Nervös zupfte ich an Ausschnitt meines dunkelblauen Dirndls herum. Zwar freute ich mich unmenschlich, mit Sophia auf die Wisn gehen zu dürfen, dafür aber konnte ich weder meine Beine, noch meine Hände still halten vor Aufregung, sie wiedersehen zu können. In letzter Zeit war es bei uns beiden stressig gewesen, also hatte ich sie, so schien es mir, Ewigkeiten nicht gesehen. Immer, wenn wir uns im Gang trafen, umarmten wir uns zwar und wechselten ein paar Worte, aber so wirklich Zeit, um ausführlich zu reden hatten wir nicht und ich vermisste unsere Gespräche und das Gefühl, ein wenig an ihrem Leben teilhaben zu können und ihr alles erzählen zu dürfen, wenn ich auch manchmal mit humorvollen, gutgemeinten Sticheleien zu rechnen hatte.
Mit einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, befand ich sowohl mein Dirndl, als auch meine blonden Haare, die zur Abwechslung einmal zu einer Flechtfrisur zusammengebunden waren, als sitzend und verließ mein Zimmer, verabschiedete mich kurz von meinen Eltern und versprach, vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause zu sein. Den anschließenden Weg mit der Tram war die reinste Hölle, noch schlimmer, als auf eine Aufführung zu warten. Ich konnte an nichts anderes Denken als an sie, was mir in letzter Zeit doch viel zu häufig so ging. Als ich endlich aussteigen konnte, raffte ich meinen Rock zusammen, überprüfte ihn kurz auf Falten vom Sitzen, die ich notdürftig glatt strich.
Durch die doch recht dichte Menschenmenge kämpfte ich mich entschlossen durch, immer in Gedanken bei dem Mädchen, das irgendwo jenseits des Stroms auf mich warten würde. Als ich sie letztendlich sah, musste ich mich wirklich zurückhalten, nicht einfach wie das riesigste Fangirl auf sie zuzurasen und umzuwerfen. Allein ihr Anblick in einem modischem Dirndl, das ihr außerordentlich gut stand, reichte aus, mein Herz mindestens zehnmal so schnell schlagen zu lassen, was sich sicher noch einmal verdoppelte, als sie mich fest umarmte. Ich hätte sie am liebsten nie wieder losgelassen.
Sie schaute an mir herunter und ließ mich mit ihrem forschen Blick unwohl fühlen. "Hübsch siehst du aus!" Ihr Lächeln zauberte auch meine Mundwinkel nach oben und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr ich mich über das Kompliment freute. Die Tatsache, dass ich dafür mindestens eine Stunde vor dem Spiegel gebraucht hatte, verschwieg ich ihr auch. "Du aber auch..", murmelte ich verlegen und versuchte, nicht all zu sehr auszusehen, als würde ich sie gleich überfallen wollen würde, weil sie so verboten gut aussah. Die Tracht betonte ihre weibliche Figur, hob ihre Brust hervor und ließ sie wirken wie ein Model aus einem Dirndlmagazin.
Mein Dauergrinsen bekam ich auch eine halbe Stunde später noch nicht auf dem Gesicht, das erste Mal seit Wochen fühlte ich mich erfüllt, gänzlich zufrieden und wunschlos glücklich. Auch, wenn eine Toilette jetzt schön gewesen wäre.
"Komm, ich mag Kettenkarussell fahren", versuchte mich Sophia umzustimmen. An sich hatte ich nichts dagegen, vor allem, weil ich in den Zweiersitzen nahe bei ihr sein konnte, aber ich hatte wenig Lust, mich ewig anzustellen, denn die Schlange führte gefühlt nach Bugstehude.
Letztendlich überzeugte mich doch die Ausrede, ihr nahe zu sein und auch das Anstellen schien mit ihrer Gesellschaft weniger schlimm. Das Warten überbrückten wir mit mehr oder weniger wichtigen Gesprächsthemen. Vom neuesten Stück im Ensemble über das Musical, das wir bald mit dem Orchester aufführen würden bis hin zu der Tatsache, dass ich jetzt zu behaupten wagte, lesbisch zu sein. Ich wusste nicht, was in ein paar Jahren sein würde, aber für den Moment schien es genau die passende Beschreibung für meine Gefühlslage. Sie freute sich für mich, dass ich mein inneres Outing so unkompliziert gemacht hatte.
Ich schien komplett die Zeit vergessen zu haben, denn ehe ich es mich versah, waren wir an dem Ticketschalter angekommen. Ich hatte weder die Bewegung der Schlange, noch die immer tiefer sinkende Sonne bemerkt, so sehr war ich auf unser Gespräch vertieft. Was machte dieses Mädl nur mit mir..?
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Oneshots (Youtuber, real life,...)
FanfictionEinfach ein paar Geschichten, die mir spontan in den Sinn kommen :) Updates gibt es immer, wenn ich Ideen/Inspirationen habe. Das kann täglich, wöchentlich oder monatlich sein. Viel Spaß beim Lesen!