Der Abbruch

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"Brecht ab", schrie Olivia.

"Ein bisschen spät dafür", hörte ich Tom antworten.

Um mich herum war Chaos. Die Dunkelheit - nur durchbrochen von wenigen roten Notlampen - zusammen mit dem Heulen des Alarms und der mysteriösen 'Krankheit', die um sich zu greifen schien, hatte die anderen Gäste in Panik versetzt.

"Scheiße! Okay, dann müsst ihr sofort da raus."

"Leichter gesagt als getan, Liv", entgegnete Tom.

"Mir egal wie ihr's macht, aber ihr müsst SOFORT verschwinden!"

Die Panik in Olivias Stimme ließ mein Herz schneller schlagen.

"Der Hinterausgang bei mir in der Küche ist frei", antwortete Pyotr.

"Okay, ich komm dahin. Trefft mich da. Charlie?"

"Ich bin hier. Komme!"

Nach all der Zeit, die ich über den Bauplänen der Villa gehangen hatte, kannte ich das Gebäude in und auswendig. Ich würde den Weg auch im Dunkeln finden.

"Rosa? Bist du da?"

Olivia klang besorgt. Keine Antwort.

"Rosa?"

Für ein paar unendliche Augenblicke schienen wir alle auf die Antwort zu warten. Stille. Ich spürte wie ich nervös wurde.

Wenn doch nur endlich der Alarm aufhören würde. Ich konnte mich nicht Mal selbst denken hören.

In der nächsten Sekunde griff jemand nach meiner Hand und riss mich mit. In der Dunkelheit neben mir konnte ich Tom erahnen.

"Zum Hinterausgang. Sofort!"

"Aber Rosa..."

Tom zog mich wortlos aus dem Raum, vorbei an der Figur des Wachmanns, die auf dem Boden lag und die Gänge hinunter. Neben uns strömten die anderen Gäste ängstlich in Richtung Ausgang.

"Rosa, wo bist du?"

Ich konnte hören, dass Olivia versuchte ihre Stimme ruhig zu halten.

"Ich bin hier!"

Erleichterung durchströmte mich, als ich endlich Rosas Stimme hörte und gleichzeitig schien etwas nicht richtig zu sein. Meine dunkle Ahnung wurde mit ihrem nächsten Satz bestätigt:

"Ihr müsst ohne mich fahren. Tom, sorg' dafür, dass die anderen hier rauskommen. Ich..."

Rosas letzte Satz wurde von einem Schrei unterbrochen. Ich blieb wie angewurzelt stehen als hätte man mich mit Eiswasser übergossen. Sogar Tom, der meine Hand noch nicht wieder losgelassen hatte, stand still.

"Pyotr, bleib wo du bist!"

Toms Stimme war kalt. Ich klammerte mich verzweifelt an den Klang und versuchte die Panik zu verdrängen, die Rosas Schrei bei mir ausgelöst hatte. Tom zögerte kurz, doch eine Sekunde später hatte er wieder begonnen in Richtung Ausgang zu rennen. Es war nicht mehr weit. Nach ein paar Schritten kam uns Pyotr entgegen, offenbar entschlossen Rosa zu finden. Tom ließ mich los und packte Pyotr am Arm.

"Zum Ausgang. Jetzt!"

Pyotr versuchte sich losreißen, doch Tom ließ nicht locker. Pyotr war ein Stück größer und um einiges breiter, doch Tom schien fest entschlossen nicht zurückzuweichen.

Für einen Moment sahen die beiden sich wortlos an und sogar in dem schwachen Notlicht konnte ich eine Mischung aus Wut und Angst in Pyotrs Augen sehen.

"Leute, macht schon. Die Sirenen kommen immer näher", drängte Olivia.

Jetzt hörte ich es auch. Von weitem klang es, als wären dutzende Polizeiautos auf dem Weg. Bei dem Geräusch schien auch Pyotr aus seiner Starre zu erwachen.

Charlie, die Einbrecher und der Diebstahl des JahrhundertsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt