7.

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In der folgenden Nacht hatte ich Probleme einzuschlafen. Gefühlte Ewigkeiten lag ich mit geschlossenen Augen im Bett, doch der Schlaf wollte einfach nicht kommen. Sekunden, Minuten, Stunden vergingen und ich bewegte mich kaum einen Millimeter, doch meine Gedanken waren nicht einverstanden damit endlich einmal abzuschalten und mir etwas Ruhe zu gönnen. 
Irgendwann klingelte dann auf einmal mein Handy. Im ersten Moment hatte ich Angst, dass ich die ganze Nacht wach gelegen hatte und nun schon mein Wecker klingelte. Doch als ich die Augen öffnete und mir das Smartphone schnappte leuchtete Mercedes Name auf dem Display auf. Warum zur Hölle rief sie mich mitten in der Nacht an? 

"Estelle?" drang die Stimme des anderen Mädchens direkt nachdem ich das Gespräch angenommen hatte an mein Ohr. "Ja?" fragte ich und vielleicht hörte man aus meiner Stimme heraus, dass ich mehr als nur ein bisschen müde war.
"Hab ich dich geweckt?" fragte Mercedes und klang dabei entschuldigend. Ich schüttelte den Kopf, was nichts brachte, da Mercedes mich ja nicht sehen konnte. "Nein, hast du nicht... Ich konnte eh nicht schlafen." antwortete ich ihr nun. "Ich auch nicht." erwiderte sie und ich konnte das Lächeln, das vermutlich auf ihren Lippen lag aus ihrer Stimme heraushören. 
Ich saß in meinem Bett, den Rücken gegen die Wand gelehnt, eingekuschelt in meine Decke und hatte nicht den geringsten Plan was ich sagen sollte. Ich war am Tag schon schlecht mit Worten und zu Zeiten zu denen ich normalerweise schlief war dies definitiv nicht besser. "Estelle?" Mercedes sprach meinen Namen fragend aus, vermutlich wollte sie testen ob ich noch am Telefon war. "Ja?" fragte ich zurück, da ich noch immer nicht wusste, was ich sagen sollte. "Komm runter und mach mir die Tür auf." ich runzelte bei Mercedes Worten die Stirn, was machte sie bitteschön vor der Haustür des Hauses meiner Eltern? Woher wusste sie überhaupt wo ich wohnte? Und was hatte sie jetzt mit mir vor? Woher hatte sie bevor sie hergekommen war gewusst, dass ich wach war? Die Fragen häuften sich in meinem Kopf aber ich fragte nicht, stellte nicht eine einzige der vielen Fragen, die ich hatte. Stattdessen brachte ich nur ein knappes "Okay." zustande.  

Mercedes antwortete nicht, aber sie legte auch nicht auf. Stattdessen herrschte Stille in der Leitung. Einen Moment lang lauschte ich dieser Stille, bewegte mich nicht, fasste nicht einmal wirklich irgendwelche konkreten Gedanken. Dann jedoch legte ich auf, beendete das Telefonat mit dem Mädchen, welches mitten in der Nacht vor meiner Haustür stand. 
Schnell zog ich mir eine schwarze Jeans und ein weißes T-shirt an, packte mein Handy in meine Hosentasche, tappte dann leise die Treppen herunter, in der Hoffnung niemanden zu wecken. Denn wie sollte ich diese Situation bitteschön erklären? 

Unten angekommen schnappte ich mir meine heißgeliebte, dunkle Jeansjacke und schlüpfte schnell in meine Schuhe. Ich packte noch schnell meinen Haustürschlüssel, welcher wie immer auf einem kleinen Tischchen im Flur lag, in meine Hosentasche. Eben damit ich ihn schnell mal in meine winzige Hosentasche quetschen konnte hatte ich keinen Schlüsselanhänger oder sowas daran befestigt. 
Ich öffnete nun endlich die Tür, hoffte, dass ich Mercedes nicht zu lange hatte warten lassen. In meinen Ohren klang es schließlich nach keiner besonders spannenden Aktivität vor der Haustür von jemandem herum zu stehen und zu warten. 
Im geringen Licht des wolkenverhangenen Mondes und der ein ganzes Stück entfernten Straßenlaterne wirkten Mercedes Haare nicht mehr länger lila sondern eher wie schwarz und auch die tolle Farbe ihrer Augen konnte ich nicht wirklich genau erkennen. Ihr Lächeln hingegen war unverkennbar. Stunden lang hätte ich sie anstarren können, wie sie so da stand, ein Skateboard unter den Arm geklemmt, die freie Hand in die Hüfte stützt und ein Lächeln auf den Lippen. "Hi." meinte sie, nachdem wir einander einige Sekunden lang einfach nur betrachtet hatten. Sie sprach leise, flüsterte beinahe. "Hi." erwiderte ich ebenso leise und wie auf den ihren, lag auch auf den meinen Lippen mittlerweile ein Lächeln. "Ich hoffe du hast ein Skateboard." sprach Mercedes nun weiter, noch immer klang ihre Stimme gedämpft, dieses Mal aber schon wesentlich weniger nach einem Flüstern als bei der Begrüßung eben. 
Ich nickte bloß und verschwand dann kurz im Haus, schnappte mir mein Skateboard aus dem Abstellraum, welcher, wie der Name schon sagte, nur dafür da war Dinge abzustellen.

Girls kiss betterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt