02.12 Sonntag

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Mareikes Sicht

Ich war gerade dabei die Schläuche zu kontrollieren, als Tobias, mein Kommandant, mich zu sich rufen ließ. Ich hiefte den Schlauch zurück an seinen Platz und sah mich dann nach ihm um. Tobias stand in der Eingangshalle am Tresen gelehnt und unterhielt sich mit einem Mann. Mit dem Mann, der gedacht hatte, dass es eine gute Idee wäre, trotz seiner Höhenangst auf einen Baum zu klettern. Dieser total heiße, aber ziemlich beleidigenden Schweizer mit dem niedlichen, leichten Dialekt.

Irritiert blieb ich stehen und runzelte die Stirn. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er in einem Interview noch ein wenig herumpöbeln würde, was für eine dumme Kuh ihn doch vom Baum gestoßen hatte, doch zu meiner Verwunderung kam davon nichts. Natürlich wurde in der Konferenz lange über den Vorfall diskutiert, aber keiner wusste, was genau passiert war. Ich würde es an Bürkis Stelle wahrscheinlich genauso machen und niemanden die peinliche Wahrheit sagen.  Darum war der 2:0 Sieg gegen Freiburg interessanter. Vor allem, weil Dortmund ja immer noch Tabellenerster war.                                                                                                  Gestern Abend, nach meiner Schicht, hatte ich mich noch in den Aufenthaltsraum gepflanzt und zusammen mit Markus, einem fünfzigjährigen Kollege und Freund die Zusammenfassung angeschaut.  Zum Spaß der anderen, die mich damit aufzogen, dass ich sie ja nur wegen einem bestimmten Kerl ansah. 

Tobi entdeckte mich und winkte mich zu sich. "Dieser junge Mann hier will zu dir", meinte er zwinkernd und deutete auf den Schweizer. Tobias war auch schon über die Fünfzig und der Chef des ganzen Ladens hier. Jeder mochte und respektierte ihn, denn Tobias war ein ziemlich cooler Boss. Aber auch wenn man mit ihm darüber diskutieren konnte, warum es Schwachsinn war, Germany next Topmodel anzuschauen, er einen auch mal zusammenpfeifen, wenn dieser etwas nicht zu seiner Zufriedenheit getan hatte. Ich habe mir nicht nur eine Ansage anhören dürfen, seit ich hier arbeitete.                                                                                      Roman lächelte verlegen und kratzte sich am Nacken. Ich der Hand hatte er eine Packung Toffifee. "Hallo" Es schien ihm ziemlich unangenehm zu sein, hier zu stehen, darum verstand ich den Sinn dahinter nicht wirklich. Trotzdem fragte ich nicht nach, sonder begrüßte ihn einfach auch.

Tobi schüttelte belustigt den Kopf und musste sich sichtlich ein Grinsen unterdrücken. So ein Mistkerl! "Ich geh dann mal wieder in mein Büro. Viel Spaß euch noch!"                                          
Innerlich verdrehte ich bei seinen Worten meine Augen. Als er schließlich verschwunden war, breitete sich die Stille aus und wir standen da wie bestellt und nicht abgeholt. "Ähm, warum sind Sie eigentlich da?", versuchte ich ein Gespräch zu beginnen. Roman atmete ein und lächelte schief. "Ich wollte mich entschuldigen. Mein Verhalten war beschi... bescheiden meine ich." Etwas unbeholfen reichte er mir den Toffe. "Oh. Danke." Kaum zu glauben, dass ich mit einem Promi etwas geschenkt bekam. Vor allem wenn dich dieser am Tag zuvor noch aufs Übelste beschimpft hatte. "Das wäre doch nicht nötig gewesen. Ich habe nur meinen Job gemacht." Roman Bürki lachte auf und schüttelte den Kopf. "Ich war ein Arsch! Sie wollten mir ja bloß helfen und ich habe Sie zum Dank angeschrien. Das tut mir leid!" Auch ich schüttelte nun den Kopf. "Sie haben sich bereits entschuldigt. Es ist wirklich okay! Das Einzige was ich mich frage, ist, warum Sie auf den Baum geklettert sind, obwohl Sie unter Höhenangst leiden."          

Er wollte schon zum Reden ansetzen, da platzte Nina plötzlich rein. Sie war gerade zu uns auf die Wache gekommen, ein Frischling, wie wir die Neuen hier bezeichneten.                                    
 "Hey Mareike. Hast du schon mal nach den Spenden gesehen? Oh, Entschuldigung! Ich habe Sie gar nicht gesehen!" Sie musterte Roman kurz, bevor sie sich wieder an mich wandte. Ninas soziales Engagement reichte für die ganze Feuerwehr und so hatte sie kurzerhand eine Aktion auf die Beine gestellt, in der wir hilfsbedürftigen Familien eine Freude zu Weihnachten machten. Alle waren hellauf begeistert und halfen in ihrer freien Zeit fleißig mit, aber es war trotzdem noch viel zu tun.                                                                                              "Wollte ich eigentlich morgen machen. Da habe ich erst Spätschicht und hab genügend Zeit, sie durchzusehen!", antwortete ich ihr, woraufhin sie zufrieden nickte. Erst dann schien sie Roman wirklich richtig anzuschauen. Ihre Augen wurden riesig und sie sah ungläubig zwischen uns hin und her. "Sie sind doch Roman Bürki oder?" "Ja genau. Der bin ich." Nina stieß ein Quietschen aus und holte ihr Handy aus der Hosentasche. Ich bereitete mich schon darauf vor, Fotografin zu spielen, doch zu meinem Verwundern tippte sie nur hektisch darauf herum. "Rebecca wird ausrasten. Ein Dortmundspieler in der Feuerwache. Das wird sie aus den Socken hauen!" So vor sich hin murmeln, ging sie weiter in die Umkleide. Man hörte nur noch kurz wie sie meine Schwester anrief. "Rebecca, du wirst es nicht glauben!"  Der brünette Fußballer schmunzelte, als er ihr hinterher blickte. "Oh, Sie sollten sich jetzt lieber aus dem Staub machen, denn wenn Rebecca kommt, könnten Sie noch eine Weile bei uns verbringen!", warnte ich ihn vorsorglich schon mal. "Ach, das bin ich gewohnt", winkte er nur ab. 

Schutzengel tragen FeuerwehrstiefelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt