8. Kapitel

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Meine Augen starrten in die Dunkelheit und suchten nach einem Anhaltspunkt, während meine Ohren probierten etwas wahrzunehmen. Die Dunkelheit, die ich als kleines Kind immer gehasst hatte, taumelte wieder an die Oberfläche und machte mir klar, wieso ich mich hatte so gefürchtet.

Es war so, als würde es mich verschlucken. Mich in die Enge treiben und mir jeden Knochen am Körper brechen. Und das Schlimme war, das es jeden Moment wahr werden könnte. Er könnte mich, ohne mit der Wimper zu zucken töten und niemand würde es mitbekommen.

Es war still. Zu still. Und es jagte mir eine Höllenangst ein.

„Liam?", rief ich und hatte Angst, dass das nächste Opfer Liam sein könnte.

„Liam!?", rief ich ein zweites Mal, als ich keine Antwort bekam.

„Mir geht es gut", meldete sich die mir vertraute Stimme und ich atmete erleichtert aus.

„Was zur Hölle passiert hier?" Die Stimme des sportlichen Typen drang in meine Ohren und ich konnte die Angst aus dem Ton herausziehen.

„Bleibt alle ruhig sitzen", hörte ich von einer anderen Ecke.

Das Mädchen zitterte in meinen Armen und ich drückte sie fester an mich. Nicht nur um sie zu beruhigen, sondern auch mich selbst.

„Shh", redete ich ihr ein und unterdrückte meine eigene Angst.

Plötzlich hörte ich Schritte. Jemand hatte sich aufgesetzt.

„Wer auch immer aufgestanden ist, bleib weg von mir." Tränen kullerten aus meinen Augen und rollten über meine Wangen.

„Liam", schluchzte ich und wünschte mir, bei ihm geblieben zu sein.

Der Unbekannte schenkte mir keine Beachtung und wanderte weiter. Seine Schritte waren schwer und fast lautlos. So, als wollte er geheim halten, wer er wirklich war.

Und da sich meine Augen nichts ausmalen konnten, blieb alles ein Rätsel.

Teresa fing zum Schluchzen an. Mein Körper bebte unter ihrer Gewalt und ich konnte nicht anders, als ihr zuzustimmen.

Ich hatte Angst. Teuflische Angst. Und hätte ich die Wahl, würde ich mich von einem Hochhaus stürzen, als hier in der Dunkelheit zu sitzen und darauf warten, was der nächste Schritt des Mörders sein würde.

Man konnte das Atmen der einzelnen Menschen hören. Es hing so schwer in der Luft, dass es uns den Sauerstoff verdrängen müsste. Aber doch tat es nicht.

Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Arm. Genau auf der Stelle, wo sich die Wunde befand. Voller Schreck und Angst riss ich den Mund auf und ehe ich schreien konnte, legte sich die zweite Hand auf meinen Mund. Ein unterdrückter Ton kam aus meiner Kehle und ich wusste nicht, was ich tun sollte.

Teresa glitt aus meinen Händen, als ich auf die Beine gezerrt und mit voller Wucht gegen die Wand geschleudert wurde. Da ich die Bewegung hatte nicht ahnen können, schlug ich mit dem Gesicht an. Ich schrie sofort wie ein zu Tode erschreckter Hase auf und glitt zu Boden.

Mein Kopf brummte stark und ich konnte nicht reagieren, als ich wie ein schlapper Lappen aufgehoben und erneut geschleudert wurde. Mein Mund benetzte sich mit Feuchtigkeit, was nicht nach Salzwasser schmeckte und mir deutete, wieso meine Nase so schrecklich weh tat.

„Hilfe", schrie ich, als ich ein zweites Mal zu Boden glitt und ehe ich mich wiederholen konnte, spürte ich die rauen Hände an meinen Oberarmen.

„Hilfe!" Die Finger bohrten sich in meine Haut und ich konnte mich vor Schmerzen an keine einzelne Stelle konzentrieren.

„Bitte helft mir", schluchzte ich, als die Hände meine Arme losließen und hoch wanderten.

„Liam -", schrie ich, wurde aber sofort an den Händen unterbrochen, die sich um meinen Hals legten. Die Luft wurde mir zugeschnürt, als der Unbekannte fester zudrückte und mich hochhob. Meine Füße taumelten in der Luft und meine Augen waren weit aufgerissen. Und ich wusste, dass es nun soweit für mich war. Ich hatte die Endstation erreicht.

Die letzten Tränen fielen zusammen mit der Liebe für die Menschen, die ich mehr als mein eigenes Leben liebte. Zusammen mit Liam und unseren Momenten. Bilder tauchten vor meinen Augen. Bilder von Liam und mir.

Die erste Begegnung.

Das erste Date.

Der Umzug.

Mein Gehirn schaltete plötzlich alles auf und gleichzeitig ließen mich die Hände los. Ich fiel auf den Boden und hatte das Gefühl, dass ich schon gestorben wäre. Und während ich wie ein Verrückter nach Luft rang, konnte ich keinen Knochen an meinem Körper bewegen.

Meine Kehle schmerzte und ich rollte mich mit aller Kraft auf den Rücken, um mehr Luft zu bekommen.

Während ich weiterhin hilflos auf dem Boden lag, flackerte das Licht und ging an. Ein lauter Schrei war zu hören und die Lebenden fingen an zu heulen.

Liam.

Vorsichtig wandte ich den Kopf auf die Seite und mir blieb diesmal mehr als nur die Luft weg, als ich ihn regungslos am Boden liegen sah.

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