Der Wald der Gifte

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Scorpio fühlte sich wie im Paradies, an das sie eigentlich nicht glaubte. Aber das hier war das, was für sie dem Paradies am nächsten kam. Dieser Wald war eine Schatzkammer an Giften, Gegengiften und weitern, in der Medizin nutzbaren Stoffen. Es war ihr klar, dass sie allein für sie hierhergekommen waren und sie war glücklich darüber.

Der Rest baute das Lager auf, nur Mareus und aus irgendeinem Grund, Kelan, streunten mit ihr durch die nähere Umgebung ihres Lagerplatzes. „Schaut mal wie groß die Benitablüten sind. Das ist unglaublich." Scorpio konnte beide Hände unter die Blüte legen und sie ragte auf beiden Seiten über die Schale hinaus. Eigentlich waren die Blüten viel kleiner.

„Die sind hübsch anzusehen, aber das war es dann auch schon, oder nicht? Man kann damit doch rein gar nichts anstellen. Sie wachsen in vielen Ziergärten der Adligen." Scorpio fielen beinahe die Augen aus dem Kopf und auch Mareus war sich nicht sicher, ob der Elb das ernst meinte. Er kannte die Benitabüsche, denn Scorpio hatte ihm bereits sehr früh etwas darüber beigebracht, besonders weil sie so wichtig und vielseitig nutzbar waren.

„Benitabüsche sind eine der grundlegenden Pflanzen, die man kennen sollte, wenn man in der Wildnis überleben will. Die Blüten sind nährstoffreich und haben viel Nektar, der Zucker ersetzen kann. Zudem enthalten sie krampflösende Stoffe. Die Blätter sind gut bei Entzündungen, zur Behandlung als Paste von außen oder als Tee von innen. Die Wurzelknollen enthalten viel Stärke und man kann sie als Gemüse essen. Gekocht sind sie besser verdaulich, aber wenn man ein Feuer nicht wagen kann, dann durchaus auch roh."

Während sie Kelan den kurzen Vortrag hielt zeigte sie ihm die einzelnen Pflanzenteile. Von den Knollen grub sie gleich ein paar aus und reichte sie Kelan, der die etwa faustgroßen Knollen skeptisch musterte. Es war klar zu sehen, dass er das noch nie gesehen hatte. „Die sind lecker. Zumindest wenn Pio sie macht." Erklärte Mareus überzeugt und lächelte Kelan aufmunternd zu. Der war trotzdem noch skeptisch, folgte der jungen Frau aber weiter durch den Wald der Gifte.

„Mareus. Wie heißt diese Pflanze, welche Teile sind nutzbar und für was?" „Du erwartest, dass er so etwas weiß?" Scorpio drehte sich zu Kelan um. „Nein. Ich weiß, dass er es wissen müsste. Ich habe es ihm beigebracht. Es ist einfach nur eine Wiederholung. Ich hätte ihn nicht gefragt, wenn ich nicht wüsste, dass er es einmal gelernt hat." Sie schaute Kelan einen Moment an, während Mareus die Pflanze genau untersuchte.

„Es sind Aravanas." Sie nickte ihrem jungen Schützling zu und wartete, was er noch wusste. „Die Blüten und Blätter enthalten einen giftigen Bitterstoff, aber die Schoten sind in vielen Tränken als neutrales Trennmittel enthalten. Die Rinde ist antibakteriell und wird in vielen Umschlägen für Wunden verwendet." „Richtig. Getrocknete Rindestreifen kann man auch kauen. Sie sind geschmacklos und stillen das Hungergefühl, versorgen einen aber mit kaum Nährstoffen."

Sie stellte den flachen, gewebten Korb, den Lucian ihr aus einem abgebrochenen Ast transformiert hatte und sie dabei an ihre eigenen, nicht vorhandenen Verwandlungskünste erinnert hatte, ab und pflückte vorsichtig einige der reifen Schoten, bevor sie einige Streifen Rinde von den Stauden schälte. Das die eigentlich weißen Blüten der Pflanze bereits verblüht waren, stellte für sie kein Problem da.

Während sie die Pflanze erntete und Kelan ihr dabei zu sah, streifte Mareus etwas weiter in den Wald, blieb allerdings in Hörweite. Tinnu hatte es ihm und all den anderen extra eingeschärft, dass sie sich in diesem Wald nicht zu weit von ihm oder Scorpio entfernen zu hatten. In diesem Wald war vieles giftig und man musste wirklich aufpassen. In vielen Fällen musste das Gegengift in Minuten verabreicht werden, sonst war es zu spät.

„Kleiner, wo bist du?" „Hier." Mareus hob einen Arm und winkte, sodass sie ihn in den dicht wachsenden Pflanzen sehen konnten. „Hier wachsen ganz lustige Beeren." „Nicht anfassen." Mareus hatte es nicht vorgehabt. Er hatte einmal etwas angefasst ohne jemanden zu fragen und seine Hand war rot und dick geworden. Es hatte wirklich weh getan und gedrückt und auch wenn die Medizin geholfen hatte, so etwas Ekelhaftes wollte er nie wieder zu sich nehmen müssen.

Die Unerwünschten von KnoxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt