Kapitel 5 (Flame):

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  • Gewidmet Carina
                                    

Kapitel 5 (Flame):

Als ich sehe, wie Xoon mit Moonshine zurückkommt, fällt mir ein riesiger Stein vom Herzen. Ich weiß nicht, wieso, aber mir gefällt die Kleine. Sehr sogar. Ihr Aussehen, ihre Art, einfach alles. In der langen Zeit auf der Straße habe ich gelernt, Menschen sehr schnell einschätzen zu können. Und so kann ich mit ziemlich großer Sicherheit sagen, dass es eine gute Entscheidung war, sie in die Gruppe aufzunehmen. Und ich mag sie. Eigentlich dürfte das meine Entscheidung als Leader nicht beeinflussen, doch das tut es trotzdem. Ich mag sie sogar sehr. Auch wenn ich sie nicht richtig kenne, merke ich, dass sie verdammt viel Potential hat.

„Verpisst euch, ihr Penner!“, ich schrecke hoch. Bin wohl doch eingenickt. Ich reibe mir kurz den Schlaf aus den Augen. „Haben Sie nicht bisschen Kleingeld?“, ich staune nicht schlecht, als ich sehe, wie Moonshine den Reinigungsmann, der uns jeden Morgen von hier vertreibt, anflirtet. Dieser mustert sie ziemlich lange, doch dann schüttelt er den Kopf. „Verschwindet einfach. Wenn mein Chef das sieht, bekommt ihr ziemlichen Stress“, sagt er schließlich. Ich hebe eine Augenbraue. Sie bringt also jetzt schon was. Allein durch sie, sind die Typen freundlicher. Und Freundlichkeit ist der schon mal ein Anfang. Ich packe meine Sachen schnell zusammen, dann sehe ich mich nach meiner Gruppe um. Als ich sehe, dass alle startbereit sind, gehe ich los. „Schönen Tag noch“, rufe ich dem Reinigungsmann zu, doch als dieser mir einen vernichtenden Blick zuwirft, ziehe ich den Kopf ein, und laufe weiter. „Ich wollt ja nur nett sein...“, sage ich leise und die Jungs brechen in schallendes Gelächter aus. Auch Moonshine neben mir grinst in sich hinein, was mir Hoffnung gibt, dass sie sich hier doch noch irgendwie einleben wird. „Was heute?“, fragt mich Nick. Ich ziehe nachdenklich die Stirn in kraus. „Mh. Ich würde sagen, Nick geht mit Xoon in den Norden“, die beiden nicken, verschwinden wortlos. Ich denke kurz nach. Mist. Ich will Moonshine weder mit L.A., noch mit Jordan allein lassen. Aber die beiden zusammen...? Am Ende landet einer im Knast. Aber heute muss ich es riskieren, um Moonshine Sicherheit zu geben. „L.A. und Michael Air, ihr geht zusammen in die Innenstadt. Ich gebe mit Moonshine zum Dom.“ Die Beiden grinsen sich an, führen einen kindlichen Hand- Check durch und rennen dann los. Ich sehe Moonshine an, sie erwidert meinen Blick. „Gehen wir“, sage ich, und sie nickt. Schweigend laufen wir in Richtung Dom. Die Kälte ist erdrückend. Es ist gerade mal sieben Uhr morgens und immer noch stockdunkel, doch wir sind gezwungen, zu einem öffentlichen Platz zu gehen, da alle privaten Geschäfte oder Hotels uns vertreiben, wenn sie uns sehen. Oder noch schlimmer: Die Polizei rufen.  Als ich sehe, wie Moonshine neben mir zittert, betrachte ich ihr Outfit genauer. Sie trägt schwarze, breite Turnschuhe, die für ihre Größe viel zu riesig wirken. Ihre dünnen Beine stecken in einer hautengen, schwarzen, zerschlissenen Jeans. Die meisten Risse sind nur kurz und etwa einen Zentimeter breit. Doch an ihrem rechten Oberschenkel klafft ein faustgroßes Loch. Dadurch sehe ich ihre Haut, die von der Kälte Gänsehaut gebildet hat. Ihr dunkelblauer Hoodie liegt ihr fast noch enger an, als die Hose, man sieht sogar ihre Hüftknochen durch. Kein Wunder, dass sie friert. Ich bleibe stehen. „Ist was?“, sie ist erst noch ein paar Schritte weitergelaufen, doch bleibt nun auch stehen. Ich ziehe meine Lederjacke aus und reiche sie ihr schweigend. Ich friere eh nicht, denn ich habe noch eine dicke, warm gepolsterte Kapuzenjacke an. Ich merke, wie sie zögert. „Bist du dir sicher?“, fragt sie mich leise, überrascht. Als ich nicke, breitet sich in ihrem Gesicht ein breites Lächeln aus. Dann hüllt sie sich in die Jacke. Jetzt muss auch ich grinsen. Meine Lederjacke hüllt sie vollkommen ein, geht ihr fast bis zu den Kniekehlen. „Steht dir gut“, sage ich lachend. Sie sieht mich an, doch dann wird sie rot und betrachtet den Boden. Mh, sie ist schon verdammt süß.

On the road- Kinder der StraßeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt