Wodka in Teetassen

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"Wen?"

Tom klang genauso verwirrt, wie ich mich fühlte.

"Ich will, dass ihr mir Cleos Geschäftsbücher bringt. Und zwar vollständig. Und ihren Buchhalter."

"Eine Entführung?", Olivia schoss Rosa einen fragenden Blick zu, doch sie wich ihr entschieden aus.

"Ihr habt drei Tage."

"Drei Tage?", fragte Pyotr entrüstet, "absolut unmöglich."

Warburton gab kein Zeichen, dass er Pyotr überhaupt gehört hatte. Teilnahmslos fuhr er fort:

"Wenn ich nicht in drei Tagen den Buchmacher vor mir und die Bücher auf meinem Schreibtisch hier habe, werden euch meine beiden Angestellten", er nickte mit dem Kopf in Richtung Tür, an deren Seite noch immer die Männer standen, die uns durchsucht hatten, "einen Besuch abstatten. Und nicht nur euch."

Bei dem letzten Satz hatte sein Blick schwer auf Olivia und Tom geruht. Ich sah wie sich Toms Fingernägel in seine Handflächen bohrten, aber Olivia verzog keine Miene.

"Das war alles."

Die beiden Männer hinter uns öffneten die Tür. Ich wollte nichts anderes als hier raus, aber irgendetwas drückte mich schwer in das Sofa und ich konnte mich nicht bewegen. Olivia berührte vorsichtig meinen Arm und schien mich so aus meiner Starre zu lösen. Zögerlich standen wir auf. In der nächsten Minute fanden wir uns draußen unter dem grauen Novemberhimmel wieder, augenscheinlich die einzigen weit und breit.

Auch das Auto das uns hergebracht hatte, war verschwunden und es sah so aus als würden wir zum Bahnhof laufen müssen.

Ich warf einen Blick zurück auf die toten Fenster der Villa und konnte das Gefühl nicht abschütteln, als würde uns ein böses Augenpaar dahinter verfolgen. Schaudernd lief ich den anderen hinterher, die bereits in der Nähe der schwarzen Tannen waren. 

Ich schätzte wir würden etwa eine Stunde brauchen, um zum Bahnhof zu laufen, vor allem, weil Rosa durch ihr Hinken langsamer war als wir. Pyotr hatte beschützend einen Arm um sie gelegt, den sie zu meiner Überraschung nicht abgeschüttelt hatte.

Wir hatten uns entschieden, über die verlassenen Felder zu laufen, um keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Ein feiner Nieselregen sorgte dafür, dass meine Schuhe immer wieder im Schlamm stecken blieben und mir die Kälte bis auf die Knochen kroch. Warburtons Drohung ging mir nicht aus dem Kopf. Drei Tage waren nichts. Wie sollten wir es in so kurzer Zeit schaffen, nicht nur rauszufinden wo Cleo Edavanes dämliche Geschäftsbücher waren, sondern auch wie wir sie stehlen konnten? Und den Buchhalter oben drauf. Die Sache war praktisch aussichtslos.

Plötzlich und ohne Vorwarnung krampfte sich mein Körper zusammen. Ich beugte mich vor und falls ich was im Magen gehabt hätte, wäre es mit Sicherheit auf meinen Schuhen gelandet. So sog ich verzweifelt die kalte Luft ein und hatte trotzdem das Gefühl nicht atmen zu können.

Eine Hand legte sich auf meinen Rücken.

"Immer weiter atmen, Charlie."

Olivias ruhige Stimme kam kaum zu mir durch. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie die anderen stehen geblieben waren.

"Geht schon weiter", rief sie ihnen zu und sagte dann leiser zu mir, "einfach atmen, okay? Ist gleich vorbei."

Ich konzentrierte mich auf das Gefühl von Olivias Hand auf meinem Rücken und langsam beruhigte ich mich. Mein Kopf war hochrot, als ich mich endlich wieder aufrichtete. Ich lächelte sie wässrig an.

"Danke, keine Ahnung was das war."

Meine Stimme klang viel zittriger, als es mir lieb war. Olivia sah mich wissend an.

Charlie, die Einbrecher und der Diebstahl des JahrhundertsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt