Heyo!
Ich wollte mal fragen...
Normalerweise wechsel ich ja Alex' und Johns Sicht ab, aber eigentlich will ich die nächsten Kpitel n bisschen mehr aus Alex Sicht schreiben... Wäre das okay für euch? Wenn ihr sagt: "Ich will aber unbedingt auch Johns Sicht lesen", dann kann ich das auch umsetzten, ich hab eh keinen wirklichen Plan, nur meine grobe Idee für die nächsten ein bis zwei Kapitel lassen sich glaub ich besser aus Alex' Sicht umsetzten...
Keine Ahnung, mal schauen...
P.S.: Das Kapitel hat beim Schreiben voll lang gewirkt, aber irgendwie kommt es mir jetzt voll kurz vor (?)
Alex:
Als ich am Morgen aufwache ist irgendwas anders und... Moment mal, wo bin ich?
Ich setzte mich auf, reibe mir die Augen, sehe mich um. Wo zur Hölle... Dann fällt mein Blick auf das Bett an der Gegenüberliegenden Wand mit Schildkrötenbettbezug und einem Haufen Locken auf dem Kopfkissen.
Ich bin in South Carolina, in Charleston, bei John. Endlich.
Er scheint noch zu schlafen und obwohl ich ihn am liebsten wecken würde, zwinge ich mich liegen zu bleiben.
Plötzlich fällt mir auch alles vom Abend zuvor wieder ein.
Wie der Filmabend in einer Katastrophe geendet hat, wie wir danach... Gott, haben wir uns echt fast geküsst? Schon beim Gedanken daran wird mir ein bisschen schwindelig.
Fast bin ich froh, dass Ellie uns unterbrochen hat... Oder nicht? Und dann haben wir auch noch gekuschelt und... Ich spüre, wie ich rot werde.
Es ist ja gar nicht so, dass es mir nicht gefallen hätte, ganz im Gegenteil, aber ich bin ja doch erst einen Tag hier und irgendwie geht mir das alles ein kleines bisschen zu schnell.
Ich will ihn ja küssen, ich will mit ihm zusammen sein, aber vorher will ich ihn besser kennenlernen.
Ich schaue auf die Uhr. 7:12 Uhr.
Ich seufze. Einschlafen werde ich jetzt sicher nicht mehr, aber nachdem ich nicht weiß, ob John ein Langschläfer ist oder nicht, habe ich auch keine Lust, zu warten, bis er aufwacht.
Ich schnappe mir meinen Laptop und schleiche mich nach draußen.
Zu meinem Bedauern stelle ich fest, dass Henry bereits wach ist und mit seinem eigenen Computer auf der Couch sitzt.
Ich kann ihn nicht ausstehen. Ich konnte ihn schon nicht leiden, als ich ihn nur aus Johns Erzählungen kannte, aber jetzt wo ich ihn persönlich kennengelernt habe, hasse ich ihn noch mehr.
Die Art, wie er John entweder ignoriert oder unfreundlich ist, wie er sich sofort angewidert abwendet, wenn wir uns in irgendeiner Form berühren, das ärgert mich einfach.
Wieder einmal frage ich mich, wie John das aushält, ihm zufolge geht das ja schon sein ganzes Leben lang so, sein Outing hat die Umstände nur noch erschwert.
Plötzlich frage ich mich, warum Menschen mit jemandem wie mir Mitleid haben, aber nicht mit Leuten wie John.
Klar, ich vermisse Mom und an manchen Tagen fehlt mir sogar Dad, auch wenn ich mir kaum noch an sein Gesicht erinnern kann, aber ist es wirklich besser wenn sich der Vater geradezu vor einem ekelt und die Mutter wenig dagegen machen kann, wenn man sich ständig fragen muss, warum man nicht genug ist?
Ich schaue Henry wütend an. In diesem Moment bemerkt er mich ebenfalls, zieht aber nur eine Augenbraue hoch, wie um zu sagen: „Ach du bist ja auch noch hier" und wendet sich wieder seinem Computer zu.
Ich setzte mich mit meinem Laptop an den Küchentisch. Ich habe Eddie von History now trotz Ferien noch mindestens einen Artikel bis Dienstag versprochen, also fange ich besser mal an.
Eine gute Stunde später habe ich eine ausreichende Menge an Informationen zusammengetragen und will gerade mit dem Artikel anfangen, als Jamie in die Küche geschlurft kommt. Kommentarlos geht er an mir vorbei in die Küche, nur um sich kurz darauf mit einer Schüssel Cornflakes auf den Stuhl neben mir zu setzen. „Was machst du?", fragt er. „Arbeiten", murmele ich. Er legt den Kopf schief. „Und was arbeitest du?" Ich drehe meinen Laptop so, dass er die Stoffsammlung auf dem Bildschirm sehen kann. „Ich schreibe Artikel für eine Zeitschrift über amerikanische Geschichte", erkläre ich. „Und dafür bekommst du Geld? Das interessiert doch niemanden.", Jamie zieht die Nase kraus. Ich muss lachen. „Es gibt durchaus Leute, die das interessiert, die sind aber normalerweise ein bisschen älter als du" Er nickt. „Und kannst du Ellie und mir heute helfen?" Ich zucke mit den Schultern. „Das kommt auf das Thema an und darauf, was John für heute geplant hat." Jamie nickt wieder. „Das Thema ist irgendwas mit Prohibition, aber ich bin mir nicht ganz sicher." „Na das klingt doch machbar", ich lächele. „Alex?", fragt er. „Hm?" „Warum brauchst du eigentlich einen Job? Kriegst du kein Taschengeld?" Ich seufze. „Das ist ein bisschen kompliziert" „Dann erklär es mir"
In diesem Moment erhebt sich Henry von der Couch und verlässt das Zimmer. „Was ist jetzt los?", frage ich. „Och, gar nichts, er hat beim Arbeiten nur gerne seine Ruhe" „Alles klar... Ähm ok, also... Jamie, meine Eltern... leben nicht mehr und ich wohne bei meinem Cousin, der ist aber oft sehr traurig und..." „Depressionen", sagt Jamie. „Ja genau, ich wusste nur nicht, ob du das Wort kanntest." Er verdreht die Augen. „Ich bin doch nicht blöd" „Gut zu wissen, jedenfalls mein Cousin hat Depressionen und deshalb kann er manchmal nicht Arbeiten und dann bekommt er natürlich auch kein Geld, also muss ich auch ein bisschen was verdienen." Er nickt. „Und deine Eltern sind tot." „Das... habe ich gerade gesagt, ja" „Krass. Ist das nicht schlimm?" Ich zucke mit den Schultern. „Am Anfang war es nicht schön und natürlich vermisse ich sie manchmal, aber... Man gewöhnt sich an alles." „Klar", Jamie scheint genug von dem Gespräch zu haben und wendet sich seinen Cornflakes zu.
Als seine Schale leer ist, fragt er: „Was ist eigentlich mit John und dir? Seid ihr zusammen? Oder...", er scheint einen Moment lang zu überlegen, dann: „Warte, bist du überhaupt schwul?" Ich muss lachen. „Ich bin bi, das bedeutet, dass man auf Jungs und Mädchen steht." „Hm, das ist ja eigentlich voll praktisch, da hat man ja mehr Auswahl." Ich grinse. „So kann man es auch sehen" „Na ich mein nur", sagt Jamie etwas verlegen, „Weil John zum Beispiel, der kann ja nur mit Jungs zusammen sein, aber ja auch nicht mit allen Jungs, die müssen auch schwul sein... Oder bi. Und da ist ja die Auswahl ziemlich beschränkt. Das Problem hast du ja nicht" Ich lache. „Da hast du völlig Recht, kann man sich nur leider nicht aussuchen" „Jaa...", sagt er gedehnt, steht auf und trägt seine Schale in die Küche. Komisches Kerlchen, denke ich und will mich endlich wieder meinem Artikel widmen, als John in die Küche kommt. Er lässt sich neben mich fallen. „Ach da bist du", gähnt er, „Was machst du?" „Arbeiten, oder zumindest würde ich das gerne", grummele ich. „Da ist aber jemand ein Morgenmuffel. Willst du Kaffee?" „Ohh, das klingt gut", sage ich. Vom Tisch aus beobachte ich John, wie er in der offenen Küche herumfuhrwerkt. Seine Haare sind offen, klar, ich habe den Haargummi gestern Abend ja selber rausgemacht, und komplett zerzaust, außerdem trägt er noch die Kleider von gestern. Generell macht er einen relativen zerrupften Eindruck. „John?", frage ich, „Hast du für heute irgendwas geplant?" „So halb... Wieso?" „Ach, nur wegen diesem Geschichtsding von deinen Geschwistern." Er lacht. „Du willst das echt durchziehen?" Ich zucke mit den Schultern. „Klar, warum nicht? Viel helfen im klassischen Sinne kann ich eh nicht, ich kann ihnen halt erklären, wie sie effizient Sachen nachschlagen." „Ja, ich wollte dich nur ein bisschen in Charleston rumführen, dir die Innenstadt zeigen, keine Ahnung worauf du Lust hast." „Klingt gut" Er stellt eine Tasse Kaffee vor mir ab. „Danke", murmele ich. „Ach ja, mir fällt grade ein...", John zögert kurz. „Ich hab ab Montag bis zum Konzert jeden Nachmittag Probe und zwar ziemlich lang... Ich meine, du kannst natürlich mitkommen, aber...", er verstummt. „Wäre es dir denn Recht, wenn ich mitkommen würde?" John macht in verlegenes Gesicht, dann murmelt er: „Eigentlich nicht, ehrlich gesagt, ich hätte es lieber, wenn du nur die finale Fassung hören würdest." „Klar, verstehe ich. Soll ich dann nach der Schule einfach schon allein zu dir fahren?" „Würde wahrscheinlich Sinn machen. Dann sollte ich dir heute vielleicht auch den Weg zeigen."
John sieht dann zum Glück auch ein, dass ich noch ein bisschen Zeit zum Arbeiten brauche und setzt sich mit seinem Skizzenbuch neben mich.
Irgendwann kommt seine Mom und scheucht uns zur Seite, damit sie Frühstück machen kann.
Ich klappe meinen Laptop zu und deute auf das Heft auf Johns Schoß. „Darf ich sehen?", frage ich. Er wird ein bisschen rot. „I-Ich... Lieber nicht." Ich grinse ihn an. „Hast du mich gezeichnet?" „N-Nein!", protestiert er, aber zu meinem Glück ist er ein verdammt schlechter Lügner. „Zeiiig!", lache ich, „Ich mache mich auch nicht drüber lustig, versprochen!"
„Na gut..." Er reicht mir das Heft, dann zieht es wieder weg, um nach der richtigen Seite zu suchen.
Als er mir schließlich die aufgeschlagene Seite hinhält bin ich... beeindruckt.
Es sind nur grobe Skizzen, aber irgendwie erkenne ich mich trotzdem, er hat es irgendwie geschafft, meine Stimmung beim Arbeiten einzufangen.
„Die sind wirklich gut", sage ich leise. John zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht... Mir war auch weniger die Zeichnung peinlich, als das Motiv... Ich komme mir immer wie ein Stalker vor, wenn ich... du weißt schon, Menschen aus meinem Umfeld zeichne." Ich muss lachen. „Ach John. Das zeigt doch nur, dass dir diese Menschen wichtig sind. Und ich erkenne mich, es ist wirklich gut." Er schaut etwas verlegen auf den Boden. „Danke..." Dann schaut er auf, strafft die Schultern wieder etwas und fragt: „Soo, Frühstück. Was willst du essen?" „Keine Ahnung, was habt ihr denn?"
Eine Weile wühlen wir uns durch die Laurens'sche Küche, bis wir uns schließlich, ein riesiges Chaos hinterlassend, mit Cornflakes an den Küchentisch setzten.
„Hast du eigentlich Connor von Dear Evan Hansen erzählt?", fragt John mich unvermittelt. Ich schüttele den Kopf. „Zuerst wollte ich nicht und jetzt... naja sagen wir, Amy ist wichtiger." „Oh", sagt John. „Das muss echt blöd für dich sein." Ich schüttele den Kopf. „Es ist in Ordnung. Ich bin froh, dass es ihm besser geht und dafür bin ich auch bereit, in Kauf zu nehmen, dass ich Amy nicht mag und ich ihn im Moment nicht so besonders interessiere." John nickt. Dann fragt er: „Du? Kann ich dich was fragen?" Ich lächele. „Hast du gerade. Aber du kannst mich gerne noch was fragen." Er legt den Kopf schief. „Vermisst du deine Eltern eigentlich?" Ich muss lachen. „Das gleiche Gespräch hatte ich vorhin schon mit deinem Bruder." „Aber da war ich nicht da.", kontert er. „Auch wieder wahr. Also, wie ich vorhin schon gesagt habe... Meinen Vater vermisse ich kaum noch, er hat uns sitzen lassen und das ist sieben Jahre her, an den meisten Tagen kann ich mich nicht mal mehr an sein Gesicht erinnern.
Aber Mom... naja, das mit ihr ist auch schon drei Jahre her und... Sie wurde ja diagnostiziert als ich zwölf war und ihr ging es schon vorher nicht so gut und... Sagen wir so, meine letzte Erinnerung an sie wie sie wirklich war ist von als ich elf war oder so... Und die Erinnerungen verblassen mit jedem Tag mehr, bald werde ich mich wahrscheinlich nur noch an ihr Krebs-Ich erinnern und irgendwann... Irgendwann werden auch diese Bilder verschwinden und..." Ich breche ab. Es auszusprechen tut verdammt weh, viel mehr, als es nur zu denken. John schweigt. Anscheinend will er mich meine Emotionen verarbeiten lassen, wofür ich ihm einerseits wirklich dankbar bin, wobei ich andererseits ein bisschen Ablenkung brauchen könnte. „Ha-Hast du denn keine Fotos?", fragt er nach einer Weile zögerlich. Ich lache traurig auf. „Nicht genug. Die meisten Bilder von Dad hat sie weggeworfen, weil sie so wütend war. Ich hatte welche gerettet, aber ein paar Monate bevor sie gestorben ist gab, es bei uns diesen furchtbaren Orkan, bei dem unser Haus mehr oder weniger komplett überflutet wurde. Das ungefähr einzige, was überlebt hat, war der hier." Ich zeige auf meinen Laptop. „Den hatte Mom, weil sie sich im Krankenhaus so gelangweilt hat und die Patienten wurden rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Auf dem Computer sind vielleicht drei Fotos, alle Anderen sind verloren gegangen"
Auch das zuzugeben tut weh. Immer wieder habe ich mir Vorwürfe gemacht, weil ich bei der Orkanwarnung als erstes meine Kleider und andere materielle Dinge gerettet habe.
Ich wusste ja, das Mom sterben würde. Warum habe ich nicht als erstes die Erinnerungen gerettet?
Kleider kann man nachkaufen, Fotos nicht.
John legt mir seine Hand auf den Arm. Trost scheint ihm keiner einzufallen, aber er fragt: „Kann ich die Fotos sehen? Die, die du noch hast?" Ich nicke und öffne meine Fotos. Ich habe nur zwei, die er noch nicht kennt, das dritte habe ich ja als Skype- Profilbild, das, das an meinem ersten Schultag aufgenommen wurde. Dad hat es gemacht, deshalb ist er nicht mit drauf, aber Mom und ich sehen beide so glücklich aus.
Damals wussten wir noch nicht, dass nur ein paar Jahre alles anders sein würde, dass es nur noch wir zwei sein würden und dann, einige Jahre später, nur noch ich.
Die anderen Bilder sind wieder Mom und ich, das eine aufgenommen kurz nachdem Dad abgehauen ist, keine Ahnung, warum sie sich ausgerechnet bei dem die Mühe gemacht hat, es auf den PC zu überspielen.
Ich sehe komplett geschafft aus, ich weiß noch, dass ich mich zu der Zeit jede Nacht in den Schlaf geweint habe und Mom sieht auch nicht besser aus. Sie war gezwungen, sich einen zweiten Job zu suchen und hat dunkle Ringe unter den Augen.
Das dritte Bild ist von etwa einem Jahr später, von meinem zwölften Geburtstag, kurz bevor sie krank wurde. Wir hatten uns endlich mit der Situation arrangiert, sie wirkt immer noch etwas müde, lächelt aber fröhlich und ich halte mit einem überglücklichen Grinsen mein nagelneues Skateboard in die Kamera. Das Bild ist vor unserem damaligen Haus aufgenommen, einem einstöckigen, weißen Bungalow, der große Ähnlichkeit mit den anderen Häusern in unserer Nachbarschaft aufwies. Trotzdem fand ich immer, dass unser Haus von allen das Schönste war, das weiß ich noch.
Mom hat unseren Garten geliebt und egal wie müde und geschafft sie war, sie hat immer Zeit gefunden, sich um die vielen bunten Blumen zu kümmern, die Hecken zu schneiden und den Rasen zu bewässern.
Diese Blumen sind ebenfalls auf dem Bild zu sehen, bunte Flecken im Hintergrund.
John dreht den Laptop zu sich und betrachtet das Bild. „Ihr seht so glücklich aus. War- War sie da schon krank?" Ich schüttele den Kopf.
„Das war mein zwölfter Geburtstag, da war noch alles gut. Ich glaube, krank geworden ist sie ungefähr einen Monat später, oder zumindest haben wir da die ersten Symptome bemerkt und dann, die Diagnose zwei weitere Monate später.
Zuerst ging es ihr noch so gut, dass sie zuhause bleiben konnte, aber dann... Nichts hat mehr angeschlagen und sie hat nur noch vor sich hin vegetiert. Die... die teureren Behandlungen, die, die ihr vielleicht das Leben gerettet hätten, die konnten wir uns nicht leisten.
Ich wusste schon ein Jahr lang, dass sie keine Chance mehr hatte, aber..."
Ich atme tief ein. Es fühlt sich gut an, mit jemandem darüber zu reden. Klar, es spült auch den ganzen Schmerz, den ich über mehrere Jahre so sorgfältig weggesperrt hatte, wieder nach oben, aber es fühlt sich irgendwie befreiend an.
John schaut mich mit großen Augen an. „Und die Diagnose? Wie war das für dich?"
„Zuerst war ich erleichtert. Ihr ging es seit zwei Monaten schlecht und ich wusste, dass eine Diagnose, egal wie schlimm sie ist, eine Behandlung möglich macht. Ich wusste, dass es jetzt mehr Hoffnung für sie gab.
Das war aber nur die ersten paar Tage so, bis die erste Rechnung kam. Wir wussten, dass wir uns die Behandlung nicht lange leisten konnten, da bin ich echt verzweifelt.
Naja, Mom war eine Kämpferin, sie hat viel länger überlebt, als jeder Arzt vorausgesehen hat, das hat mir mehr Zeit mit ihr gegeben, aber... Es war nicht schön", schließe ich.
John schüttelt den Kopf. „Alex, ich... ich hatte ja keine Ahnung." Ich lächele. „Natürlich nicht, wie auch? Ich... Ich habe das noch nie jemandem erzählt." „Wirklich?" Ich nicke. „Aber ich habe größtenteils damit abgeschlossen. Ein Teil von mir wird sie immer vermissen, aber sie würde wollen, dass ich glücklich bin, das weiß ich."
John nickt langsam. „Plötzlich habe ich ein total schlechtes Gewissen, weil ich immer über meinen Dad ablästere. Immerhin ist er noch da"
Ich lache. „Ach John. Ich habe ganz ehrlich das Gefühl, dass du in der Hinsicht schlimmer dran bist als ich" John zuckt mit den Schultern."Weiß nicht... Aber... Können wir über irgendwas Fröhlicheres reden? Davon werd ich ja total deprimiert."
„Ernsthaft?", necke ich ihn, „Da breite ich mein Innerstes vor dir aus und alles was du zu sagen hast ist „Davon werd ich deprimiert"?" Er lacht. „Du kannst auch gerne weiter darüber reden aber... Trösten kann ich dich sowieso nicht" „Nein, nein schon gut..." Ich will gerade hinzufügen, dass ich sowieso fertig war, als Jamie wieder die Küche betritt, diesmal mit einer sehr verschlafenen Ellie im Schlepptau. „Jamieeeeee, kann das nicht bis zum Nachmittag warten? Lass mich doch erst mal aufwachen", mault sie. „Nein", wiederspricht Jamie resolut, „Ich hab heute noch was anderes zu tun, ich will das fertig kriegen." „Geht es um das Geschichts-Dings?", frage ich. „Ja", stöhnt Ellie entnervt, „Und Jamie meint, dass es nötig ist, das JETZT zu machen." Ich nicke. „Ist mir ehrlich gesagt so auch lieber so." Ellie verdreht die Augen. „Nerds", murmelt sie. Ich seufze. „Wenn du keine Lust hast, kann ich es auch nur mit Jamie machen und du machst es später allein." „Orgh, also von mir aus", sie lässt sich an den Tisch plumpsen. Jamie setzt sich neben sie. „Und... ähm, eure Sachen?", frage ich. Jamie legt den Kopf schief. „Wie meinst du?" Entnervt werfe ich den Kopf in den Nacken. „Ihr müsst ein Essay schreiben, richtig?" Nicken. „Und ihr habt sicher auch ein Buch mit Informationen?" Erneutes nicken. „Dann... Wie wäre es, wenn ihr eurer Buch und was zum Schreiben holt?"
Als die Beiden in ihre jeweiligen Zimmer trotten, werfe ich John einen leicht verzweifelten Blick zu, der sich offensichtlich das Lachen verkneifen muss. Na Großartig. „Ich bin in meinem Zimmer", grinst John. Ich nicke.
Ich hatte gedacht, dass die ganze Aktion mit den Zwei maximal eine Stunde dauern würde, aber nachdem sie keine Ahnung von gar nichts haben und auch offensichtlich dem Irrtum erliegen, dass ich den Aufsatz quasi für sie schreibe, gestaltet sich die Sache als langwieriger, als ich dachte.
Als die Beiden sich eine Basis angeeignet haben, die solide genug ist, um einen Aufsatz damit zu schreiben, sind fast zweieinhalb Stunden vergangen.
Ich wanke in Johns Zimmer zurück. „Ach", sagt er, als er grinsend von einer Zeitschrift aufschaut, „Wieder da?" Ich schüttele den Kopf. „Die Zwei..." Er lacht. „Jap. Ich weiß, was du meinst. Ich lebe mit ihnen zusammen."
Wir fahren mit der U-Bahn ins Stadtzentrum von Charleston, wo John mir ein paar wichtige Gebäude zeigt, unter Anderem ein Shoppingcenter und den kleinen Laden, wo er anscheinend seine Skizzenbücher kauft. Irgendwann fragt er ein kleines bisschen traurig: „Das interessiert dich gar nicht so richtig oder?" Ich zucke verlegen mit den Schultern. „Naja, ich gehe nicht gern shoppen und zeichnen tu ich auch nicht... Ich sehe, dass dir der Laden wichtig ist, aber..." Er lächelt. „Schon gut. Wir könnten in dieses Café gehen." Ich nicke. „Gerne." Auf dem Weg dorthin erzählt er mir, wie er einmal in der Stadt war und es angefangen hat zu regnen und wie er sich daraufhin in dieses Café geflüchtet hat.
„Bevor ich... Naja, bevor ich dich kennengelernt habe, bin ich manchmal hierher geflüchtet, wenn ich mich mit Dad gestritten habe oder es mir zuhause einfach zu viel wurde.", erklärt. „Und... Ich habe das geändert?", frage ich verwundert. Er nickt. „Klar, ich konnte dann einfach dir Schreiben" Ich spüre, wie sich ein warmes Gefühl in mir ausbreitet. Habe ich wirklich so einen großen, guten Einfluss auf Johns Leben? Klar, er hat einen ähnlichen Effekt auf mich, aber... ich bin anders als John. John ist so lieb, kümmert sich immer um Andere, er ist so süß und unschuldig und gleichzeitig so viel stärker, als ich es jemals sein werde. Und ich? Ich weiß, dass ich früher oder später alles kaputt mache, was ich anrühre, dass ich keine Freundschaften aufrecht erhalten kann, geschweige denn eine Beziehung.
Und das liegt nicht an meinem „inneren Schmerz", ich weiß, dass das nur eine schlechte Ausrede ist, um zu vertuschen, dass ich einfachabsolut unfähig bin, mit irgendwem eine Beziehung aufzubauen.
„Alex? Alles in Ordnung?", fragt John leise und auf einmal sind alle dunklen Gedanken aus meinem Kopf verschwunden. Ich lächele. „Klar, alles bestens"
Das Café ist ein kleiner, heller Laden. Es gibt mehrere freie Tische, aber John zieht mich zielsicher zu einer Sitzgruppe in einer Ecke. „Mein Stammplatz", grinst er.
Ich sehe mich um. An den meisten besetzten Tischen sitzen Pärchen, diese Art Pärchen, die sich ein Getränk mit zwei Strohhalmen teilen. John und ich sind das einzige gleichgeschlechtliche Paar, soweit ich das sehe. Moment, was? John und ich sind kein Paar! Ich schüttele den Kopf. Wie komme ich nur immer auf sowas? „Also nicht?", fragt John. Ich blinzele. „Was?" Er schaut mich verständnislos an. „Na, du hast den Kopf geschüttelt." „Sorry...", murmele ich, „War mit den Gedanken wo anders. Was war die Frage?" Er lacht. „Ob du was essen willst habe ich gefragt" „Ja bitte", seufze ich, „Ich bin am verhungern"
Während wir auf unsere Bestellung warten, sieht John sich um. „So viele Pärchen habe ich hier noch nie gesehen" Ich nicke. „Ist mir auch schon aufgefallen. Scheint eine beliebte Date-Location zu sein." Er lacht. „Da fallen wir ja voll aus dem Rahmen" „Das lässt sich ändern", sage ich, mehr als Scherz, aber zu meiner Überraschung greift John nach meiner Hand und verschränkt seine Finger mit meinen. Diesmal ist es an mir, rot zu werden. „I-Ist das okay?", fragt John leise. Ich nicke. „Mehr als okay"
Je länger unsere Finger ineinander verschränkt sind, desto besser fühle ich mich. Mein ganzer Körper kribbelt angenehm warm, ausgehend von meiner Hand und es fühlt sich so... natürlich an, als wären unsere Hände eigens dafür gemacht, einander zu halten.
Und dann steht die Kellnerin vor uns, ein hübsches Mädchen, kaum älter als wir.
Sie blickt auf unsere verschränkten Hände, dann läuft sie ein kleines bisschen pink an.
„Ich fürchte, ich habe Anweisung, keine gleichgeschlechtlichen Paare zu bedienen", sagt sie peinlich berührt, dann fügt sie schnell hinzu: „Ich hab gar nicht gegen... solche wie euch, aber wenn der Inhaber das sieht könnte ich meinen Job verlieren, deshalb... Wenn ihr das vielleicht lassen könntet?" Ich schüttele den Kopf und John erklärt kühl: „Nein. Komm Alex, wir gehen."
John bleibt nur so lange cool, bis wir den Laden verlassen haben, dann explodiert er: „Warum? Alex, wieso gibt es solche Leute? Warum... Was ist an uns nicht normal? Warum kann man uns nicht behandeln wie andere auch? Liebe ist doch Liebe oder nicht?"
Erschrocken sehe ich, dass er Wuttränen in den Augen hat. Das kann nicht so bleiben. Vorsichtig nehme ich ihn in den Arm und spüre zu meiner Erleichterung, wie er seine Arme ebenfalls um mich schlingt. „Lass die Leute reden", murmele ich in sein Ohr, „Die haben doch keine Ahnung" Ich spüre, wie er, das Gesicht an meinem Hals vergraben, nickt. Wir bleiben noch kurz so stehen, dann löst er sich langsam von mir. „Danke", murmelt er, „Im Ernst, Alex, du hast keine Ahnung, wie gut du mir tust." Am liebsten würde ich wiedersprechen, aber ich will unseren Moment nicht kaputt machen, also greife ich nach seiner Hand, lächle ihn und frage: „Wollen wir zurückfahren?" Er lächelt zurück. „Definitiv. Genug Menschen für heute."
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Letters- Eine Hamilton Fanfiction
RomanceEine modern Style Hamilton/Lams Fanfiction: John Laurens, ein mehr oder weniger normaler Teenager aus South Carolina und Alex Hamilton, leicht Misanthropischer Waise aus New York werden einander als Partner bei einem Brieffreundschaftsprojekt zugete...