L.I.E.S. #5

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"Also, wenn da nicht die ganze Schule aufkreuzt, dann weiß ich auch nicht", lachte Marlene, als sie das bunt gestaltete Plakat an die Glastüre hängte.

Mit fetten Lettern stand dort:

Girlfriend gesucht!

Du bist über fünfzehn und sehr warmherzig? Gutaussehend, aufmerksam und treu?


Dann lass dich auf ein Blinddate mit einer verzweifelten Seele mit Liebeskummer ein! Freude und Unterhaltung garantiert!  (Am nächsten Montag in der Mittagspause in 0.12m)



"Ja, sicher.", erwiderte Leonie ironisch, als sie den Text nochmal überflog und zog ungläubig ihre rechte Augenbraue nach oben. Ihr gefiel nicht, dass sie versuchten, Olivia auf solch.. wie sollte sie es ausdrücken.. uncharmante, peinliche und absolut lächerliche Art zu verkuppelt. Vor allem, da diese noch nichts von ihrem "Glück" wusste. Die Mittagspause nächsten Montag bot sich natürlich an, weil ihr Nachmittagsunterricht ausfallen würde und alle fünf sich dazu verpflichtet fühlten, Olivia aufzumuntern, auch wenn die Methode, wie sie das versuchten, einigen von ihnen gegen den Stich ging. Das Hauptziel war es einfach das Mädchen wieder ehrlich lächeln zu sehen. Und auch, wenn es unmöglich schien, jeder hatte sich den Vorsatz gemacht, sein bestmöglichstes beizutragen.


Als Cosima und Leonie das nächste Mal, Montag morgen, an besagter Glastüre vorbeiliefen, war das Plakat verschwunden. Auch wenn es sie sehr verwunderte, war doch irgendwo eine Mischung aus Erleichterung, das es niemand mehr sehen konnte und Panik, was damit passiert sein könnte. Doch die Gedanken verdrängten beide, als sie ihre erste Stunde -Kunst- absitzen mussten.

Letztendlich war der Nachmittag schneller gekommen als gedacht, so sehr waren sie in ihrem normalen Schulalltag gefangen gewesen. Als Olivia begann ihr Zeug im Klassenzimmer, nachdem sie von Sport wiedergekommen waren, einzupacken, wurde sie stürmisch von drei Leuten bedrängt, die sie überredeten, noch mit in den Nebenraum zu kommen. "Leuds, tut mir echt Leid, aber ich muss nach Hause..", wehrte sie die Versuche der anderen, sie zum Bleiben zu überreden, ab. So gerne sie ihre Freunde hatte, sie war momentan weder in der Stimmung noch hatte sie die Nerven dazu, mit anderen Menschen Zeit zu verbringen, sie wollte einfach alleine sein und ihr Leben hassen, ihre Katze vermissen und sich fragen, warum ihre Liebe so schmerzhaft unerwidert blieb. Doch sie ließen nicht locker, nervten so lange, bis sie zustimmte und sich mit ihnen in den großen Raum an einen der Tische setzte. "Und was jetzt?", frage sie in die Stille. Warum hatten die anderen sie hier hin mitgeschleppt? "Ähm..", ratlos schaute Franzi zu den anderen, die auch nur ratlos den Kopf schüttelten. Es sollte doch sicherlich jemand kommen, oder? Wenigstens irgendwelche Neugierigen, die einfach schauen wollten, was los war? Andererseits hatten sie ganze fünfundvierzig Minuten eingeplant, von da her war die Chance noch groß, dass bald jemand aufschlagen würde.

Eine weitere halbe Stunde verstrich, in der Olivia es aufgegeben hatte, Fragen zu stellen, die eh nicht beantwortet werden würden. Irgendwann hatten sie angefangen Hausaufgaben zu machen und sich gedämpft zu unterhalten. Während alle eine frisch-fröhliche Miene aufsetzten und so taten als wäre nichts, drängten sich immer wieder Unsicherheiten hoch. Es müsste doch langsam mal jemand kommen!

Gerade, als Kathi, die immer noch leicht krank war und eigentlich nur wegen des Blinddates in die Schule gekommen war, ihren Ordner wegpackte, beschlossen auch alle anderen zu gehen, es würde eh nichts bringen, noch länger hier herumzusitzen. Alleine Olivia blieb nach überschwänglicher Verabschiedung in dem Klassenzimmer zurück. Was sollte das alles hier?

Sie wollte auch schon ihr Buch wegstecken, als sich die Türe öffnete. Bei dem Anblick der Person, die im Türrahmen zögernd stehengeblieben war, als ob sie nicht wissen würde, ob sie reingehen sollte, traute Olivia ihren Augen nicht. Ihr Herz fing an, schneller zu schlagen und sie musste schlucken. Die braunen, kurzen Haare, das sanfte Lächeln, das ihr leichte Grübchen zauberte und ihre Gesichtszüge unfassbar freundlich machte. Die Brille, die auf ihrer Nase saß und die ihr so unfassbar gut stand, der große Schal, der ihre Haare leicht abstehen ließ.. Sie könnte umfallen, schreien oder vor Freude hüpfen, als sie jedes kleinste Detail ihres Auftretens anstarrte, jedes Detail, das ihr so unfassbar vertraut war und jedes Detail, das sie perfekt machte.

In ihrer Hand hielt die junge Frau ein Blatt Papier, das sie Olivia nach einer wortlosen Umarmung überreichte. Es war ein Aushang für ein Blinddate. Heute, in diesem Raum. Und Sophia war in der letzten Minute gekommen.

Oneshots (Youtuber, real life,...)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt