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Völlig perplex stand Hannah wie angewurzelt mitten im Wohnzimmer und starrte in den Flur. Was war da gerade nur passiert? Vor nicht mal 45 min war noch alles in bester Ordnung gewesen. Wie konnte diese Auseinandersetzung zwischen Ben und ihr nur so eskalieren? Im Gedanken ließ sie den Streit noch einmal Revue passieren. Ihr Dickkopf war der Meinung, dass sie keine Schuld an der ganzen Auseinandersetzung hatte. Hätte sie gleich sagen sollen, dass sie Ben vermisste, ohne sich darüber überhaupt Gedanken zu machen? Sie dachte über seine Frage nach und ging die Tage in Irland nochmal durch. Sie fand es schade, dass er nicht mit nach Irland gefahren ist. Es hat sie genervt, dass er sich nicht meldete und ständig feiern war, aber hat sie ihn auch vermisst?

Wütend setzte sich Hannah aufs Sofa und schaltete den Fernseher ein. Sie würde mit Sicherheit nicht klein Beigeben und sich bei Ben entschuldigen. Dafür hatte Hannah einfach einen zu großen Dickkopf. Da sie nicht alleine sein wollte und das Thema Ben zugegebenermaßen ihr keine Ruhe ließ, rief sie Sandra an: „Hey Sandra, was machst du gerade?" „In meinem Zimmer hocken und fernsehen. Und du? Ich dachte, du wolltest dich mit Ben treffen?" „Ja, das wollte ich auch. Er war auch hier, ist aber wütend abgezischt." „Oh, was ist passiert?", fragte Sandra und Hannah erzählte ihr alles haargenau. „Sag mal, hast du nicht Lust noch vorbeizukommen? Mir ist irgendwie nicht nach alleine sein." Sandra versprach Hannah so schnell wie möglich bei ihr zu sein und legte auf. Währenddessen tauschte Hannah ihren Rock gegen eine Jogginghose ein und knotete ihre Haare zu einem Dutt zusammen. Kaum war Hannah wieder unten im Wohnzimmer angekommen klingelte es schon an der Tür. „Bist du geflogen?" Sandra lachte nur und musterte Hannah von oben bis unten: „Und du wunderst dich, dass Ben geflüchtet ist?" Hannah brummte: „Sehr witzig, ich habe mich gerade umgezogen." „Und du kannst dich gleich nochmal umziehen." Hannah starrte ihre Freundin entsetzt an, die sich eine Gabel vom Tisch schnappte und das chinesische Essen, das Ben mitbrachte, in sich hineinstopfte. „Denkst du, ich lasse dich hier Trübsal blasen? Wir treffen uns mit Nora und Nicole im Irish Pub. Hannah maulte: „Oh nee, da habe ich ja überhaupt keine Lust drauf." „Papperlapapp, keine Widerrede. Schwing deinen knochigen Hintern nach oben, zwäng dich in deine Jeans und dann ab die Post. Wir wollen die anderen doch nicht warten lassen." Sandra grinste. Sie war immer für eine Überraschung gut. Hannah, die keinen Ausweg sah, stampfte nach oben, zog sich eine schwarze Jeans an und suchte nach ihrer kleinen Handtasche. „So gefällst du mir schon viel besser." Hannah streckte ihr die Zunge raus, während Sandra die Tür öffnete und sie gemeinsam in die Nacht gingen.

Nicole und Nora warteten bereits vor dem Pub, die beide eine rauchten. „Die kann ich jetzt auch gebrauchen", sagte Hannah und nahm Nora die Zigarette ab. Nora lachte: „So schlimm heute?" Hannah zog genüsslich an der Zigarette, gab diese Nora zurück und zuckte mit den Schultern. Sandra quetschte sich zwischen Nora und Hannah und legte ihre Arme um jeweils einer Schulter der beiden jungen Frauen: „Dann lassen es wir heute mal ordentlich krachen und vergessen einfach mal die Männer." Hannah verdrehte die Augen, während Nora verlegen lächelte. Sie konnte sich über Kai nicht beklagen. Der Pub war gut besucht, trotzdem fanden sie einen freien Tisch in einer Ecke, an denen sie sich niederließen und jeder ein Guiness bestellte. Nicole nahm einen großen Schluck von ihrem Bier: „Also, Hannah. Warum haben wir jetzt einen Mädchenrat einberufen. Sandra meinte nur, du hättest Stress mit Ben?" Hannah verschluckte sich an ihrem Bier: „Bitte, was?" Sie musterte Sandra böse, die nur schulterzuckend grinste. „Ben und ich haben uns nur gestritten. Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit. Nichts weiter." Nora, Sandra und Nicole tauschten besorgte Blicke untereinander, die Hannah nicht unbemerkt blieben. „Ok, spuckt es aus. Warum schaut ihr so skeptisch?" Nora spielte nervös an ihrem Glas herum, während die anderen beiden Hannahs Blicken auswichen. Hannah wurde langsam unruhig. Irgendwas war hier doch im Busch: „Im Ernst. Was ist los?" Sandra war die erste, die das Wort ergriff. „Also das ist nur so eine Vermutung, ok? Als du am Telefon den Namen Lisa erwähnt hast, bin ich stutzig geworden." Hannah verstand nur Bahnhof. „Kai hat letztens auch von einer Lisa erzählt. Er war ja letzte Woche mit Ben und Hannes unterwegs. Diese Lisa war wohl nicht ganz abgeneigt von Ben und die haben sich auch richtig gut unterhalten." „Und was ist so schlimm daran?", fragte Hannah vorsichtig. „Ich habe Ben gestern mit einem dunkelhaarigen Mädchen gesehen." So langsam dämmerte es Hannah. „Ben musste gestern arbeiten", sagte sie tonlos. Nora, Sandra und Nicole saßen ihre Freundin vielsagend an. Hannahs Gedanken fuhren Achterbahn. Sie schien kurz die Fassung zu verlieren, fing sich jedoch schnell wieder und lächelte ihre Freundinnen an: „Das ist doch lächerlich. Ich vertraue Ben. Ihr habt zu viele Soaps gesehen. Da gibt es bestimmt eine logische Erklärung. Nach der Arbeit geht er doch öfter noch mit seinen Kollegen weg." Nora griff über den Tisch nach Hannahs Hand: „Ich bin mir sicher, dass es dafür eine Erklärung gibt, aber wir wollten, dass du das weißt. Es wäre nicht fair, dir so etwas vorzuenthalten." Hannah nickte. „Danke, ich weiß das wirklich zu schätzen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass da nichts weiter an der Sache dran ist." Sie lächelte in die Runde und hob ihr Glas: „Und jetzt vergessen wir mal die ganzen Männer und machen das, wofür wir hier sind. Auf uns!" Die Mädchen nickten einstimmig und prosteten ihr zu. Während die Anspannung bei den drei Mädchen verflogen ist, machte sich Hannah insgeheim doch mehr Gedanken über Ben und diese Lisa, als sie eigentlich wollte.

Zwischen Liebe und FreundschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt