die Lunge verjagen. Aber der Schmerz, den ich fühlte, war psychisch. Liam vor mir liegen zu sehen hatte jeden anderen Schmerz ausgeblendet und der neue Schmerz saugte sich in jede Körperzelle ein.

„Bleib bei mir, Liam", schluchzte ich und fuhr mit der Hand über sein Haar. „Ich liebe dich, bitte verlass mich nicht." Meine Tränen tropften auf seine Brust und ich legte meine Lippen sanft auf seine Wange.

„Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Mir viel mehr Mühe geben, um dir zu zeigen, wie sehr ich dich liebe. Ich wünschte, ich könnte den heutigen Tag auslöschen. Es tut mir so leid." Meine Stimme bebte. „Wenn du heute sterben sollst, dann werde ich mitkommen. Ich werde mit dir in den Tod gehen und nichts wird mich daran hindern können."

Leise heulend umklammerte ich mich an seinen Oberkörper und wiegte uns beide hin und her, während ich sein Gesicht keine Sekunde aus den Augen ließ. Wäre ich doch nur bei ihm geblieben. Hätte ich doch nur seine Hand genommen und mich schützend vor ihn geworfen.

Mein Körper zitterte und ich betete dafür, dass mir Gott Liam nicht nahm.

Ein lauter Schlag, was den Fahrstuhl wackeln ließ, holte mich wieder zurück in die Realität und ich riss erschrocken die Augen auf.

Geräusche waren zu hören und die Schläge wurden immer lauter.

„Wir holen euch da raus", sprach eine Stimme aus einem Megafon und mein Herz machte einen Purzelbaum. Wir werden gerettet. Sobald die Stimme schwieg, begann etwas Lautes zu surren. Es hörte sich an wie eine große Säge und ich hatte das Gefühl, dass die Wände abgeschnitten wurden.

„Elsie." Mein Herz setzte aus und mein Gesicht schoss zu Liam, der zu blinzeln anfing.

„Du lebst." Meine Augen tränten und ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen.

„Du lebst", wiederholte ich und legte meine Lippen auf seine. Schwach erwiderte Liam den Kuss und als ich seine Lippen wieder freigab, atmete er tief ein.

„Setz mich bitte auf", bat er mich und ich half ihm sofort, in dem ich seinen Oberkörper an die Wand lehnte und seine Beine geraderichtete.

„Noch etwas?", fragte ich und würde am liebsten für den Rest meines Lebens als sein Sklave dienen.

„Wasser", flüsterte er schwach und ich wandte mich sofort um, um nach meiner Tasche zu suchen.

„Ich bin gleich wieder da", gab ich ihm Bescheid und richteten mich auf, um so schnell wie möglich an meine Tasche zu gelangen, die am anderen Ende des Fahrstuhles lag.

„Entfernt euch von der Wand. Wir werden gleich einbrechen", hörte ich eine Stimme und die anderen vier rutschten auf die zwei Seitenwände, während ich meine Tasche schnappte.

Und kaum hatte ich meine Tasche in der Hand, gingen die Lichter aus. Mein Atem stockte und mein Herz hörte auf zum Schlagen.

„Liam", schrie ich und lief blind den Weg, den ich gekommen war wieder zurück. Erleichtert bekam ich ihn zu fassen und wandte ihm den Rücken zu, um ihn vor dem Fremden zu schützen.

Es war still. Zu still. Man konnte nur das unregelmäßige Atmen der anderen und das leise Schluchzen von Teresa hören.

Plötzlich ging das Licht an und ich erkannte eine Gestalt, die auf mich zu ging. Bevor ich jedoch irgendwelche Details ausmalen konnte, ging das Licht wieder aus.

Ich drückte Liam enger an die Wand und rappelte mich auf die Beine.

Das Licht ging wieder an und die Gestalt stand ein paar Schritte vor mir. Ich konnte die scharfe Klinge des Messers wahrnehmen, ehe sich das Licht wieder ausschaltete und ich wieder auf mich allein gestellt war. Voller Angst hob ich mein Bein in die Höhe, traf den Unbekannten zwischen den Beinen und als ich die Hand ausstreckte konnte ich das Messer zu fassen bekommen.

Mein Herz raste wie verrückt, als ich ein lautes OW hörte, und der Mörder auf die Knie fiel.

Es war vorbei. Ich hatte den Mörder.

Ein letztes lauteres Geräusch war zu hören und die Fahrstuhlwand wurde eingeschlagen. Helles Tageslicht drang in jede Ecke des Fahrstuhles und ermöglichte uns wieder frei zu atmen. Meine Augen wanderten auf den Boden und ich sah, wie das wahre Gesicht des Mörders aussah. Und als ich die Augen wieder zu den anderen wandte, erkannte ich, dass alle Blicke auf mich und das Messer in meiner Hand gerichtet waren und wie schlecht die Situation für mich aussah.

„Schnappt sie euch!"

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