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Plötzlich ließ er sie los und drehte sich zu mir um, seine Miene undurchdringlich.
Ich hatte das Gefühl, etwas mitangesehen zu haben, was nicht für meine Augen bestimmt war und fühlte mich sehr unwohl.
Zwischen den beiden herrschte eine enge Vertrautheit, die selbst ich sofort bemerkt hatte, und der Austausch hatte diese Annahme nur weiter verstärkt.
Vielleicht war sie der Grund, warum weder Taehyung noch Jimin mich ausstehen konnten. Er hatte erwähnt, dass sie ihn verraten hatte, wahrscheinlich hatte sie sich nur an ihn herangemacht, um ihn auszunutzen und hatte Yoongi dabei verletzt.
Als ich ihm ins Gesicht blickte, fiel es mir schwer zu glauben, dass irgendetwas oder irgendjemand ihn verletzen könnte, doch dann fiel mir ein, wie sanft er war, als er die Creme aufgetragen hatte und sofort schallte ich mich selbst dafür.
Wer wusste schon, wie liebevoll er mit ihr umgegangen war, wenn er mich, eine Fremde, schon so behandelt hatte.
Ich verspürte einen schmerzlichen Stich in meinem Herzen, den ich jedoch sofort ignorierte.
Das war sein Leben und wie er zuvor gesagt hatte, ging mich dieses überhaupt nichts an, zumal ich in einem halben Jahr sowieso nichts mehr mit ihm zu tun hätte.
Ein weiterer Stich.
Ich schloss die Augen und atmete tief durch, bevor ich mich zum Ausgang umdrehte.

„Wir sollten zu den anderen aufschließen", sagte ich nun ruhig, ohne ihn anzusehen und setzte mich in Bewegung.
Yoongi folgte mir, bevor er das Tempo anzog und sich sogleich vor mich stellte.
„Ist alles in Ordnung?", vergewisserte er sich nun, während seine Augen mich durchdringlich inspizierten.
Ich nickte und wich seinem Blick aus.
„Ja Yoongi, mir geht es prickelnd. Ich lebe das Leben, das ich mir schon immer gewünscht habe. Menschen töten und mit Drogen dealen, gibt es etwas besseres?", entgegnete ich ironisch, doch klang nichtsdestotrotz etwas zittrig.
Er seufzte sanft und lächelte, doch es war kein glückliches.
„Es tut mir leid, wirklich. Doch du solltest dich schnellstmöglich damit abfinden", war seine Antwort und er streckte seine Hand nach mir aus und strich mir eine Strähne hinters Ohr.
Auch ich seufzte, doch es war tiefer, schwerer.
„Ich weiß."

Wir kamen durch die Tür, eher gesagt durch den offenen Türrahmen, weil die Tür einige Meter weiter im Raum aus den Angeln getreten wurde und just in diesem Moment erblickte ich etwas, das mir den Atem raubte.
Es war beängstigend, doch wunderschön zugleich und ich konnte nicht wegsehen.
Direkt vor mir in der Mitte des Raumes stand Jungkook, von dutzenden Männern umgeben, und beide Fäuste vor seinem Gesicht erhoben und sah sich einmal um, bevor er losstürmte.
Schnell hatte er den ersten erreicht und ihn am Arm gepackt und diesem mit einem gänsehauterregenden Knacken den Arm an einigen Stellen in unterschiedliche Richtungen gebrochen, bevor er ihn kraftvoll von sich stieß und sich duckte, als ein Schwert nach seinem Hals schwang. Er streckte sein rechtes Bein aus, während er sich mit seinen Händen ausbalancierte und drehte sich einmal schnell um seine eigene Achse und schlug dabei dem Schwertkämpfer den Boden unter den Füßen weg. Während er sich aufrichtete, pflückte Jungkook ihm das Schwert aus der Hand, rammte es diesem durch die Brust und köpfte danach denjenigen, der sich den Arm haltend versuchte sein Gleichgewicht auszutarieren, mit einem sauberen Schnitt.
Mit einem lauten Kampfschrei stürzte sich ein Dritter auf ihn zu, in dessen Magengrube er das Schwert drückte und davon abließ, als er leblos zu Boden glitt.
In eben diesem Moment zischte ein Dolch auf ihn zu, den er aus der Luft griff und ohne in seiner Bewegung innezuhalten, drehte er sich und postierte das kleine Messer zurück an den Absender, wo es ihn direkt im Auge traf und dafür sorgte, dass dieser schreiend und hinterrücks zu Boden ging.
Ohne auch nur für einen Sekundenbruchteil innezuhalten, hielt er den Kampfstab, den der nöchste auf ihn niedersausen ließ, mit beiden Händinnenflächen kurz vor seinem Gesicht auf und schaute kurz nach rechts und links, wo zwei weitere Männer auf ihn stürmten.
Er sprang, spreizte währenddessen seine Beine in einen Spagat und trat beiden kräftig ins Gesicht, die aufgrund dessen taumelten, und griff noch in der Luft mit den Händen nach dem Stab und zog diesen ruckartig zurück, was den anderen nach vorne stürzen ließ, und vergrub eine Faust in dessen Gesicht. Ein lautes Knirschen war überdeutlich zu vernehmen und als hätte er es gespürt, machte er einen Flickflack, alsbald seine Füße mit dem Boden in Kontakt kamen und wich so der Kette aus, die an der Stelle einschlug, an der er vor nicht einmal einem Augenaufschlag noch gestanden war.
Kaum, dass er wieder sicher auf den Füßen stand, rauschte schon die dazugehörige Sichel auf ihn nieder und er blockte mit dem Stab, den er noch immer in der Hand hielt. Als die beiden gegen den jeweils anderen drückten, nutze Jungkook den Moment und vergrub sein Knie in dessen Magengegend, woraufhin er von ihm abließ und holte danach nochmal mit seinem Knie aus und traf ihn diesmal im Gesicht.
Vom Stab ablassend hielt er sich mit beiden Händen an den Schultern des Mannes, der auf die Knie gesunken war, fest und schlang seine Beine um den Hals desjenigen, der versucht hatte, sich ihm von hinten zu nähern.
Mit einer brutalen Bewegung drehte er sich und ein lautes Brechen war zu vernehmen, bevor auch der Hintermann leblos zu Boden fiel. Mit seinen Händen drückte er sich vom Boden ab und landete wieder auf seinen Füßen, wo er sich auch unverzüglich in einem wilden Schlagabtausch wiederfand, den er aber schon nach einigen Momenten dominierte.
Plötzlich stürzten wie aus dem Nichts sechs Männer gleichzeitig auf ihn zu und ich wollte gerade losrennen und ihm zur Hilfe eilen, als alle zeitgleich von ihm wegstolperten.
Graziös streckte er alle nacheinander nieder, alles in einer scheinbar geordneten Reihenfolge und keine seiner Schläge oder Tritte war überflüssig, es war fast wie eine einstudierte Choreografie, die er perfektioniert hatte.
Ein Grinsen, das ganz deutlich indizierte, wie sehr er das Ganze genoss, ruhte alldieweil auf seinen Lippen und sein Haar klebte ihm im Gesicht, doch er schien das überhaupt nicht zu bemerken, zu sehr war er in seinem Element.
Als er der einzige war, der noch stand, zückte er eine, ich vermutete, dass es eine SIG Sauer war, aus dem Holster, das um seinen Oberschenkel geschnallt war und erschoss die, die er lediglich paralysiert hatte, bevor er nach dem letzten filmreif den imaginären Rauch vom Ende des Laufes pustete und die Waffe um seine Finger rotieren ließ und dabei aufsah.
Als er uns entdeckte, erhellte sich seine Miene sichtlich, ehe er mir ein freches Zwinkern zuwarf.
Er wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als sich sein Ausdruck schlagartig verdunkelte und als ich mich fragend umdrehte, wurde mir auch gleich bewusst, warum.
Ohne zu überlegen, stürzte ich los und sprang auf Yoongi zu. Dieser schaute mich sichtlich perplex an, doch ich hatte nicht die Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, betete nur, dass ich ihn rechtzeitig erreichte, um ihn aus dem Weg schubsen zu können.
Während wir beide nämlich Jungkook beobachtet hatten, war jemand der Feinde von hinten auf uns zugeschlichen und stand schussbereit da.
Entsetzt starrte ich Yoongi an und die Zeit schien wie im Zeitlupentempo zu vergehen, seine Augen weiteten sich ungläubig, als er meinen Ausdruck und meine Absicht zu bemerken schien und machte Anstalten, sich umzudrehen. So schnell er mit seiner Pistole auch war, er wäre zu langsam, um den Feind auszuschalten.
Ich kniff die Augen fest zusammen, als ich den lauten Knall des Schusses hörte und hoffte, dass er zumindest mich und nicht Yoongi traf.
Am Rande hörte ich tiefe Stimmen etwas brüllen und nahm wahr, wie ich gegen einen harten Körper prallte und danach ging alles ganz schnell. Er verlor das Gewicht und rauschte mit mir auf sich zur Seite. Hart kamen wir beide auf dem Boden auf und sofort richtete ich mich auf. Ich nahm keinen Schmerz wahr, da er meinen Sturz abgefedert hatte und auch kein unerträglicher Schuss hatte mich getroffen. Panisch checkte ich Yoongi, schüttelte ihn, suchte nach einem Einschlagsloch oder Blut, doch nichts. Verwirrt sah ich in sein Gesicht, dass mich vergnügt angrinste und sah seine Augen sympathisch funkeln.
Was grinste der Idiot so blöd?
„Was?!", quietschte ich hysterisch auf und war kurz davor zu hyperventilieren.
Als ich mir sicher war, dass er keine Verletzungen davongetragen hatte, schaute ich auf und bemerkte, wie der Gegner tot auf dem Boden lag.
Was?!

„Keine Sorge Noona, so lange ich in der Nähe bin, passiert euch nichts", hörte ich eine dunkle Stimme hinter mir schelmisch sagen.
Sofort wandte ich mich von der Leiche ab.
Jungkook war zwischenzeitlich neben uns getreten und grinste uns an, ehe er seine Waffe an seine Lippen brachte und einen kleinen Kuss auf den Lauf drückte.
Sie war mattschwarz und hatte einige kleine Highlights, die golden aufblitzten, und ihr etwas edles aber auch spielerisches verliehen, das sehr zu ihm passte.
„Vor allem nicht, wenn ich dieses kleine Schmuckstück bei mir hab", verkündete er keck und streckte uns frech die Zunge raus.

„HEY! Was meinst du mit, ,wenn ich in der Nähe bin'?!! Den hab' ich so was von vor dir getroffen du Lahmarsch", brüllte nun plötzlich eine weitere Stimme.
Nach einigen Moment trat Taehyung in unser Blickfeld und tippte in einem uns unbekannten Rhythmus das Rohr der Waffe gegen seine Schulter, während er Jungkook missbilligend niederschaute und den Kopf abschätzig zur Seite legte.

„Hast du Wahnvorstellungen Hyung?! Du? Schneller als ich? In welchem Leben soll das gewesen sein?", gab dieser genauso mürrisch zurück und drückte seine Zunge von Innen gegen seine Wange. Ohne zu zögern, schritt er an uns vorbei und auf Taehyung zu.

„Die Wunde am Kopf beweist alles", widersprach dieser zungenschnalzend und machte eine Kopfbewegung zum Toten hin.

„Was für 'ne Wunde?! Ich seh' nur die in der Brust und die ist von mir", hielt dieser dagegen an.

„Bist du blind, schau' ihn dir doch einfach mal an!", schoss dieser ohne zu zögern zurück.

Querencia - Min Yoongi x Reader (Collab)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt