L.I.E.S #7

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"Einen Eiskaffee bitte" ich ließ mich auf den Hochstühlen vor der Bar nieder. "Einen Moment bitte.." die Barkeeperin schaufelte Eis in ein hohes Glas und holte in einer fließenden Bewegung die Milch aus dem Kühlschrank, schüttete etwas ein, stellte das Glas unter die Kaffeemaschine und drückte auf einen Knopf.
Währenddessen beobachtete ich die junge Frau ganz genau. Irgendwie kam sie mir bekannt vor. Und sie sah verdammt gut aus. Ihre blonden Haare hatte sie aus dem Gesicht gebunden und ihre Augen hatte sie leicht vor Konzentration zusammengekniffen.
"Hier" Sie stellte mir den Milchkaffee vor die Nase.
"Danke.. " murmelte ich gedankenverloren. Mich beschäftigte immer noch die Vorlesung von heute. Theologie war schon immer eines meiner Traum Studiengänge gewesen und als ich vor einem halben Jahr den Studienplatz an der LMU bekommen hatte, war ich der glücklichste Mensch überhaupt.
Und trotzdem: obwohl mein Leben gerade ziemlich perfekt war, fehlte mir doch etwas: ich war neunzehn und immer noch ungeküsst. Also so halb ungeküsst. Wenn man den einen Schmatzer nicht mitrechnet, den mir Leonie betrunken auf der Abifeier auf die Lippen gedrückt hatte. Aber der zählte nicht.

Ich rührte in dem kalten Getränk herum und stach die Kugel Vanilleeis auf den Strohhalm auf. Ich nahm einen Schluck und blickte wieder zu der blonden, unfassbar gutaussehenden Barkeeperin herüber.
Sie schüttelte gerade einen Cocktail auf.

Draußen begann es langsam zu dämmern, aber es herrschte eine immer noch unfassbare Hitze überall.

Bald waren Semesterferien und ich war noch ratlos, was ich machen wollte. Also außer lernen natürlich.
Ich nahm wieder einen Schluck und sah auf mein Handy. Tabi hatte mir geschrieben, sofort fing ich an zu grinsen. Ich antwortete, dass es mir gut ginge und dass wir morgen oder noch später am Tag, gerne telefonieren könnten.
Die hübsche Barkeeperin richtete den nächsten Cocktail her und sah unfassbar gut dabei aus.

Und obwohl ich mir vorgenommen hatte, heute früh ins Bett zu gehen, blieb ich noch länger sitzen. Bald war es dunkel draußen und die Luft wurde weniger drückend.
Die Barkeeperin putzte die Tische hinter mir ab, am liebsten würde ich sie beobachten, aber mich komplett umzudrehen wäre doch etwas auffällig.

Mein Eiskaffee war schon länger leer, ich war aber zu geizig mir einen neuen zu bestellen.
Einige Minuten später war ich mit der Barkeeperin alleine und ich bereute, warum ich sie nicht einfach ansprach. Warum war ich zu schüchtern dafür?

Ich schaute jeder auf mein Handy. Ich sollte wirklich gehen, aber etwas hielt mich hier. War es wirklich die junge Frau, die mir so seltsam bekannt vorkam?
Sie kehrte wieder hinter die Bar zurück.
"Wie heißt du?", fragt sie nebenbei als ob sie mir eine Frage nach dem Wetter stellen würde.
"Oli", erwiderte ich. Sie schaute mich nachdenklich an. "Kann es sein, dass wir uns kennen?" "Hab ich mir auch gedacht"
"Ich bin Katti" "Katti?", entfuhr es mir überrascht. "Moment, Oli, bist du's? Die Oli aus der Schule? Aus Theater?" "Ja", lachte ich und sie stimmte mit ein. Ihr Lachen war noch genauso schön wie früher. Sie auch.

"Was machst du so momentan?", fragte sie mich und so begann eine lange Konversation, nach der ich doch viel zu spät für meinen Geschmack nach Hause kam.

Am nächsten Tag ging ich wieder nach meiner Vorlesung in die Bar. Katti war wieder da.
Sie begrüßte mich dieses Mal mit einem wunderschönen, breiten Lächeln und reichte mir wortlos einen Eiskaffee. "Geht aufs Haus", zwinkerte sie mir zu.
Ich errötete leicht und sagte leise: "danke"

Später an dem Abend und um einige Drinks voller wurde meine Zunge etwas lockerer und wir führten interessante Gespräche. Wie es ihr ging, was sie in einer Bar machte und so weiter.

Als ihr Schicht zu Ende war, nahm sie mich mit zu ihr, weil ich doch schon etwas mehr getrunken hatte als dass ich noch sonderlich sicher nach Hause gekommen wäre.

"Katti?" "Ja?" sie drehte sich zu mir, während wir nebeneinander zu ihr liefen.
"Weißt du, was lustig ist?" "Nein?" "Dass wir uns wiedergefunden haben" "ja, ist schon lustig. Aber noch schöner." Ich lächelte verliebt, ja das war es. "Weißt du Oli.. weil du dich morgen vermutlich eh nicht mehr erinnern kannst, erzähle ich dir was" ich schaute sie an oder ich versuchte es zumindest, fokussieren war mit dem Ethanol im Blut schon etwas schwieriger.
"Ich war richtig schlimm verliebt in dich damals in der Schule" ich lachte "ich auuuch! Ich hab immer meinen Freundinnen erzählt, wie toll du bist!" Sie ging nicht darauf ein, sondern sagte nur schlicht "und ich liebe dich immer noch, weißt du? Ich habe dich zwar erst gestern wiedergesehen, aber du hast noch den gleichen Zauber an dir, den ich damals schon in dir gesehen habe.." ich blieb stehen. Meinte sie das ernst. Ich wankte leicht und sie hielt mich. "Du erinnerst dich morgen wahrscheinlich eh nicht mehr daran", wiederholte sie für sich, kam mir näher und küsste mich.

In einer warmen Sommernacht im Mondschein sollte diese Geschichte erst ihren Anfang nehmen, denn obwohl ich am nächsten Tag etwas zerstört war, konnte ich mich an alles erinnern. Und wie!

(841 Wörter)

Oneshots (Youtuber, real life,...)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt