3.

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Ich trat durch die schwere Eingangstür der Schule ins Freie und atmete die wohltuende, frische Luft tief ein, ehe ich meinen Blick über den Schulhof schwenken ließ, welchen man von hier aus gut im Blick hatte. Es war Spätsommer, daher war es draußen noch warm, aber eben auch wieder nicht so warm, dass man schwitzte und sich eine Klimaanlage wünschte. Ich liebe diese Zeit im Jahr, warum auch immer. Es war nicht so, dass es mich groß interessiert welche Temperaturen draußen herrschten, ich saß ja meist eh in meinem Zimmer, aber dennoch, irgendwas am Spätsommer mochte ich einfach, auch wenn ich nicht genau wusste was. Der Schultag war bereits so elendig lang und anstrengend gewesen, da war eine Stunde mit meinen Freunden genau das Richtige, nur hatte ich auch vor dieser Mittagspause mit keiner der Mädchen den selben Kurs besucht. Drinnen hatte ich niemanden gesehen und auch der Blick über den Schulhof half nicht sonderlich weiter. Die Einzige, die ich entdeckte war Mercedes und die stand bei ihrem Freund und seinen Kumpels. Einen Moment lang betrachtet ich sie, Lukas hatte seinen Arm um sie gelegt, was irgendwie eher besitzergreifend als romantisch aussah. Während ich sie noch beobachtete drehte sich Mercedes auf einmal um und sah mich. Sie hob ihre Hand und deutete mir mit einer Geste zu ihr zu kommen. Na super, ich war mir nicht sicher, ob das eine so gute Idee war, aber einfach weg gehen wäre jetzt auch unfreundlich. Also ging ich herüber zu der kleinen Gruppe, stellte mich auf die Seite von Mercedes, die nicht von Lukas in Anspruch genommen wurde."Hi." begrüßte ich die Leute mit einem recht nüchternen Gesichtsausdruck und hob zum Gruß die Hand. "Hey" bekam ich von den Jungs und Mercedes ungefähr genau so unmotiviert zurück. Ein Moment verstrich, in dem niemand etwas sagte und eine irgendwie unangenehme Stille herrschte, welche Mercedes dann jedoch brach. "Estelle meine Liebe..." begann sie mit eine Schmunzeln auf den Lippen, welches mir irgendwie Angst machte und einen Hauch von Ironie in ihre Worte legte. "Tom hier findet dich hot aber ist leider zu schüchtern um dich anzusprechen. Also mache ich es für ihn. Bitteschön Tom." keiner unterbrach Mercedes obwohl sie zwischen den einzelnen Sätzen kleine Pausen einlegte, stattdessen lächelten alle nur so komisch. Lukas hatte sein übliches dummes Grinsen im Gesicht, dieser Tom, dessen Namen ich bis heute nicht einmal kannte, lächelte extrem verlegen und schien dabei am liebsten im Erdboden versinken zu wollen und die anderen Typen schienen Mercedes für ihre Worte zu feiern. "Gut gemacht Katze." meinte einer und lachte los, ein Lachen in das einige andere mit einstimmten. Immerhin ein Gefühl schien ich mit Tom in diesem Moment zu teilen, ich wollte am liebsten im Erdboden versinken, ganz, ganz tief im Boden. Jetzt wusste ich immerhin, warum Mercedes mich hier her gewunken hatte, was hatte ich auch vermutet? Dass sie das aus persönlichem Interesse getan hatte? Ich hatte keine Ahnung was ich angenommen hatte und es war auch im Moment ziemlich egal. Ich bereute mich zu der Gruppe gestellt zu haben, wollte einfach nur noch weg, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte oder ob ich überhaupt etwas sagen sollte. Ich lächelte also bloß gezwungen und schaute auf den Boden. Eben weil ich zu Boden schaute bemerkte ich einen Moment gar nicht, dass mich alle erwartungsvoll ansahen. Also wurde doch eine Antwort von mir erwartet, na klasse... "Ähm... danke?" versuchte ich es einfach zu belassen und es klang irgendwie eher nach einer Frage als nach einer Aussage. Irgendwie fand ich es ziemlich mies von Mercedes, dass sie mich in diese Situation gebracht hatte, sie war vielleicht nicht unbedingt meine beste Freundin, aber sie sollte mich eigentlich gut genug kennen um zu wissen, dass solche Situationen einfach unschön für mich waren und ich nicht wusste was ich sagen sollte. "Das ist alles? Findest du ihn nicht auch heiß oder so?" witzelte einer der Typen nun weiter und damit verschwand auch der letzte Rest eines gezwungen Lächelns von meinen Lippen. "Sorry Tom, aber du bist nicht so mein Typ." ich wollte einfach so schnell wie möglich weg und ich war mir ziemlich sicher, dass man mir das mittlerweile auch ansah. "Wer ist dann dein Typ Kleines?" bohrte der selbe Typ, der eben schon gesprochen hatte nach. Ich biss mir auf die Lippe. Wie sollte man den Typ von Jungen erklären, an dem man Interesse hatte, wenn man überhaupt kein Interesse an Jungen hatte. Ich war einfach vollkommen überfordert und sah meinen einzigen Ausweg darin zu flüchten. 
Ich hob abwährend die Hände vor die Brust, "Bye." mehr gab ich nicht mehr von mir, ehe ich mich auf dem Absatz umdrehte, die Hände wieder sinken ließ und weg ging, mich einfach schnell einige Meter von der Gruppe entfernte. "HEY! Kleine! Du hast meine Frage nicht beantwortet!" rief der Junge mir nach und lachte, mittlerweile fand ich sein Lachen irgendwie echt widerlich. "Lass sie." hörte ich nun Mercedes Stimme, sie klang scharf und irgendwie sehr wütend. Ich konnte nicht anders als stehen zu bleiben und mich um zu drehen, gerade rechtzeitig um zu sehen, wie Mercedes sich unsanft von Lukas los riss und zu mir herüber kam. "Tut mir leid." meinte sie und sah mich dabei entschuldigend an, weswegen ihre Worte ehrlich rüber kamen. "Schon okay." antwortete ich und lächelte erneut ziemlich gezwungen. "Hey!" Mercedes schien den leicht traurigen Unterton in meiner Stimme nicht überhört zu haben. Sie griff nach meiner Hand. "Das sind Idioten... Und ich hätte dich einfach weiter nach Lucy suchen lassen sollen." stellte sie fest. Ich antwortete ihr nicht, blickte nur herunter auf meine Hand, welche von ihrer umschlossen wurde. Mercedes folgte meinem Blick und schien sich daran zu erinnern, dass ich es nicht mochte berührt zu werden, also ließ sie meine Hand los und als ich zu ihr aufsah bemerkte ich wieder ein entschuldigendes Lächeln auf ihren Lippen. Mercedes wusste, dass ich es bei den meisten Menschen nicht mochte, wenn sie mich anfassten, was sie nicht wusste, war jedoch, dass das für sie nicht galt. Von ihr würde ich mich gerne berühren lassen. Es hatte gut getan ihre Hand auf meiner zu spüren, auf eine andere Art als wenn Lucy meine Hand hielt. Gott im Himmel, ich verhielt mich ja wie eine Grundschülerin, sie hatte nur meine Hand für einige Sekunden genommen, das war jetzt wirklich nichts Besonderes. Aber warum fühlte es sich dann nach etwas Besonderem an?
Ich blickte in Mercedes schöne Kaffeeaugen und ein ehrliches Lächeln erschien auf meinen Lippen. "Ist wirklich okay. War einfach nur eine unangenehme Situation." meinte ich nun, woraufhin Mercedes nickte. "Wollen wir die anderen suchen?" schlug sie vor und dieses Mal war ich es, die nickte.

Gemeinsam betraten wir also wieder das Innere des Gebäudes. Eine Weile herrschte Schweigen, während wir nach unseren Freunden suchten, dann brach Mercedes die Stille. "Ich weiß gar nichts über dich Estelle." stellte sie fest. Ich lächelte darauf hin nur schwach und zuckte mit den Schultern. "Was möchtest du denn wissen?" fragte ich vorsichtig. Mir war bewusst, dass Mercedes echt wenig von mir mitbekommen hatte und irgendwie verstand ich ja selbst nicht, was genau mein Problem damit war mit ihr zu sprechen. Vielleicht hatte ich Angst etwas falsches zu sagen, aber irgendwie war gar nichts sagen da ja auch nicht besser... Vielleicht hatte ich auch Angst meine Hoffnungen zu hoch zu schrauben wenn ich sie näher kennen lernte, aber meine Hoffnungen waren sowieso schon im Himmel, von daher war das eigentlich auch hinfällig. 
"Weiß nicht..." gab Mercedes nun von sich und sorgte damit dafür, dass ich wieder zu ihr aufschaute. "...eigentlich alles... Was machst du so, wenn du nicht gerade bei Lucy und Mei und den anderen bist?" ergänzte sie nun und brachte mich dazu gleichermaßen belustigt über mich selbst und peinlich berührt zu grinsen. "Naja... Sagen wir es so... Die meiste Zeit verbringe ich mit Serien und Musik." gab ich zu und biss mir unsicher auf die Unterlippe. Es hatte mich nie interessiert, was andere davon dachten, dass ich Hobbys hatte, die für viele nicht wirklich als Hobbys zählten, aber bei Mercedes... Bei ihr hoffte ich einfach, dass sie das nicht zu komisch finden würde.
Mercedes lächelte und ihre nächsten Worte machten mir klar, dass dieses Lächeln nicht dafür bestimmt war sich über mich lustig zu machen oder sowas. "Gossip  girl oder the vampire diaries?" fragte sie schlicht und einfach. "Vampire diaries" entschied ich nachdenklich und hängte dann spontan noch ein "Stranger things oder Supernatural" hinterher. Das Lächeln auf Mercedes Lippen blieb bestehen während sie ein nachdenkliches "öhm..." von sich gab. Auch ich lächelte, es war ein glückliches Lächeln, dass sich da auf meinen Lippen abzeichnete. Lange hatte ich mich gefragt ob Mercedes und ich überhaupt Gemeinsamkeiten haben würden und nun heraus zu finden, dass dem scheinbar so war, war wirklich schön. "Supernatural." entscheid Mercedes nun "Game of thrones oder the 100?" fragte sie anschließend. Mit dieser Frage brach sie bei mir eine Art Barriere. Irgendetwas in mir, was mich vorher zurückgehalten hatte richtig mit ihr zu Reden hatte sich in Luft aufgelöst und mir genehmigt dem Mädchen, für welches ich so schwärmte, zu zeigen wer ich war. Gespielt beleidigt verzog ich den Mund. "Gemeine Frage!" beschwerte ich mich, womit ich Mercedes zum Lachen brachte. Ein wirklich schönes Lachen, dass ein herrlich schönes Gefühl in mir auslöste. Wir wanderten die ganze restliche Mittagspause zusammen durch die Schule und unterhielten uns über verschiedenste Serien, wobei wir bemerkten, dass wir einen ziemlich ähnlichen Geschmack hatten, was das anging. Wir fanden nicht wonach wir eigentlich auf der Suche waren, fanden weder Lucy, noch Mei, noch Zoa, noch Jessica, aber dafür fanden wir Gemeinsamkeiten von denen wir nie gedacht hätten, dass sie existierten. Wir fanden ein wundervolles Gespräch und in gewisser Weise eine neue Freundin in der jeweils anderen. Nicht wegen diesem einen Gespräch alleine, aber wegen all den Gesprächen die daraus resultierten. Am Ende dieser ersten, gemeinsamen Mittagspause verkündete Mercedes mit einem Lächeln auf den Lippen: "Und morgen reden wir über Bands". Schon bald sollte ich herausfinden, dass dies nicht bloß leere Worte waren, wir redeten in der nächsten Mittagspause wirklich über Bands und in der übernächsten über Bücher und so fanden wir auf freundschaftlicher Ebene immer näher zueinander, während die Tage vergingen wie im Fluge.

Girls kiss betterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt