23.12 Sonntag

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Mareikes Sicht

"Sie sollten echt noch hier bleiben!" Schwester Ingrid lief mir wie ein Hündchen hinterher, als ich mich mit meinen Krücken abmühte zum Empfang zu kommen. Ich war echt spät dran, meine Kollegen waren schon seit zwei Stunden unterwegs.

"Ich muss da aber mitgehen! Geben Sie mir einfach so einen Wisch, dass ich mich selbst entlassen habe und gut ist." 

"Aber Ihre Hüfte..."

"Ist am Dienstag immer noch geprellt. Da kann ich mich dann ausruhen. Kommen Sie schon, ich muss echt los!"

Zum Himmel betend  verschwand sie in den Raum für das Personal und kam dann kurz darauf mit meinen Entlassungspapieren zurück. "Bitte überlegen Sie es sich nochmal", bat sie mich, doch da hatte ich sie schon mit meiner Unterschrift verschönert.

"Einen schönen Tag noch!", rief ich, ehe ich schleunigst sah, dass ich wegkam. Mit einer ramponierten Hüfte war das aber leider nicht möglich.

Von Dominik wusste ich, wo seine Gruppe war. Ich gab dem Taxifahrer die Adresse und tippte mit den Fingern nervös auf meinem Oberschenkel herum. Ich hoffte, dass ich bei Mo und denen wäre, denn mit Roman wollte ich mich ehrlich nicht abgeben. Aber da Dominik nichts davon geschrieben hatte, dass der Torwart bei ihm dabei war, war ich guter Dinge.

Diese gute Dingen zerplatzten aber wie eine Seifenblase, als ich vor einer Wohnung wartete, in der sie gerade drin waren. Als erstes kam Jan raus und bemerkte mich, woraufhin er abrupt stehen blieb. Dominik lief voll in ihn rein. "Mareike, was, was machst du denn hier?", stotterte er und rieb sich mit dem Zeigefinger und dem Daumen die Augen. Der Sanitäter quetschte sich an dem Sechzehnjährigen vorbei.

"Mareike!" Ich stieß mich von der Wand ab, richtete mir meine Gehhilfen richtig hin und humpelte dann zu ihm hin. Mit Adleraugen musterte er mich. "Du siehst nicht gut aus. Warum liegst du nicht im Krankenhaus?"

Unter seinem spitzen Blick zuckte ich mit den Schultern. Betont gleichgültig wandte ich mich ab und inspizierte die nächste Türe, durch die wir gleich gingen. "Ich werde euch helfen! Du glaubst doch nicht, dass ich wegen einer geprellten Hüfte einfach tatenlos herumsitze." 

In dem Moment sah ich ihn. Er trug einen großen Sack über den Schultern und machte einen Eindruck, als hätte Knecht Ruprecht ihm eine mit der Rute drüber gegeben. Als er mich sah, verdüsterte sich seine Miene noch mehr. Ach leck mich doch, ich will dich doch auch nicht hier haben! Da konnte er auch noch so gut aussehen. 

"Hast du dich einfach selber aus dem Krankenhaus entlassen?" Jan lachte und gab mir eine leicht Kopfnuss. Sein Bruder war bei sich zuhause und schlief wahrscheinlich. Das war unsere Lieblinsgbeschäftigung geworden, seit wir beinahe abgekratzt wären. "Ist doch egal. Komm, wir sollten weiter. Schließlich haben wir noch einige Kinder vor uns!" 

Entschlossen übernahm ich die Führung. "Noch langsamer geht es wohl nicht, was?", hörte ich von hinten Roman murmeln. Meine Griffe um die Krücken wurden fester, als ich mich ermahnte nichts zu erwidern. Nur wegen den Kindern. Es käme wohl nicht so gut, wenn sich die Geschenkeüberbringer vor den Wohnungen der Kinder anschreien würden. Außerdem sollte ich meine Lunge noch nicht zu sehr belasten. Ich spürte jetzt schon, dass ich bald einen Hustenanfall bekommen werde.

Jemand stieß den Arsch anscheinend in den Bauch, denn ich hörte ein Keuchen und wie Dominik etwas zischte. Oh, das war süß von ihm! Ich wusste ja, dass er normalerweise total der Dortmundfan war. Dass er jetzt wegen mir sein Idol zusammenschiss war echt verdammt niedlich. 

Die meisten Kinder freuten sich fast mehr über die Anwesenheit des Fußballer, als über ihre Geschenke. Sie waren alle so niedlich! Die Kleineren hatten uns, "Die Helfer des Christkindes", wie sie uns nannten, etwas gemalt oder gebastelt, hatten extra ein Musikstück auf ihrer Flöte eingeübt oder sangen uns ein kleines Ständchen. Die Älteren gaben sich ganz cool, doch in ihren Augen konnte man das aufgeregte Funkeln erkennen. Die Eltern hatten Tränen in den Augen, wenn sie uns dankten. Viele boten mir einen Stuhl an. "Den größten Respekt, dass Sie selbst mit einer Verletzung Kindern eine Freude machen wollen!" 

Schutzengel tragen FeuerwehrstiefelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt