11.

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Nachdem wir den Kuss gelöst hatten saßen wir eine Weile einfach da und grinsten uns an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, war noch immer überwältigt, mehr als das. Und Mercedes schien es nicht viel anders zu gehen. Die Zeit verging und wir saßen einfach dort, aneinander gekuschelt starrten wir in die Ferne und hingen unseren eigenen Gedanken nach. Ich für meinen Teil konnte an nichts anderes denken als an das wunderschöne Mädchen neben mir und daran, wie schön es gewesen war sie zu küssen. Jetzt wusste sie es, jetzt wusste sie, dass ich mehr in ihr sah als nur irgendeine beliebige Freundin. Seltsamerweise machte mir dieser Gedanke keine Angst, ich war ganz ruhig, zufrieden und kein einziger negative Gedanke schaffte es zu mir vorzudringen. Ich schloss meine Augen, so war es schön, so sollte es bleiben. Mercedes verschränkte ihre Finger mit meinen und brach dann das Schweigen zwischen uns. "Können wir zurück gehen? Mir ist kalt..." fragte sie irgendwie verunsichert, so als wäre sie sich nicht vollkommen sicher ob sie wirklich zurück gehen wollte. Ich nickte bloß. "Klar, können wir machen." meinte ich und so standen wir auf und machten uns auf den Weg zurück zu Mercedes nach Hause. 

Erst als wir direkt vor ihrer Haustür standen, ließ ich ihre Hand los. Es hatte sich einfach viel zu gut angefühlt ihr körperlich nahe zu sein, ihre Hand um meine zu spüren, das hatte ich nicht unterbrechen wollen, wirklich nicht. Mercedes schloss nun die Tür auf und wir beide schlüpften ins innere des Hauses, zogen eilig unsere Schuhe aus und begaben uns dann die Treppe hoch in Mercedes Zimmer.
"Ein Foto fehlt noch." flüsterte Mercedes. Langsam kam sie mir näher, blickte mir dabei direkt in die Augen, sodass ich mich in den ihren verlor, dieses wunderschöne Kaffeebraun... Mercedes blieb direkt vor mir stehen, unsere Körper trennten nur mehr Millimeter, während sie einen Arme um meinen Hals und ihr Lippen auf meine legte. Instinktiv legte ich meine Arme um ihre Taille, erwiderte den Kuss, zärtlich, aber gleichzeitig auch verlangend. Meine Augen hatte ich geschlossen, dennoch bemerkte ich das Blitzlicht, welches irgendwann aufleuchtete. Kurz nach dem Einsatz dieses Blitzlichtes löste Mercedes den Kuss und veranlasste mich somit dazu meine Augen zu öffnen. Die lila haarige Schönheit hatte ihren Blick zur Seite gerichtet und als ich diesem folgte, entdeckte ich auf ihrem Handy ein wirklich niedlich aussehendes Bild... Ein Bild auf dem ich Mercedes küsste.

Knapp eine Stunde später hatte ich es geschafft mich abzuschminken, umzuziehen und mich von Mercedes zu verabschieden, war nun auf dem Weg zu mir nach Hause. In meiner Hand hielt ich eine Papiertüte, in welcher sicher verstaut das schwarze Kleid lag, welches ich noch eben getragen hatte. Mercedes hatte gemeint ich sollte es behalten, wogegen ich ziemlich lange protestiert hatte, doch sie hatte nicht aufgegeben, hatte mir gesagt, dass es ihr eh nicht passte und wie wunderschön ich, ihrer Meinung nach, darin ausgesehen hatte, irgendwann hatte ich da nicht anders gekonnt als nachzugeben.
Es war schon längst dunkel, die Gehwege,über welche ich meinen Weg nach Hause tätigte wurden nur von dem Schein der Straßenlaternen beleuchtete, denn der Mond hatte beschlossen sich hinter irgendwelchen Wolken zu verkriechen. Noch immer war ich verdammt glücklich. Nie hätte ich gedacht, dass dieser Tag einen solchen Verlauf nehmen würde, dass ich Mercedes küssen würde... Sogar zwei Mal... Ich verlor mich in meinen wunderschönen Erinnerungen und Gedanken, so sehr, dass ich beinahe an dem Haus, in welchem ich mit meiner Familie lebte vorbei lief, aber eben nur beinahe. Ich zückte meinen Haustürschlüssel, schloss auf und trat ein. Alles war ruhig im Haus, weswegen ich davon ausging das alle schliefen. Ich streifte meine Schuhe ab, nahm sie in die Hand und wollte durchs Wohnzimmer die Treppe hoch in mein Zimmer schleichen, doch als ich die Tür zum Wohnzimmer öffnete strömte mir das Licht der Deckenlampe entgegen und die Blicke meiner Eltern ruhten auf mir. Na super. Dahin war meine gute Laune, denn ich wusste was jetzt kam. "Was denkst du dir eigentlich? Den ganzen Tag weg zu sein, nicht zum Essen zu  kommen, nicht mal anzurufen und dann so später nach Hause zu kommen?" mein Vater war außer sich. Ich wusste nicht was ich erwidern sollte, ich wollte verdammt nochmal nicht reden, nicht streiten, mich nicht rechtfertigen müssen. Ich wollte einfach nur in mein Zimmer und meinen schönen Tag auch schön beenden. Aber so würde es nicht kommen, gewiss nicht. "Was ist das für eine Tüte? Hat dir dein Freund etwas geschenkt?" fragte meine Mutter und zerstörte dabei auch den letzten Rest an guter Laune in mir. Warum musste sie mich denn jetzt dran erinnern, dass meine Eltern homophobe Menschen waren, die nur Paare unterschiedlichen Geschlechts als normal empfanden. Die Erinnerungen an Mercedes Lippen auf meinen hingen an der Front meiner Gedanken. "Zum letzten Mal. Ich habe keinen Freund." beschwerte ich mich, harscher als ich es beabsichtigt hatte. "Na dann solltest du dir mal langsam einen suchen." entgegnete meine Mutter. Andere Eltern freuten sich, wenn ihre Kinder sich auf die Schule konzentrierten und Single blieben. Meine Mutter hingegen wollte unbedingt, dass ich mir einen Typen suchte. Schon öfter hatte ich darüber nachgedacht, ob sie wollte, dass ich einen Freund hatte, damit sie keine Angst mehr zu haben brauchte, dass ich lesbisch war. War ich aber nun einmal. Und selbst wenn ich einen Freund hätte würde das doch noch absolut nichts über meine Sexualität aussagen, ich könnte ja genau so gut bi oder pan sein. Aber vermutlich wussten meine Eltern nicht einmal, dass sowas existierte. Sie hatten einfach eine verdammt eingeschränkte Sicht auf die Welt wenn man mich fragte, aber mich fragte ja keiner. Mich fragte nie irgendwer, ich wurde immer nur herum geschubst. Ich steigerte mich verdammt in diese negativen Gedanken herein, musste mit den Tränen kämpfen, während mein Vater mich weiterhin anschrie. Was er sagte wusste ich nicht, ich hörte ihm ja nicht zu, war zu sehr mit dem Chaos in mir beschäftigt. "HAST DU MICH VERSTANDEN?" motzte mein Vater und ich nickte, obwohl ich ihn nicht verstanden hatte, obwohl ich keinen Plan hatte, was er gesagt hatte. Ich kannte die ganze Moralpredigt ja eigentlich eh und er sagte im Grunde immer das Selbe. "Jetzt geh in dein Zimmer und die nächsten Wochen kommst du direkt nach der Schule nachhause und bleibst dann auch hier, damit das klar ist. Keine Freundinnen oder mysteriösen Freunde." beendete mein Vater seine Rede. Nichts lieber als ersteres, wirklich. In mein Zimmer zu gehen klang nach einer wahnsinnig guten Idee, es war ja das Einzige, was ich die ganze Zeit gewollt hatte, seit ich eben dieses Haus betraten hatte. Und auch Hausarrest war nichts, was mich normalerweise störte. Normalerweise... Aber nach heute war nicht mehr alles normal, es war nicht mehr alles wie sonst. Ich wollte Mercedes wieder sehen, so oft wie möglich, wollte noch viele schöne Momente mit ihr erleben und viele schöne Erinnerungen mit ihr teilen und darauf wollte ich ganz bestimmt nicht Wochen lang warten... 

Ohne noch weiter zu zögern ging ich an meinen Eltern vorbei die Treppe hoch. Irgendwie waren, zumindest für den Moment, alle Gedanken und Gefühle von mir gewichen. Ich spielte einfach meine gewöhnliche Routine ab. Ich stellte die Tüte und meine Schuhe weg, hing meine Jacke auf, zog mich um, putzte meine Zähne... Erst als ich ins Bett fiel, mich fest in die weiche Decke einkuschelte brachen all die Gefühle und Gedanken wieder über mir zusammen. Der Tag war einfach irgendwie etwas zu viel für mich gewesen. So viele positive Gefühle gefolgt von so vielen negativen. Nur eines blieb konstant, meine Gedanken galten immer Mercedes. Was waren wir jetzt eigentlich? Sie war offiziell noch immer mit Lukas zusammen und ich könnte dank meiner Eltern so schnell keine öffentliche Beziehung mit ihr beginnen, aber trotzdem war da irgendwas zwischen uns... Es war ja nicht bloß ein Kuss gewesen... Es war ein Kuss gewesen, den wir beide genossen hatten, den wir beide wiederholen wollten und in gewisser Weise hatten wir das ja auch getan, für das Foto in Mercedes Zimmer. Ich konnte nicht anders als unwillkürlich zu Lächeln, als ich an diese beiden wundervollen Küsse dachte, doch das Lächeln wich schnell wieder von meinen Lippen. Wenn wir also nicht zusammen waren und auch nicht zusammen kommen würden in nächster Zeit, da aber etwas zwischen uns war und wir beide mehr von einander wollten als einfach bloß Freundschaft... Waren wir dann gerade dabei sowas wie eine Affäre zu starten? War ich da überhaupt der Typ für? Und was wenn wir auffliegen würden? Was, wenn Lukas es herausfinden würde, oder noch schlimmer... Was wenn meine Eltern es herausfinden würden? Das dürfte niemals passieren, dann wüsste ich nicht mehr weiter. Aber gleichzeitig... Ich wollte nicht, dass das, was auch immer es war, was zwischen Mercedes und mir lief vorbei ging. Es war viel zu schön gewesen sie zu küssen, ich wollte das wieder, wollte sie wieder küssen und zwar oft, vielleicht wollte ich sogar mehr als das... So lange war Mercedes für mich unerreichbar gewesen und jetzt hatte ich es endlich geschafft sie zu küssen und trotzdem war sie immer noch irgendwie unerreichbar. Mit diesem Gedanken im Kopf schlief ich ein. Es war kein schöner Gedanke und es wurde auch keine schöne Nacht. Meine Träume waren verworren, verwirrend und teilweise äußerst unschön. 

Am nächsten Morgen wachte ich mit einem mulmigen Gefühl auf. Es war kein guter Start in den Tag und ich wäre am liebsten im Bett liegen geblieben, aber nein... Das ging nicht... Und vielleicht würde der Tag ja noch schöner werden, wenn ich gleich Mercedes wiedersah... Klar, noch immer war ich mir was sie anging über nichts sicher, ich hatte nicht den geringsten Plan, was die vergangene Nacht für sie bedeutet hatte, hatte keine Ahnung wie ich mich ihr gegenüber jetzt verhalten sollte. Aber es war Mercedes, sie war mehr als nur mein Crush, sie war auch eine sehr gute Freundin von mir geworden, deswegen war ich mir beinahe sicher, dass es nicht allzu seltsam zwischen uns werden würde... Zumindest hoffte ich das ganz stark. Nach dem Abend und der Strafe meiner Eltern an mich wollte ich ehrlich nicht noch mehr negative Nachrichten. Es ärgerte mich schon genug, dass es in näherer Zukunft schwierig werden würde außerhalb der Schule Zeit mit Mercedes zu verbringen und noch viel schwieriger würde es werden eine Stille Minute für uns zu bekommen um etwas zu tun, was vielleicht über gewöhnliche Freundschaft hinaus ging. 

Girls kiss betterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt