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Langsam lösten wir uns voneinander und sahen uns lächelnd in die Augen. "Bevor wir aber weiter gehen, möchte ich zuerst etwas klarstellen", begann er langsam. Unsicher kratzte er sich am Hinterkopf und lächelte nervös. Abwartend sah ich ihn an. "Also, sei nicht wütend, aber-", sprach er, doch wurde dann unterbrochen. "Ich dachte schon ihr wurdet entführt", lachte Ali kurz. Als er sah, dass wir nicht lachten, sah er uns ernst an und kam auf uns zu. "Aylin, können wir kurz reden?", fragte er ernst. Ich nickte etwas verwirrt und stand dann auf, um zu Ali zu gehen. Er wollte auch schon davor mit mir reden, ist aber nie dazu gekommen. Wir gingen etwas weiter von Can weg und blieben dann stehen. "Also, wie läuft dein Leben so?", fragte er. "Äh, gut?", antwortete ich verwirrt. "Irgendwas neues erfahren, oder so?"
"Äh, Can wollte mir gerade was erzählen, aber-"
"Nein, eher so in der Familie."
"Ehm, ja. Ich hab meinen Onkel kennengelernt, den ich davor gar nicht kannte."
"Mhm, ok. Naja egal."
Er lächelte kurz und verabschiedete sich dann. Verwirrt sah ich ihn hinterher und ging zurück zu Can.
"Was wollte er?", fragte er mich sofort. "Nix, hat was gefragt wegen meiner Familie", antwortete ich. Er nickte nur, während ich mich wieder neben ihn setzte. "Und? Was wolltest du erzählen?", fragte ich ihn. Er schüttelte nur den Kopf. "Nichts wichtiges."
Ich nickte nur. Wir saßen stumm da und starrten den Boden an. Die Stimmung ist ja ziemlich kaputt gegangen. Davor war alles harmonisch und jetzt ist alles so komisch.

"Komm, ich bring dich nach Hause", kam es schließlich von ihm. Während des ganzen Weges unterhielten wir uns wenigstens etwas. Er erzählte mir einige Sachen und ich ihm. Es war fast so wie vor unserem Streit. Wir kamen an und er begleitete mich noch bis zur Haustür. Nun standen wir uns wieder stumm gegenüber. "Bis dann", brachte ich leise heraus. "Bis dann", kam es ebenfalls von ihm, doch mit einer kräftigeren Stimme. Ich lächelte leicht und drehte mich dann schließlich um, um die Tür zu öffnen. Er hielt mich jedoch auf, als er mich am Handgelenk packte und mich zu sich drehte. Ich hielt den Atem an und starrte ihn an. Er tat es mir gleich. "Hast du morgen Zeit?", fragte er mich. Ich nickte nur benebelt und er ließ mich schließlich los. Jetzt lächelte er und verabschiedete sich schließlich. Grinsend öffnete ich die Haustür und betrat schnell die Wohnung. Der Tag könnte nicht besser laufen!

Summend betrat ich mein Zimmer und tat mein Handy zum Laden. Danach ging ich ins Wohnzimmer. Meine Mutter saß immer noch dort und sah sich etwas im Fernseher an. "Und, geht es Azra besser?", fragte sie mich. "Es geht, ich konnte sie wenigstens zum Lachen bringen", erzählte ich ihr. Sie nickte nur und sah wieder zum Fernseher. "Ehm, wo sind meine Brüder und wo ist Papi?", fragte ich sie. "Nour ist draußen mit seinen Freunden und Noah ist bei einem Freund spielen gegangen. Keine Ahnung wo dein Vater ist", sagte sie gegen Ende kalt. Ich sah sie verwirrt an und nickte nur. Ich ging zum Schlafzimmer meiner Eltern. Die Tür war geschlossen, weswegen ich sie vorsichtig öffnete und meinen Vater beim Telefonieren entdeckte. "Bitte, Elif, sag mir doch was jetzt wirklich los ist!", sagte er zischend. "Was?!", rief er aufgebracht. Ich schreckte deswegen erschrocken zusammen. Schnell schloss ich leise die Türe und lief in mein Zimmer, wo ich dann die Tür schloss. Ich hörte wie die Schlafzimmertür etwas zu schnell geöffnet wurde. Mein Vater stampfte wütend ins Wohnzimmer, wo meine Mutter war. Ich konnte schon spüren, wie schnell mein Herz schlug. "Ich gehe zu meiner Schwester", äffte er meine Mutter von gestern nach. "In Wirklichkeit bist du zu diesem ekelhaften Arschloch gegangen, stimmt's?!", rief er aufgebracht. Ich öffnete meine Tür einen kleinen Spalt, um besser zuhören zu können. "Verdammt, Elif!", zischte meine Mutter. "Er ist mein Bruder und ich darf ihn besuchen wann ich will!", sagte meine Mutter mit einer etwas kräftigeren Stimme. "Achso, dein toller Bruder, der dich kaputt geschlagen hat, weil du einen Serben geheiratet hast, oder?!", rief nun mein Vater aufgebracht. Ich schluckte schwer. Meint er den Mann, den ich letztens kennengelernt habe? Meinen "Onkel", der lange weg war? "Hör auf das zu sagen!", rief meine Mutter. "Es ist die Wahrheit! Es ist die eiskalte Wahrheit!", rief mein Vater und begann dann sarkastisch zu lachen. "Weißt du, geh doch zu ihm, aber bitte halte ihn von mir und meinen Kindern fern!", sprach er drohend und haute einmal wütend gegen unseren Schrank. Das konnte ich hören. Mein Vater verließ das Wohnzimmer und ich schloss schnell meine Tür. Ich ließ mich auf den Boden plumpsen und wurde leicht emotional. "Mein Onkel" hatte also meine Mutter früher verprügelt, weil sie meinen Vater geheiratet hatte? Jetzt war der gute Eindruck, den ich von ihm hatte, weg. Ich stand auf und öffnete meine Tür. Im Wohnzimmer war meine Mutter nicht mehr. In der Küche auch nicht und in den anderen restlichen Räumen auch nicht. Ich klopfte vorsichtig an die Schlafzimmertür, ehe ich sie öffnete. Mein Vater sah mich überrascht an. Sofort lächelte er mich sanft an und bat mich hinein zu kommen. "Du hast alles mitgehört, oder?", fragte er mich. Ich nickte stumm und setzte mich neben ihm. "Und du hast deinen "Onkel" bestimmt schon kennengelernt, hab ich Recht?", fragte er wieder. Ich nickte erneut stumm und er seufzte nur. "Es tut mir Leid, dass deine Ohren, dass alles mit anhören mussten", sagte er traurig. Er legte seinen Arm um mich und zog mich näher an sich. Stumm saßen wir da. "Weißt du wo Mama ist?", fragte ich flüsternd. "Sie ist bei ihm", seufzte er. Ich nickte nur. "Stimmt das alles wirklich?", fragte ich. "Ja, leider ja. Deswegen verstehe ich deine Mutter nicht", antwortete er. Ich konnte einerseits meinen Vater verstehen, aber meine Mutter konnte ich anderseits auch verstehen. Mein Vater hasste nur den Mann, der seiner Frau Schaden zugefügt hatte, aber meine Mutter liebte ihren Bruder trotzdem. Es war nun mal ihr Bruder. Mein Vater gab mir einen kleinen Kuss auf meinen Scheitel, weshalb ich an Can denken musste und alles wieder kribbelte. In mir keimten sich Schuldgefühle auf. Würde das mein Vater mit Can wissen, wäre er bestimmt nicht so stolz auf mich. Ich löste mich von meinem Vater und lächelte ihn leicht an. "Ich gehe mit meiner Freundin raus", log ich und stand dann schließlich auf. Meine Schuhe zog ich mir trotzdem an. Ich schnappte mir mein Handy und meine Jacke und verließ die Wohnung. Ich werde jetzt einfach dort hingehen, wo auch meine Mutter war. Nämlich bei Tante Elif. 

Als ich angekommen war, klingelte ich einmal und wartete geduldig, bis mir die Tür geöffnet wurde. Wie immer öffnete Jamal die Tür. Er grinste mich an und zog mich sofort in eine Umarmung. Ich umarmte ihn ebenfalls. Eine Umarmung hab ich gerade wirklich gebraucht. Ich zog meine Schuhe aus und ging zusammen mit Jamal ins Wohnzimmer. Das erste was ich sah, war Ali, der neben meinen "Onkel" war. Ich schaute ihn schockiert an. "Ali?", fragte ich mit hoher Stimme. Er sah mich ebenfalls schockiert an. "Ihr kennt euch?", kam es nun von den anderen. Ali nickte nur schluckend. Meine Mutter war hier, weshalb ich mich sofort neben sie setzte. Jamal holte mir was zum Trinken und setzte sich dann auch hin. "Was macht er hier?", fragte ich sofort. "Na er ist der Sohn von Onkel Tarik", antwortet Jamal gelassen. Ich riss meine Augen weit auf und sah Ali mit offenen Mund an. Er hingegen senkte seinen Blick. Warte, wusste er das schon? "Das ist dein Cousin, aber wie es aussieht kennt ihr euch schon", sprach nun meine Tante Elif. "Die kennen sich von der Tochter von Melissa's Bruder", sagte meine Mutter. Irgendwie wurde mir alles zu viel, weshalb ich anfing zu lachen. "Das ist nur ein Witz, oder?", fragte ich. Mein Onkel schüttelte seinen Kopf und sah mich bemitleidend an. Ich nahm einen großen Schluck von meinem Getränk. Ali war einfach so mein Cousin? Und ich erfahre es erst jetzt? Nachdem ich mit ihm ein Date hatte und wir uns fast geküsst hätten? Mich überkam sofort das Gefühl von Ekel. Ich hätte vielleicht fast was mit meinem eigenen Cousin gehabt. Ich stand auf und wollte wieder gehen. Ich fühlte mich komisch und verarscht. "Bleib doch!", kam es sofort von meinem Onkel. Wütend sah ich ihn an. "Ich gehe lieber", sagte ich. Ich zog meine Schuhe an und verabschiedete mich. Eins ist klar; Ali wird für mich nie ein Cousin sein und Tarik nie ein Onkel!

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Überraschung!

-V🌹

"Ali&Can"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt